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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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Art geschrieben; und ist höchlich entrüstet, daß sie nicht die Cultur hatten, das zu
merken! >-- Er hat gegenwärtig durch seinen Roman "auf"manche Stimmungenin Deutsch¬
land einen mehr als belletristischen Einfluß gewonnen", -- eine Behauptung, deren Sinn
wir durchaus nicht zu errathen vermögen. -- Er hat Georg Büchner und andere gute
Schriftsteller gezogen, von seiner aufopfernden Thätigkeit für Andere während seiner
Dresdner Dramatnrgenschast ganz zu geschweige"! Wenn er die Geschichte seiner
Dresdner Dramaturgenschaft noch unbekannt nennt, so scheint er damit anzudeuten, daß
sie dem Publicum nicht immer verhüllt bleiben soll. Wir fürchten sehr, er wird sich
selbst nicht nützen, wenn er darüber zu sprechen beginnt; denn er hat den unruhigen
Zeiten zu danken, daß er so leicht über manche Mißgriffe und Ungeschicklichkeiten weg¬
gekommen ist, welche er selbst begangen hat, z. B. die anmaßende und ungeschickte
Weise, in welcher er den Shakespeare in Scene zu setzen wagte. -- Er äußert endlich
die höchste Entrüstung über den Tadel, daß er literarische Kameraderie mehr als schick¬
lich getrieben habe, und kann nicht umhin, wenige Sätze darauf einem der Redacteure
Mangel an honetter und "gentlemantiker" Gesinnung vorzuwerfen, weil dieser, der selbst
Dramatiker sei, an Gutzkows Dramen uncollcgialisch herumtadle, und weil er den
honorigen Instinkt nicht hatte, beim Erscheinen der Ritter vom Geist zu empfinden,
daß dies Buch für den Verfasser eine Lebensfrage sei. Der Mitarbeiter dieses
Blattes, welcher bei dieser Gelegenheit mit Namen genannt und haranguirt wird, be¬
dauert, daß seinetwegen Hr. Dr. Gutzkow sich eine so große Blöße gegeben hat. Er
selbst kann in dem Umstand, daß anch er versucht hat, für die Bühne zu schreiben,
keinen Grund finden, der die Grenzboten verhindern dürfte, die Fehler und Vcrirrungcir
deutscher Schriftsteller zu tadeln. Es versteht sich von selbst, daß er das Wenige,
was er selbst geschrieben hat, der Kritik willig und ergeben darbietet. Das strengste Ur¬
theil über seine Befähigung und seine Leistungen wird er, auch wenn es seinem Gefühl
auf Augenblicke schmerzlich sein sollte, als einen Vortheil für Andere erkennen müssen,
wenn durch diese Section das individuelle Leben einer schaffenden Seele, oder die großen
Gesetze des Schönen in irgend einer Weise lehrreich dargestellt werden können. Er
macht sich so wenig Illusionen über den Werth seiner Leistungen, als dies einem
Schriftsteller nur möglich ist, und ist deßhalb in der unangenehmen Lage, die Berufung
auf ein gewisses kameradschaftliches Verhältniß, welches die Schaffenden dem Publicum
gegenüber verbinden solle, als unpassend zurückweisen zu müssen.
'

So ist auch aus diesem kleinen Artikel Gutzkows sein Wesen zu erkennen, wie es
überall, wo er in unsrer Literatur thätig war, sichtbar wurde. Ein schwaches, aber
rastlos fleißiges Talent, zu beifallslustig, um Lob entbehren zu können, zu eitel^ um Tadel
zu ertragen, zu schwach, um ehrlich und wahr gegen sich selbst zu sein. -- Nur in
einer Behauptung können wir ihm zum großen Theil Recht geben, obgleich auch sie
gehässig und in feindlicher Stimmung gemacht ist. Er will uns weh thun, wenn er
sagt: die Grenzboten könnten fehlen, ohne daß das deutsche Publicum Etwas entbehren
würde. Auch wir glauben nicht, daß diese Blätter unentbehrlich sind, so wenig,
wie sie Hrn. Gutzkow für unentbehrlich halten. Wenn heut das Journal mit seinen
Redacteuren zu leben aufhörte, so würde vielleicht eine Anzahl seiner Leser ihm ein
flüchtiges Gedächtniß gönnen, aber morgen würde ein anderer Mann und ein anderes
Blatt in unsre Stelle treten, und die Aufgabe, welche wir uns gestellt haben, vielleicht
mit mehr Geschick und Talent aufnehmen. Diese Aufgabe aber ist: Ehrlichkeit und
Wahrheit in der Kunst und im Leben zu verfechten gegen die zahlreichen kleinen und
großen Gutzkow's, welche unser Vaterland füllen, gegen die Heuchelei, welche sich selbst
täuscht, gegen die Schwächr, welche zu schieben glaubt, während sie geschoben wird,
gegen all den egoistischen, hohlen, miserablen Kram in unsrer Literatur und unsrem
Staatsleben. Wir Deutsche sind jetzt in einer Periode unsrer Entwickelung, wo der
