Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.Ministers Stüve beitrugen. Die Art aber, wie Jürgens seine Auftraggeber ver¬ Wie die-Hannover'sche Zeitung an ihrem Redacteur, so leidet die Zeitung Ministers Stüve beitrugen. Die Art aber, wie Jürgens seine Auftraggeber ver¬ Wie die-Hannover'sche Zeitung an ihrem Redacteur, so leidet die Zeitung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0434" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/93799"/> <p xml:id="ID_1196" prev="#ID_1195"> Ministers Stüve beitrugen. Die Art aber, wie Jürgens seine Auftraggeber ver¬<lb/> trat, sowol in der Polemik, als in selbstständiger Erörterung, war so schwach<lb/> und unwürdig, daß ihnen gänzliches Schweigen in der Presse besser gewesen<lb/> wäre. Ihre Nachfolger sind ihnen anch darin an Klugheit voraus: mit Sehele<lb/> und Decken steht der plauderhafte Expastor in gar keiner Verbindung über die<lb/> rein officielle hinaus, obgleich er bei ihrem Nutritt die besten Vorkehrungen traf,<lb/> sogleich die unbedeutende kleine Schwenkung uach ihrer Seite hin vollziehen zu<lb/> können. Trotzdem kann er sich noch nicht überwinden, unsre Hauptstadt von<lb/> seiner wenig nützlichen Gegenwart, unsre öffentlichen Zustände von seiner unverlangten<lb/> Einmischung zu befreien; möglich, daß er unterdessen nach einem angemessenen<lb/> Spielraum für seiue Talente umhersucht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1197" next="#ID_1198"> Wie die-Hannover'sche Zeitung an ihrem Redacteur, so leidet die Zeitung<lb/> für Norddeutschland an ihrem Verleger. In einem freien Staatsleben ist es<lb/> einer der schlimmsten Uebelstände (den freilich eine reifere Entwickelung leicht be--<lb/> seitigen wird), wenn die Haltung eines Blattes nicht auch von deu Gesinnungen<lb/> der geistigen Leiter, sondern nur vou deu materiellen Rücksichten abhängt. Die<lb/> beiden Redacteure siud entschieden Radicale, die Zeitung selbst aber zahm und<lb/> schwankend, das richtige Organ norddeutscher Piepmeierei, weil ihr erster Ge¬<lb/> sichtspunkt ist, es mit den spießbürgerlichen Kannegießern des Landes nicht zu<lb/> verderben. Der Tod des vorigen Königs, soviel Unheil er dem Staat sonst<lb/> brachte, deckte diesen geheimen Schaden in einem ergötzlichen Beispiel ans.<lb/> Anfänglich fehlte der Norddeutschen so gut wie der Hannover'schen Presse der<lb/> übliche und schickliche Trauerraud. Bürger der loyalen Stadt Hannover aber<lb/> machten den Verleger ans das Angehörige dieser Versäumniß aufmerksam, und<lb/> dieser fand sich sogleich zu der ihm gleichgiltigen Veränderung bereit. Nicht so<lb/> die Redacteure; ihren Gefühlen widersprach diese allzu deutliche Anerkennung des<lb/> Königthums; sie getrauten sich nicht, unter solchen Umständen die Verantwortlich¬<lb/> keit zu übernehmen. So unterzeichnete denn einstweilen die Verlagsbuchhandlung,<lb/> und die frühere Redaction trat erst wieder ein, nachdem der anstößige Trauerrand<lb/> verschwunden war! Dagegen besitzt die Zeitung den Vorzug, aus allen Theilen<lb/> des Landes mit schnellen und guten Berichten zu jeder Zeit versehen" zu sein,<lb/> wodurch sie für die Kenntniß der inneren Landesangelegenheiten zur ersten und<lb/> reichsten Quelle wird. — Sieht mau auf das allem, was eine gute Redaction<lb/> einer Zeitung zu geben vermag, so ist die hauuover'sche Presse das beste Blatt<lb/> des Landes. Unter der verständigen Leitung des Dr. Frese zeichnet sie sich so¬<lb/> wol durch treffende Anordnung, als durch geschmackvolle Zubereitung des Stoffes<lb/> aus. Vou jeher hat sie ihren Standpunkt aufs Beste gewahrt, was in Nord-<lb/> westdentschland zu deu seltenen Erscheinungen gechört. Aber ihr Pathos ist häufig<lb/> hohl, und auch ihre sicherste Wahrheit glaubt sie unter den Blumen und zier¬<lb/> lichen Ranken eines üppigen Styls verstecken zu müssen. Ihrer Betrachtung der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0434]
