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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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und seine Studien versprachen um so mehr eine lohnende Ausbeute für die Kunst,
als er vor Vielen sich auszeichnet durch den Sinn, das wirkliche Schöne der
Natur zu entdecken, nachzufühlen und künstlerisch zu ergreifen. Auf dem Wege durch
das nördliche Italien konnte er natürlich nicht umhin, auch dort einige landschaftliche
Eindrücke zu sammeln, und der Saal des Kunstvereins zeigt uns schon einen
derselben in einem sehr ansprechenden Bilde: ein freundlich glänzender Waldbach
zieht sich zwischen üppigem, von Eichen umkränzten Ufer dahin, und eine Gruppe
von Hirtenkindern nebst einer Ziegenherde belebt die Landschaft. Das Motiv
ist ans den Südabhängen der Seealpen bei Ventimiglia. Andere Touristen halten
sich deu Sinn für das Schöne nicht immer so frei und rein, streben mehr nach
dem Auffallenden und Sonderbaren.

So geht es dem talentvollen Bellermann, der lange Zeit Südamerika bereiste.
Sein neuestes Werk ist eine Waldpartie aus den Anden bei Venezuela. Hier
finden wir Farben, die uns frappiren, ohne daß wir sie in ihrer grellen Mi¬
schung von Gelb und Grün als wahre Farben der Natur empfinden. Dazu
daun die Staffage einiger winzigen Jndianergestalten, das mag für den Kenner
jener Gegenden ganz interessant sein, mich aber läßt es kalt. Viel inniger be¬
rührte mich eine heimische Waldpartie desselben Künstlers, die uns in einen voll¬
saftigen Eichenwald blicken läßt, so grün und frisch in seiner Blättersülle', in sei¬
nem weichen Moosgründe, daß wir den Duft dieser waldesdunklen Pflanzenwelt
einzuathmen glauben. Mitten durch das Bild und gerade auf den Beschauer'
zu fließt ein klares Bächlein, in dessen Fluchen sich die Lichtblicke zwischen der
Blätterwvlbung spiegeln, und an dessen Ufer zwei Kinder mit dem rieselnden
Wasser ihr harmloses Spiel treiben. Durch eine eigenthümliche, Fügung der
Umstände macht dieses letztere Bild, nachdem es einen Käufer gesunden, eine
Reise eben dahin, woher Bellermann seine exotischen Studien holte: nach Süd¬
amerika. Möge der Künstler nnn Aehnliches auch für seine Landsleute malen!
Einer sehr verwandten Richtung nach dem Auffallenden huldigt Eduard Hilde¬
brandt, ein malerisches Talent von höchster Bedeutung, bei aller Jngend vollen¬
deter Meister der Farbe, und unter den deutschen Landschaftern derjenige, wel¬
cher die Technik des Colorits bis zur vollkommensten Beherrschung aller mäch¬
tigsten Effecte, wie aller feinsten Tinten von Licht, Luft und Farbe entwickelte.
Er hat uns einmal eine arktische See gemalt, in der man die durch den Nebel
blickende Sonnenscheibe nicht übel mit einem Setzei verglich, und was andere
Extravaganzen und Rodomontaden eines vielgereisten Mannes mehr sind. Und
Hildebrandt darf sich zu den Vielgereisten zählen. Nordwärts kam er bis zu den
Shetlandsinseln, südwärts durch Spanien und Portugal bis zu den Canarischen
Inseln und Madeira. Von dieser letztern Reise kehrte er mit einer Sammlung
von über hundert Aquarellen zurück. Die Sammlung vereinigte ein geo¬
graphisches und ethnographisches Interesse mit dem künstlerischen. Natur- und


und seine Studien versprachen um so mehr eine lohnende Ausbeute für die Kunst,
als er vor Vielen sich auszeichnet durch den Sinn, das wirkliche Schöne der
Natur zu entdecken, nachzufühlen und künstlerisch zu ergreifen. Auf dem Wege durch
das nördliche Italien konnte er natürlich nicht umhin, auch dort einige landschaftliche
Eindrücke zu sammeln, und der Saal des Kunstvereins zeigt uns schon einen
derselben in einem sehr ansprechenden Bilde: ein freundlich glänzender Waldbach
zieht sich zwischen üppigem, von Eichen umkränzten Ufer dahin, und eine Gruppe
von Hirtenkindern nebst einer Ziegenherde belebt die Landschaft. Das Motiv
ist ans den Südabhängen der Seealpen bei Ventimiglia. Andere Touristen halten
sich deu Sinn für das Schöne nicht immer so frei und rein, streben mehr nach
dem Auffallenden und Sonderbaren.

