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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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der Trank. Der vielbuttige ist fast zu süß zum Mäunertruuk; deshalb wird ein-
bis zweibnttiger gern und viel gemacht, und durch den Namen MäSzl-is^) vom
Ausbruch unterschieden. Er klärt sich schneller, wird im Keller früher reif, und
sein Geist und Aroma stechen eher hervor, weil er weniger süß ist. Die To-
kaycressenz ist fast mir eine Sage der Händler; sie kömmt im Handel kaum vor,
und ist der Saft von reinen Trockenbeeren, welche sich durch ihre eigene Last im
Bottich zu pressen anfangen. Dieser syrupähnliche Saft wird fast immer dem
Ausbrnchwein wieder zugegossen. Was bei uns als Tokayeresscnz verkauft wird,
ist in den besten Fällen sechsbnttiger Ausbruch. Der nicht mit Trockenbeeren
vermischte -- oder wie der Weinhändler sagt: nnverschnittene Tokayer wird
unter dem Namen Hegyallyer, herber Hegyallyer, anch zu uns versandt.
Der Tokayer ist der König aller Ungarweine, er hat alle charakteristischen Eigen¬
schaften derselben im höchsten Grade: Geist, Süße und Fettigkeit, Milde, gewürz¬
reichen Geschmack und Dauer. Durch das Alter wird sein Werth außerordentlich
erhöht. In wohlverwcchrteu Flaschen dauert er weit über ein Menschenleben,
länger, als man ihn bis jetzt bewahrt hat. Er verliert an Süßigkeit, gewinnt
aber an Kraft und Aroma. Sein charakteristischer Bestandtheil ist die originelle'
Würze und das Aroma, und unsere gelehrten Männer schließen, daß es harziger
Natur sei, und durch den Weingeist, der sich aus dem Zuckerstoff allmählich ent¬
wickelt, langsam aufgelöst wird; denn erst nach der Gährung wird der Gewürz¬
geschmack dnrch die Zunge wahrgenommen, der harzige Stoff, welcher ihn ent¬
hält, häugt fest an den Hülsen der Trockenbeeren, und kann nnr durch starkes
und anhaltende Stampfen von denselben befreit werden.

Im Preise steht der Ausbruch am höchsten von allen Ungarweinen, von
den Weinkanfleuteu wird er unverschämt verfälscht. Die. Hanpttranbe des
Tokayergebirgcs ist die eigenthümliche Formintlraube, die man vergebens in andere
Länder zu verpflanzen versucht hat. Vor der Revolution ließ sich die Weinpro-
ductiön im Tokaygebirge ans 900,000 Eimer, (ungefähr 330,000 Hekto¬
liter) und außerdem aus 30,000 Butten Trockenbeeren oder 1ö bis 20,000 Eimer
Ausbruch und Maszlas berechnen. Von den alten Weinen sind die zum Theil
bereits mythischen Jahrgänge von 1783, -1788, -1792, -1793, -1794, -1797,
-1806, -1811, 1812, 1822, 1823, 1826, 1830, 1834, 1841, 1842, 1846
berühmt.

Noch weiter im Osten, dort, wo die Karpathen die große Festung Sie¬
benbürgen abschließen, hat sich aus ihren Vorbergen im Araber Comitat ein anderer
Clan der edelsten Weine angesiedelt, der Wein vonj M6mes. Die Hügel,



*) M-iSzl-Ls sprich Maslasch. Im Ungarischen ist "--sah" ------s; s---ß; es --thes;
oil---z; fast--dj; i^ --nj; ^ --ej; ^ fast--j mit wenig hörbarem l, z. B. no^II^
sprich: Hcdja'ja-, die beiden a des Wortes aber dumpf, fast wie o. Nvnos--Maresch;
Xombor-ü-Sombor u. s. w.

der Trank. Der vielbuttige ist fast zu süß zum Mäunertruuk; deshalb wird ein-
bis zweibnttiger gern und viel gemacht, und durch den Namen MäSzl-is^) vom
Ausbruch unterschieden. Er klärt sich schneller, wird im Keller früher reif, und
sein Geist und Aroma stechen eher hervor, weil er weniger süß ist. Die To-
kaycressenz ist fast mir eine Sage der Händler; sie kömmt im Handel kaum vor,
und ist der Saft von reinen Trockenbeeren, welche sich durch ihre eigene Last im
Bottich zu pressen anfangen. Dieser syrupähnliche Saft wird fast immer dem
Ausbrnchwein wieder zugegossen. Was bei uns als Tokayeresscnz verkauft wird,
ist in den besten Fällen sechsbnttiger Ausbruch. Der nicht mit Trockenbeeren
vermischte — oder wie der Weinhändler sagt: nnverschnittene Tokayer wird
unter dem Namen Hegyallyer, herber Hegyallyer, anch zu uns versandt.
Der Tokayer ist der König aller Ungarweine, er hat alle charakteristischen Eigen¬
schaften derselben im höchsten Grade: Geist, Süße und Fettigkeit, Milde, gewürz¬
reichen Geschmack und Dauer. Durch das Alter wird sein Werth außerordentlich
erhöht. In wohlverwcchrteu Flaschen dauert er weit über ein Menschenleben,
länger, als man ihn bis jetzt bewahrt hat. Er verliert an Süßigkeit, gewinnt
aber an Kraft und Aroma. Sein charakteristischer Bestandtheil ist die originelle'
Würze und das Aroma, und unsere gelehrten Männer schließen, daß es harziger
Natur sei, und durch den Weingeist, der sich aus dem Zuckerstoff allmählich ent¬
wickelt, langsam aufgelöst wird; denn erst nach der Gährung wird der Gewürz¬
geschmack dnrch die Zunge wahrgenommen, der harzige Stoff, welcher ihn ent¬
hält, häugt fest an den Hülsen der Trockenbeeren, und kann nnr durch starkes
und anhaltende Stampfen von denselben befreit werden.