Ministers Stüve beitrugen. Die Art aber, wie Jürgens seine Auftraggeber ver¬
trat, sowol in der Polemik, als in selbstständiger Erörterung, war so schwach
und unwürdig, daß ihnen gänzliches Schweigen in der Presse besser gewesen
wäre. Ihre Nachfolger sind ihnen anch darin an Klugheit voraus: mit Sehele
und Decken steht der plauderhafte Expastor in gar keiner Verbindung über die
rein officielle hinaus, obgleich er bei ihrem Nutritt die besten Vorkehrungen traf,
sogleich die unbedeutende kleine Schwenkung uach ihrer Seite hin vollziehen zu
können. Trotzdem kann er sich noch nicht überwinden, unsre Hauptstadt von
seiner wenig nützlichen Gegenwart, unsre öffentlichen Zustände von seiner unverlangten
Einmischung zu befreien; möglich, daß er unterdessen nach einem angemessenen
Spielraum für seiue Talente umhersucht.
Wie die-Hannover'sche Zeitung an ihrem Redacteur, so leidet die Zeitung
für Norddeutschland an ihrem Verleger. In einem freien Staatsleben ist es
einer der schlimmsten Uebelstände (den freilich eine reifere Entwickelung leicht be--
seitigen wird), wenn die Haltung eines Blattes nicht auch von deu Gesinnungen
der geistigen Leiter, sondern nur vou deu materiellen Rücksichten abhängt. Die
beiden Redacteure siud entschieden Radicale, die Zeitung selbst aber zahm und
schwankend, das richtige Organ norddeutscher Piepmeierei, weil ihr erster Ge¬
sichtspunkt ist, es mit den spießbürgerlichen Kannegießern des Landes nicht zu
verderben. Der Tod des vorigen Königs, soviel Unheil er dem Staat sonst
brachte, deckte diesen geheimen Schaden in einem ergötzlichen Beispiel ans.
Anfänglich fehlte der Norddeutschen so gut wie der Hannover'schen Presse der
übliche und schickliche Trauerraud. Bürger der loyalen Stadt Hannover aber
machten den Verleger ans das Angehörige dieser Versäumniß aufmerksam, und
dieser fand sich sogleich zu der ihm gleichgiltigen Veränderung bereit. Nicht so
die Redacteure; ihren Gefühlen widersprach diese allzu deutliche Anerkennung des
Königthums; sie getrauten sich nicht, unter solchen Umständen die Verantwortlich¬
keit zu übernehmen. So unterzeichnete denn einstweilen die Verlagsbuchhandlung,
und die frühere Redaction trat erst wieder ein, nachdem der anstößige Trauerrand
verschwunden war! Dagegen besitzt die Zeitung den Vorzug, aus allen Theilen
des Landes mit schnellen und guten Berichten zu jeder Zeit versehen" zu sein,
wodurch sie für die Kenntniß der inneren Landesangelegenheiten zur ersten und
reichsten Quelle wird. — Sieht mau auf das allem, was eine gute Redaction
einer Zeitung zu geben vermag, so ist die hauuover'sche Presse das beste Blatt
des Landes. Unter der verständigen Leitung des Dr. Frese zeichnet sie sich so¬
wol durch treffende Anordnung, als durch geschmackvolle Zubereitung des Stoffes
aus. Vou jeher hat sie ihren Standpunkt aufs Beste gewahrt, was in Nord-
westdentschland zu deu seltenen Erscheinungen gechört. Aber ihr Pathos ist häufig
hohl, und auch ihre sicherste Wahrheit glaubt sie unter den Blumen und zier¬
lichen Ranken eines üppigen Styls verstecken zu müssen. Ihrer Betrachtung der
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