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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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kämpfen müssen, sich durch Erhebung der hannöverschen Dynastie die Herrschaft für
lange sicherten. Die Partei blieb cvmpact, so lange eine Rückkehr der Stuarts
dnrch Hilfe der geschla-gelten Tories möglich war. Als sich jedoch die Hanno¬
veraner befestigt hatten, entstand durch die beständige Collision der hannöverschen
Hausinteressen mit dem englischen Nationalintcresse eine königliche Partei ('1'Ile I^in^'s
lriencls). Das. Aufkommen eines theoretischen Liberalismus, dessen Grund¬
satz allgemeiner Duldung mit dem durch politische Nothwendigkeit erzeugten arti--
katholischen Geist der ursprünglichen Whigpartei in Widerspruch stand, so wie der
durch die Greuel der französischen Revolution hervorgerufene hyperloyale Eifer
bereiteten neuen Abfall vor, so daß allmählich aus dem Schooße der alten Whigs
eine neue Torypartei hervorging und zur Herrschaft kam, während sich die Whigs
dnrch Anhänger des theoretischen Liberalismus verstärken. Einen belangreichen
Zuwachs erhielten die Whigs noch, als Pitt's Nachfolger den Verbündeten der
englischen nationalen Politik in dem Kampf gegen Napoleon's Weltherrschaft selbst
nach dem Sturz desselben noch treu blieben, und als die heilige Allianz nun
ihrerseits den Kontinent mit einer absolutistischen Alleinherrschaft bedrohte. Damals
trat Canning zu den Whigs über, indem er als Gegengewicht gegen die nordi¬
schen Höfe die liberalen Interessen unterstützte.

Nach langem Harren kamen die Whigs 1830 wieder zur Herrschaft. Das
damalige Neformbillministerium bestand aus folgenden Elementen: 1. Ans dem Earl
Grey (dem Verstorbenen) und seinen persönlichen Anhängern, die sich nicht mit
an Canning angeschlossen hatten. Dies waren die eigentlichen englischen Whigs, '
welche ihren Principien treu blieben, als Burke, die Familie Portland (Bentinck)
und Andere zu Anfang der ersten französischen Revolution zu Pitt übertraten. 2.
Den Lansdowne-, Russell-und Brougham-Whigs, die sich an Canning anschlössen; sie
gehörten der politischen Schule des Edinburgh-Reviewan. Die schottische Erziehung
der hier genannten Führer hatte ihnen politische Ansichten eingepflanzt, die syste¬
matischer, aber weniger praktisch als die der Grey's waren. 3. Den Canningiten,
welche wieder in zwei Theile zerfielen, in die Whigfamilien, die zu Pitt übergetreten
waren, sich mit der Zeit aber wieder ihren alten Verbündeteten genähert hatten;
und in Tories, wie Mr. Canning und Lord Palmerston, welche, durch den Gang
der Ereignisse belehrt, Ansichten angenommen hatten, die den bestehenden In¬
teressen der Gesellschaft mehr entsprachen. 4. Einigen neuen Männern, wie Mr.Pau-
lett Thomson, und Sir John Cam Hobhouse, welche in die eben aufgezählten Kate¬
gorien nicht eingereiht werden können. Die meiste Geschäftskenntniß hatten Anfangs-
Lord Palmerston und die Canningiten. Die Russell- und Lansdowne-Section hatte
sich ein wenig erworben, bei Grey und dessen Anhängern war großer Mangel
daran. Im Allgemeinen waren jedoch die Führer gewandte parlamentarische Tak¬
tiker, und einige, wie Lord I. Russell und Lord Stanley (der jetzige Earl of
Derby und Premier) waren durch Natur und Studium ganz besonders dazu befähigt.


kämpfen müssen, sich durch Erhebung der hannöverschen Dynastie die Herrschaft für
lange sicherten. Die Partei blieb cvmpact, so lange eine Rückkehr der Stuarts
dnrch Hilfe der geschla-gelten Tories möglich war. Als sich jedoch die Hanno¬
veraner befestigt hatten, entstand durch die beständige Collision der hannöverschen
Hausinteressen mit dem englischen Nationalintcresse eine königliche Partei ('1'Ile I^in^'s
lriencls). Das. Aufkommen eines theoretischen Liberalismus, dessen Grund¬
satz allgemeiner Duldung mit dem durch politische Nothwendigkeit erzeugten arti--
katholischen Geist der ursprünglichen Whigpartei in Widerspruch stand, so wie der
durch die Greuel der französischen Revolution hervorgerufene hyperloyale Eifer
bereiteten neuen Abfall vor, so daß allmählich aus dem Schooße der alten Whigs
eine neue Torypartei hervorging und zur Herrschaft kam, während sich die Whigs
dnrch Anhänger des theoretischen Liberalismus verstärken. Einen belangreichen
Zuwachs erhielten die Whigs noch, als Pitt's Nachfolger den Verbündeten der
englischen nationalen Politik in dem Kampf gegen Napoleon's Weltherrschaft selbst
nach dem Sturz desselben noch treu blieben, und als die heilige Allianz nun
ihrerseits den Kontinent mit einer absolutistischen Alleinherrschaft bedrohte. Damals
trat Canning zu den Whigs über, indem er als Gegengewicht gegen die nordi¬
schen Höfe die liberalen Interessen unterstützte.