Einzelne nur wenig gelten darf, und kein Einzelner Ansprüche hat, von seinen Zeitgenossen


Art geschrieben; und ist höchlich entrüstet, daß sie nicht die Cultur hatten, das zu
merken! >— Er hat gegenwärtig durch seinen Roman „auf»manche Stimmungenin Deutsch¬
land einen mehr als belletristischen Einfluß gewonnen", — eine Behauptung, deren Sinn
wir durchaus nicht zu errathen vermögen. — Er hat Georg Büchner und andere gute
Schriftsteller gezogen, von seiner aufopfernden Thätigkeit für Andere während seiner
Dresdner Dramatnrgenschast ganz zu geschweige»! Wenn er die Geschichte seiner
Dresdner Dramaturgenschaft noch unbekannt nennt, so scheint er damit anzudeuten, daß
sie dem Publicum nicht immer verhüllt bleiben soll. Wir fürchten sehr, er wird sich
selbst nicht nützen, wenn er darüber zu sprechen beginnt; denn er hat den unruhigen
Zeiten zu danken, daß er so leicht über manche Mißgriffe und Ungeschicklichkeiten weg¬
gekommen ist, welche er selbst begangen hat, z. B. die anmaßende und ungeschickte
Weise, in welcher er den Shakespeare in Scene zu setzen wagte. — Er äußert endlich
die höchste Entrüstung über den Tadel, daß er literarische Kameraderie mehr als schick¬
lich getrieben habe, und kann nicht umhin, wenige Sätze darauf einem der Redacteure
Mangel an honetter und „gentlemantiker" Gesinnung vorzuwerfen, weil dieser, der selbst
Dramatiker sei, an Gutzkows Dramen uncollcgialisch herumtadle, und weil er den
honorigen Instinkt nicht hatte, beim Erscheinen der Ritter vom Geist zu empfinden,
daß dies Buch für den Verfasser eine Lebensfrage sei. Der Mitarbeiter dieses
Blattes, welcher bei dieser Gelegenheit mit Namen genannt und haranguirt wird, be¬
dauert, daß seinetwegen Hr. Dr. Gutzkow sich eine so große Blöße gegeben hat. Er
selbst kann in dem Umstand, daß anch er versucht hat, für die Bühne zu schreiben,
keinen Grund finden, der die Grenzboten verhindern dürfte, die Fehler und Vcrirrungcir
deutscher Schriftsteller zu tadeln. Es versteht sich von selbst, daß er das Wenige,
was er selbst geschrieben hat, der Kritik willig und ergeben darbietet. Das strengste Ur¬
theil über seine Befähigung und seine Leistungen wird er, auch wenn es seinem Gefühl
auf Augenblicke schmerzlich sein sollte, als einen Vortheil für Andere erkennen müssen,
wenn durch diese Section das individuelle Leben einer schaffenden Seele, oder die großen
Gesetze des Schönen in irgend einer Weise lehrreich dargestellt werden können. Er
macht sich so wenig Illusionen über den Werth seiner Leistungen, als dies einem
Schriftsteller nur möglich ist, und ist deßhalb in der unangenehmen Lage, die Berufung
auf ein gewisses kameradschaftliches Verhältniß, welches die Schaffenden dem Publicum
gegenüber verbinden solle, als unpassend zurückweisen zu müssen.
'

So ist auch aus diesem kleinen Artikel Gutzkows sein Wesen zu erkennen, wie es
überall, wo er in unsrer Literatur thätig war, sichtbar wurde. Ein schwaches, aber
rastlos fleißiges Talent, zu beifallslustig, um Lob entbehren zu können, zu eitel^ um Tadel
zu ertragen, zu schwach, um ehrlich und wahr gegen sich selbst zu sein. — Nur in
einer Behauptung können wir ihm zum großen Theil Recht geben, obgleich auch sie
gehässig und in feindlicher Stimmung gemacht ist. Er will uns weh thun, wenn er
sagt: die Grenzboten könnten fehlen, ohne daß das deutsche Publicum Etwas entbehren
würde. Auch wir glauben nicht, daß diese Blätter unentbehrlich sind, so wenig,
wie sie Hrn. Gutzkow für unentbehrlich halten. Wenn heut das Journal mit seinen
Redacteuren zu leben aufhörte, so würde vielleicht eine Anzahl seiner Leser ihm ein
flüchtiges Gedächtniß gönnen, aber morgen würde ein anderer Mann und ein anderes
Blatt in unsre Stelle treten, und die Aufgabe, welche wir uns gestellt haben, vielleicht
mit mehr Geschick und Talent aufnehmen. Diese Aufgabe aber ist: Ehrlichkeit und
Wahrheit in der Kunst und im Leben zu verfechten gegen die zahlreichen kleinen und
großen Gutzkow's, welche unser Vaterland füllen, gegen die Heuchelei, welche sich selbst
täuscht, gegen die Schwächr, welche zu schieben glaubt, während sie geschoben wird,
gegen all den egoistischen, hohlen, miserablen Kram in unsrer Literatur und unsrem
Staatsleben. Wir Deutsche sind jetzt in einer Periode unsrer Entwickelung, wo der
Einzelne nur wenig gelten darf, und kein Einzelner Ansprüche hat, von seinen Zeitgenossen