So geht es dem talentvollen Bellermann, der lange Zeit Südamerika bereiste.
Sein neuestes Werk ist eine Waldpartie aus den Anden bei Venezuela. Hier
finden wir Farben, die uns frappiren, ohne daß wir sie in ihrer grellen Mi¬
schung von Gelb und Grün als wahre Farben der Natur empfinden. Dazu
daun die Staffage einiger winzigen Jndianergestalten, das mag für den Kenner
jener Gegenden ganz interessant sein, mich aber läßt es kalt. Viel inniger be¬
rührte mich eine heimische Waldpartie desselben Künstlers, die uns in einen voll¬
saftigen Eichenwald blicken läßt, so grün und frisch in seiner Blättersülle', in sei¬
nem weichen Moosgründe, daß wir den Duft dieser waldesdunklen Pflanzenwelt
einzuathmen glauben. Mitten durch das Bild und gerade auf den Beschauer'
zu fließt ein klares Bächlein, in dessen Fluchen sich die Lichtblicke zwischen der
Blätterwvlbung spiegeln, und an dessen Ufer zwei Kinder mit dem rieselnden
Wasser ihr harmloses Spiel treiben. Durch eine eigenthümliche, Fügung der
Umstände macht dieses letztere Bild, nachdem es einen Käufer gesunden, eine
Reise eben dahin, woher Bellermann seine exotischen Studien holte: nach Süd¬
amerika. Möge der Künstler nnn Aehnliches auch für seine Landsleute malen!
Einer sehr verwandten Richtung nach dem Auffallenden huldigt Eduard Hilde¬
brandt, ein malerisches Talent von höchster Bedeutung, bei aller Jngend vollen¬
deter Meister der Farbe, und unter den deutschen Landschaftern derjenige, wel¬
cher die Technik des Colorits bis zur vollkommensten Beherrschung aller mäch¬
tigsten Effecte, wie aller feinsten Tinten von Licht, Luft und Farbe entwickelte.
Er hat uns einmal eine arktische See gemalt, in der man die durch den Nebel
blickende Sonnenscheibe nicht übel mit einem Setzei verglich, und was andere
Extravaganzen und Rodomontaden eines vielgereisten Mannes mehr sind. Und
Hildebrandt darf sich zu den Vielgereisten zählen. Nordwärts kam er bis zu den
Shetlandsinseln, südwärts durch Spanien und Portugal bis zu den Canarischen
Inseln und Madeira. Von dieser letztern Reise kehrte er mit einer Sammlung
von über hundert Aquarellen zurück. Die Sammlung vereinigte ein geo¬
graphisches und ethnographisches Interesse mit dem künstlerischen. Natur- und


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[0468] und seine Studien versprachen um so mehr eine lohnende Ausbeute für die Kunst, als er vor Vielen sich auszeichnet durch den Sinn, das wirkliche Schöne der Natur zu entdecken, nachzufühlen und künstlerisch zu ergreifen. Auf dem Wege durch das nördliche Italien konnte er natürlich nicht umhin, auch dort einige landschaftliche Eindrücke zu sammeln, und der Saal des Kunstvereins zeigt uns schon einen derselben in einem sehr ansprechenden Bilde: ein freundlich glänzender Waldbach zieht sich zwischen üppigem, von Eichen umkränzten Ufer dahin, und eine Gruppe von Hirtenkindern nebst einer Ziegenherde belebt die Landschaft. Das Motiv ist ans den Südabhängen der Seealpen bei Ventimiglia. Andere Touristen halten sich deu Sinn für das Schöne nicht immer so frei und rein, streben mehr nach dem Auffallenden und Sonderbaren. So geht es dem talentvollen Bellermann, der lange Zeit Südamerika bereiste. Sein neuestes Werk ist eine Waldpartie aus den Anden bei Venezuela. Hier finden wir Farben, die uns frappiren, ohne daß wir sie in ihrer grellen Mi¬ schung von Gelb und Grün als wahre Farben der Natur empfinden. Dazu daun die Staffage einiger winzigen Jndianergestalten, das mag für den Kenner jener Gegenden ganz interessant sein, mich aber läßt es kalt. Viel inniger be¬ rührte mich eine heimische Waldpartie desselben Künstlers, die uns in einen voll¬ saftigen Eichenwald blicken läßt, so grün und frisch in seiner Blättersülle', in sei¬ nem weichen Moosgründe, daß wir den Duft dieser waldesdunklen Pflanzenwelt einzuathmen glauben. Mitten durch das Bild und gerade auf den Beschauer' zu fließt ein klares Bächlein, in dessen Fluchen sich die Lichtblicke zwischen der Blätterwvlbung spiegeln, und an dessen Ufer zwei Kinder mit dem rieselnden Wasser ihr harmloses Spiel treiben. Durch eine eigenthümliche, Fügung der Umstände macht dieses letztere Bild, nachdem es einen Käufer gesunden, eine Reise eben dahin, woher Bellermann seine exotischen Studien holte: nach Süd¬ amerika. Möge der Künstler nnn Aehnliches auch für seine Landsleute malen! Einer sehr verwandten Richtung nach dem Auffallenden huldigt Eduard Hilde¬ brandt, ein malerisches Talent von höchster Bedeutung, bei aller Jngend vollen¬ deter Meister der Farbe, und unter den deutschen Landschaftern derjenige, wel¬ cher die Technik des Colorits bis zur vollkommensten Beherrschung aller mäch¬ tigsten Effecte, wie aller feinsten Tinten von Licht, Luft und Farbe entwickelte. Er hat uns einmal eine arktische See gemalt, in der man die durch den Nebel blickende Sonnenscheibe nicht übel mit einem Setzei verglich, und was andere Extravaganzen und Rodomontaden eines vielgereisten Mannes mehr sind. Und Hildebrandt darf sich zu den Vielgereisten zählen. Nordwärts kam er bis zu den Shetlandsinseln, südwärts durch Spanien und Portugal bis zu den Canarischen Inseln und Madeira. Von dieser letztern Reise kehrte er mit einer Sammlung von über hundert Aquarellen zurück. Die Sammlung vereinigte ein geo¬ graphisches und ethnographisches Interesse mit dem künstlerischen. Natur- und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/468>, abgerufen am 22.07.2024.