Nach langem Harren kamen die Whigs 1830 wieder zur Herrschaft. Das
damalige Neformbillministerium bestand aus folgenden Elementen: 1. Ans dem Earl
Grey (dem Verstorbenen) und seinen persönlichen Anhängern, die sich nicht mit
an Canning angeschlossen hatten. Dies waren die eigentlichen englischen Whigs, '
welche ihren Principien treu blieben, als Burke, die Familie Portland (Bentinck)
und Andere zu Anfang der ersten französischen Revolution zu Pitt übertraten. 2.
Den Lansdowne-, Russell-und Brougham-Whigs, die sich an Canning anschlössen; sie
gehörten der politischen Schule des Edinburgh-Reviewan. Die schottische Erziehung
der hier genannten Führer hatte ihnen politische Ansichten eingepflanzt, die syste¬
matischer, aber weniger praktisch als die der Grey's waren. 3. Den Canningiten,
welche wieder in zwei Theile zerfielen, in die Whigfamilien, die zu Pitt übergetreten
waren, sich mit der Zeit aber wieder ihren alten Verbündeteten genähert hatten;
und in Tories, wie Mr. Canning und Lord Palmerston, welche, durch den Gang
der Ereignisse belehrt, Ansichten angenommen hatten, die den bestehenden In¬
teressen der Gesellschaft mehr entsprachen. 4. Einigen neuen Männern, wie Mr.Pau-
lett Thomson, und Sir John Cam Hobhouse, welche in die eben aufgezählten Kate¬
gorien nicht eingereiht werden können. Die meiste Geschäftskenntniß hatten Anfangs-
Lord Palmerston und die Canningiten. Die Russell- und Lansdowne-Section hatte
sich ein wenig erworben, bei Grey und dessen Anhängern war großer Mangel
daran. Im Allgemeinen waren jedoch die Führer gewandte parlamentarische Tak¬
tiker, und einige, wie Lord I. Russell und Lord Stanley (der jetzige Earl of
Derby und Premier) waren durch Natur und Studium ganz besonders dazu befähigt.


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[0512] kämpfen müssen, sich durch Erhebung der hannöverschen Dynastie die Herrschaft für lange sicherten. Die Partei blieb cvmpact, so lange eine Rückkehr der Stuarts dnrch Hilfe der geschla-gelten Tories möglich war. Als sich jedoch die Hanno¬ veraner befestigt hatten, entstand durch die beständige Collision der hannöverschen Hausinteressen mit dem englischen Nationalintcresse eine königliche Partei ('1'Ile I^in^'s lriencls). Das. Aufkommen eines theoretischen Liberalismus, dessen Grund¬ satz allgemeiner Duldung mit dem durch politische Nothwendigkeit erzeugten arti-- katholischen Geist der ursprünglichen Whigpartei in Widerspruch stand, so wie der durch die Greuel der französischen Revolution hervorgerufene hyperloyale Eifer bereiteten neuen Abfall vor, so daß allmählich aus dem Schooße der alten Whigs eine neue Torypartei hervorging und zur Herrschaft kam, während sich die Whigs dnrch Anhänger des theoretischen Liberalismus verstärken. Einen belangreichen Zuwachs erhielten die Whigs noch, als Pitt's Nachfolger den Verbündeten der englischen nationalen Politik in dem Kampf gegen Napoleon's Weltherrschaft selbst nach dem Sturz desselben noch treu blieben, und als die heilige Allianz nun ihrerseits den Kontinent mit einer absolutistischen Alleinherrschaft bedrohte. Damals trat Canning zu den Whigs über, indem er als Gegengewicht gegen die nordi¬ schen Höfe die liberalen Interessen unterstützte. Nach langem Harren kamen die Whigs 1830 wieder zur Herrschaft. Das damalige Neformbillministerium bestand aus folgenden Elementen: 1. Ans dem Earl Grey (dem Verstorbenen) und seinen persönlichen Anhängern, die sich nicht mit an Canning angeschlossen hatten. Dies waren die eigentlichen englischen Whigs, ' welche ihren Principien treu blieben, als Burke, die Familie Portland (Bentinck) und Andere zu Anfang der ersten französischen Revolution zu Pitt übertraten. 2. Den Lansdowne-, Russell-und Brougham-Whigs, die sich an Canning anschlössen; sie gehörten der politischen Schule des Edinburgh-Reviewan. Die schottische Erziehung der hier genannten Führer hatte ihnen politische Ansichten eingepflanzt, die syste¬ matischer, aber weniger praktisch als die der Grey's waren. 3. Den Canningiten, welche wieder in zwei Theile zerfielen, in die Whigfamilien, die zu Pitt übergetreten waren, sich mit der Zeit aber wieder ihren alten Verbündeteten genähert hatten; und in Tories, wie Mr. Canning und Lord Palmerston, welche, durch den Gang der Ereignisse belehrt, Ansichten angenommen hatten, die den bestehenden In¬ teressen der Gesellschaft mehr entsprachen. 4. Einigen neuen Männern, wie Mr.Pau- lett Thomson, und Sir John Cam Hobhouse, welche in die eben aufgezählten Kate¬ gorien nicht eingereiht werden können. Die meiste Geschäftskenntniß hatten Anfangs- Lord Palmerston und die Canningiten. Die Russell- und Lansdowne-Section hatte sich ein wenig erworben, bei Grey und dessen Anhängern war großer Mangel daran. Im Allgemeinen waren jedoch die Führer gewandte parlamentarische Tak¬ tiker, und einige, wie Lord I. Russell und Lord Stanley (der jetzige Earl of Derby und Premier) waren durch Natur und Studium ganz besonders dazu befähigt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/512>, abgerufen am 22.07.2024.