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[0449] Art geschrieben; und ist höchlich entrüstet, daß sie nicht die Cultur hatten, das zu merken! >— Er hat gegenwärtig durch seinen Roman „auf»manche Stimmungenin Deutsch¬ land einen mehr als belletristischen Einfluß gewonnen", — eine Behauptung, deren Sinn wir durchaus nicht zu errathen vermögen. — Er hat Georg Büchner und andere gute Schriftsteller gezogen, von seiner aufopfernden Thätigkeit für Andere während seiner Dresdner Dramatnrgenschast ganz zu geschweige»! Wenn er die Geschichte seiner Dresdner Dramaturgenschaft noch unbekannt nennt, so scheint er damit anzudeuten, daß sie dem Publicum nicht immer verhüllt bleiben soll. Wir fürchten sehr, er wird sich selbst nicht nützen, wenn er darüber zu sprechen beginnt; denn er hat den unruhigen Zeiten zu danken, daß er so leicht über manche Mißgriffe und Ungeschicklichkeiten weg¬ gekommen ist, welche er selbst begangen hat, z. B. die anmaßende und ungeschickte Weise, in welcher er den Shakespeare in Scene zu setzen wagte. — Er äußert endlich die höchste Entrüstung über den Tadel, daß er literarische Kameraderie mehr als schick¬ lich getrieben habe, und kann nicht umhin, wenige Sätze darauf einem der Redacteure Mangel an honetter und „gentlemantiker" Gesinnung vorzuwerfen, weil dieser, der selbst Dramatiker sei, an Gutzkows Dramen uncollcgialisch herumtadle, und weil er den honorigen Instinkt nicht hatte, beim Erscheinen der Ritter vom Geist zu empfinden, daß dies Buch für den Verfasser eine Lebensfrage sei. Der Mitarbeiter dieses Blattes, welcher bei dieser Gelegenheit mit Namen genannt und haranguirt wird, be¬ dauert, daß seinetwegen Hr. Dr. Gutzkow sich eine so große Blöße gegeben hat. Er selbst kann in dem Umstand, daß anch er versucht hat, für die Bühne zu schreiben, keinen Grund finden, der die Grenzboten verhindern dürfte, die Fehler und Vcrirrungcir deutscher Schriftsteller zu tadeln. Es versteht sich von selbst, daß er das Wenige, was er selbst geschrieben hat, der Kritik willig und ergeben darbietet. Das strengste Ur¬ theil über seine Befähigung und seine Leistungen wird er, auch wenn es seinem Gefühl auf Augenblicke schmerzlich sein sollte, als einen Vortheil für Andere erkennen müssen, wenn durch diese Section das individuelle Leben einer schaffenden Seele, oder die großen Gesetze des Schönen in irgend einer Weise lehrreich dargestellt werden können. Er macht sich so wenig Illusionen über den Werth seiner Leistungen, als dies einem Schriftsteller nur möglich ist, und ist deßhalb in der unangenehmen Lage, die Berufung auf ein gewisses kameradschaftliches Verhältniß, welches die Schaffenden dem Publicum gegenüber verbinden solle, als unpassend zurückweisen zu müssen. ' So ist auch aus diesem kleinen Artikel Gutzkows sein Wesen zu erkennen, wie es überall, wo er in unsrer Literatur thätig war, sichtbar wurde. Ein schwaches, aber rastlos fleißiges Talent, zu beifallslustig, um Lob entbehren zu können, zu eitel^ um Tadel zu ertragen, zu schwach, um ehrlich und wahr gegen sich selbst zu sein. — Nur in einer Behauptung können wir ihm zum großen Theil Recht geben, obgleich auch sie gehässig und in feindlicher Stimmung gemacht ist. Er will uns weh thun, wenn er sagt: die Grenzboten könnten fehlen, ohne daß das deutsche Publicum Etwas entbehren würde. Auch wir glauben nicht, daß diese Blätter unentbehrlich sind, so wenig, wie sie Hrn. Gutzkow für unentbehrlich halten. Wenn heut das Journal mit seinen Redacteuren zu leben aufhörte, so würde vielleicht eine Anzahl seiner Leser ihm ein flüchtiges Gedächtniß gönnen, aber morgen würde ein anderer Mann und ein anderes Blatt in unsre Stelle treten, und die Aufgabe, welche wir uns gestellt haben, vielleicht mit mehr Geschick und Talent aufnehmen. Diese Aufgabe aber ist: Ehrlichkeit und Wahrheit in der Kunst und im Leben zu verfechten gegen die zahlreichen kleinen und großen Gutzkow's, welche unser Vaterland füllen, gegen die Heuchelei, welche sich selbst täuscht, gegen die Schwächr, welche zu schieben glaubt, während sie geschoben wird, gegen all den egoistischen, hohlen, miserablen Kram in unsrer Literatur und unsrem Staatsleben. Wir Deutsche sind jetzt in einer Periode unsrer Entwickelung, wo der Einzelne nur wenig gelten darf, und kein Einzelner Ansprüche hat, von seinen Zeitgenossen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/449>, abgerufen am 22.07.2024.