Im Preise steht der Ausbruch am höchsten von allen Ungarweinen, von
den Weinkanfleuteu wird er unverschämt verfälscht. Die. Hanpttranbe des
Tokayergebirgcs ist die eigenthümliche Formintlraube, die man vergebens in andere
Länder zu verpflanzen versucht hat. Vor der Revolution ließ sich die Weinpro-
ductiön im Tokaygebirge ans 900,000 Eimer, (ungefähr 330,000 Hekto¬
liter) und außerdem aus 30,000 Butten Trockenbeeren oder 1ö bis 20,000 Eimer
Ausbruch und Maszlas berechnen. Von den alten Weinen sind die zum Theil
bereits mythischen Jahrgänge von 1783, -1788, -1792, -1793, -1794, -1797,
-1806, -1811, 1812, 1822, 1823, 1826, 1830, 1834, 1841, 1842, 1846
berühmt.

Noch weiter im Osten, dort, wo die Karpathen die große Festung Sie¬
benbürgen abschließen, hat sich aus ihren Vorbergen im Araber Comitat ein anderer
Clan der edelsten Weine angesiedelt, der Wein vonj M6mes. Die Hügel,



*) M-iSzl-Ls sprich Maslasch. Im Ungarischen ist »--sah» ------s; s---ß; es —thes;
oil---z; fast—dj; i^ —nj; ^ —ej; ^ fast—j mit wenig hörbarem l, z. B. no^II^
sprich: Hcdja'ja-, die beiden a des Wortes aber dumpf, fast wie o. Nvnos—Maresch;
Xombor-ü-Sombor u. s. w.
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[0040] der Trank. Der vielbuttige ist fast zu süß zum Mäunertruuk; deshalb wird ein- bis zweibnttiger gern und viel gemacht, und durch den Namen MäSzl-is^) vom Ausbruch unterschieden. Er klärt sich schneller, wird im Keller früher reif, und sein Geist und Aroma stechen eher hervor, weil er weniger süß ist. Die To- kaycressenz ist fast mir eine Sage der Händler; sie kömmt im Handel kaum vor, und ist der Saft von reinen Trockenbeeren, welche sich durch ihre eigene Last im Bottich zu pressen anfangen. Dieser syrupähnliche Saft wird fast immer dem Ausbrnchwein wieder zugegossen. Was bei uns als Tokayeresscnz verkauft wird, ist in den besten Fällen sechsbnttiger Ausbruch. Der nicht mit Trockenbeeren vermischte — oder wie der Weinhändler sagt: nnverschnittene Tokayer wird unter dem Namen Hegyallyer, herber Hegyallyer, anch zu uns versandt. Der Tokayer ist der König aller Ungarweine, er hat alle charakteristischen Eigen¬ schaften derselben im höchsten Grade: Geist, Süße und Fettigkeit, Milde, gewürz¬ reichen Geschmack und Dauer. Durch das Alter wird sein Werth außerordentlich erhöht. In wohlverwcchrteu Flaschen dauert er weit über ein Menschenleben, länger, als man ihn bis jetzt bewahrt hat. Er verliert an Süßigkeit, gewinnt aber an Kraft und Aroma. Sein charakteristischer Bestandtheil ist die originelle' Würze und das Aroma, und unsere gelehrten Männer schließen, daß es harziger Natur sei, und durch den Weingeist, der sich aus dem Zuckerstoff allmählich ent¬ wickelt, langsam aufgelöst wird; denn erst nach der Gährung wird der Gewürz¬ geschmack dnrch die Zunge wahrgenommen, der harzige Stoff, welcher ihn ent¬ hält, häugt fest an den Hülsen der Trockenbeeren, und kann nnr durch starkes und anhaltende Stampfen von denselben befreit werden. Im Preise steht der Ausbruch am höchsten von allen Ungarweinen, von den Weinkanfleuteu wird er unverschämt verfälscht. Die. Hanpttranbe des Tokayergebirgcs ist die eigenthümliche Formintlraube, die man vergebens in andere Länder zu verpflanzen versucht hat. Vor der Revolution ließ sich die Weinpro- ductiön im Tokaygebirge ans 900,000 Eimer, (ungefähr 330,000 Hekto¬ liter) und außerdem aus 30,000 Butten Trockenbeeren oder 1ö bis 20,000 Eimer Ausbruch und Maszlas berechnen. Von den alten Weinen sind die zum Theil bereits mythischen Jahrgänge von 1783, -1788, -1792, -1793, -1794, -1797, -1806, -1811, 1812, 1822, 1823, 1826, 1830, 1834, 1841, 1842, 1846 berühmt. Noch weiter im Osten, dort, wo die Karpathen die große Festung Sie¬ benbürgen abschließen, hat sich aus ihren Vorbergen im Araber Comitat ein anderer Clan der edelsten Weine angesiedelt, der Wein vonj M6mes. Die Hügel, *) M-iSzl-Ls sprich Maslasch. Im Ungarischen ist »--sah» ------s; s---ß; es —thes; oil---z; fast—dj; i^ —nj; ^ —ej; ^ fast—j mit wenig hörbarem l, z. B. no^II^ sprich: Hcdja'ja-, die beiden a des Wortes aber dumpf, fast wie o. Nvnos—Maresch; Xombor-ü-Sombor u. s. w.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/40>, abgerufen am 22.07.2024.