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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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urtheilen, noch einfacher, als jener der Draisine. Liefert der im Bau begriffene
große Wagen günstige Resultate, so wäre man um eine Erfindung reicher ge¬
worden, die vielleicht großer Vervollkommnung, fähig ist, und wenigstens nach
einer . Seite hin von Nutzen sein könnte.

Der dritte in Kroatien und vorzugsweise in der Grenze lebende Volksstamm
ist der serbische. Er ist nicht blos der zahlreichste unter seinen Genossen, son¬
dern anch durch Geist, Intelligenz und Selbstbewußtsein der hervorragendste.

Die äußere Erscheinung des Serben in Kroatien ist dieselbe, wie die seiner
in der Türkei lebenden Brüder, und durch eine kräftige, doch ebenmäßige und
wohlgebildete Körpergestalt, ein braunes oder schwarzes Auge und meist ganz
schwarzes Haar, endlich durch einen braunen Teint und ein ausdrucksvolles, oft
geistreiches Gesicht ausgezeichnet. Im Allgemeinen ist das männliche Geschlecht
schöner als das weibliche. Es giebt Männer, deren Formen classisch schön genannt
zu werden verdienen. Sie bekennen sich sämmtlich zur griechisch-slavischen Kirche,
deren Auffassung und Bedeutung ich mir in einem der nächsten Aufsätze, zu schil¬
dern vorbehalte.

Die Wohnsitze der serbischen Race in Kroatien sind der bergige Theil dieses
Landes, von der Knlpa und Korona angefangen bis zur dalmatinischen Grenze.
Dieses Terrain eignet sich nur stellenweise zum Landbau; der Mangel an stärker
bevölkerten Ortschaften setzt der Industrie, und der Mangel guter Communica-
tionsmittel dem Handel sehr enge Grenzen, ganz abgesehen von dem in der
Grenze herrschenden militärischen Admiuistrationösysteme. Der Serbe Kroatiens
ist daher Ackerbauer und Gewerbsmann nur in so fern, als es seine militäri¬
schen Beziehungen gestatten, und kauu weder in einer, noch in der andern Branche
der-Volkswirthschaft viel leisten, obwol er zu beiden Neigung und Geschick hat.
Die hauptsächlichste Beschäftigung desselben ist die Viehzucht, der einzige Quell
seines Lebenserwerbes und der einzige Maßstab seiner Vermögensverhältnisse.
Der Serbe ist der genügsamste Mensch unter der Sonne; er weiß sich in Alles
zu fügen, und nimmt mit einer Schlafstelle im Henschener und einem frugalen
Mahle von Haserbrod und einem Stück Schafkäse, wenn es darauf ankommt,
Wochen lang vorlieb, ohne Heiterkeit und frohen Muth zu verlieren. Giebt
es irgendwo ein Kirchfest, Lbor, so giebt es sicher auch Tanz und Gesang. Seine
reiche, poetische Natur zeigen jene schönen Volkslieder, welche, seit sie von Wak Srefa-
nowitsch Karadshitsch gesammelt und herausgegeben wurden, durch?zahlreiche
Übersetzungen ein Gesammtgut der westeuropäischen Literatur geworden sind.
Vlasirtheit, Schwärmerei und die Zwangsjacke unsrer conventionellen Gewöhnungen
kennt er nicht. Damit ist nicht gesagt, daß sich der Serbe die gesellschaftliche
Bildung nicht anzueignen wüßte; sein Sprach - und Nachahmungstalent ist eine
längst bekannte Thatsache. Man begegnet noch manchem "gemeinem" Grenz¬
soldaten,, der unde-r Napoleon's Adlern gefochten, und als äußern Beweis dieser


Grenzboten. I. ->8S2. 44.

urtheilen, noch einfacher, als jener der Draisine. Liefert der im Bau begriffene
große Wagen günstige Resultate, so wäre man um eine Erfindung reicher ge¬
worden, die vielleicht großer Vervollkommnung, fähig ist, und wenigstens nach
einer . Seite hin von Nutzen sein könnte.

Der dritte in Kroatien und vorzugsweise in der Grenze lebende Volksstamm
ist der serbische. Er ist nicht blos der zahlreichste unter seinen Genossen, son¬
dern anch durch Geist, Intelligenz und Selbstbewußtsein der hervorragendste.

Die äußere Erscheinung des Serben in Kroatien ist dieselbe, wie die seiner
in der Türkei lebenden Brüder, und durch eine kräftige, doch ebenmäßige und
wohlgebildete Körpergestalt, ein braunes oder schwarzes Auge und meist ganz
schwarzes Haar, endlich durch einen braunen Teint und ein ausdrucksvolles, oft
geistreiches Gesicht ausgezeichnet. Im Allgemeinen ist das männliche Geschlecht
schöner als das weibliche. Es giebt Männer, deren Formen classisch schön genannt
zu werden verdienen. Sie bekennen sich sämmtlich zur griechisch-slavischen Kirche,
deren Auffassung und Bedeutung ich mir in einem der nächsten Aufsätze, zu schil¬
dern vorbehalte.

Die Wohnsitze der serbischen Race in Kroatien sind der bergige Theil dieses
Landes, von der Knlpa und Korona angefangen bis zur dalmatinischen Grenze.
Dieses Terrain eignet sich nur stellenweise zum Landbau; der Mangel an stärker
bevölkerten Ortschaften setzt der Industrie, und der Mangel guter Communica-
tionsmittel dem Handel sehr enge Grenzen, ganz abgesehen von dem in der
Grenze herrschenden militärischen Admiuistrationösysteme. Der Serbe Kroatiens
ist daher Ackerbauer und Gewerbsmann nur in so fern, als es seine militäri¬
schen Beziehungen gestatten, und kauu weder in einer, noch in der andern Branche
der-Volkswirthschaft viel leisten, obwol er zu beiden Neigung und Geschick hat.
Die hauptsächlichste Beschäftigung desselben ist die Viehzucht, der einzige Quell
seines Lebenserwerbes und der einzige Maßstab seiner Vermögensverhältnisse.
Der Serbe ist der genügsamste Mensch unter der Sonne; er weiß sich in Alles
zu fügen, und nimmt mit einer Schlafstelle im Henschener und einem frugalen
Mahle von Haserbrod und einem Stück Schafkäse, wenn es darauf ankommt,
Wochen lang vorlieb, ohne Heiterkeit und frohen Muth zu verlieren. Giebt
es irgendwo ein Kirchfest, Lbor, so giebt es sicher auch Tanz und Gesang. Seine
reiche, poetische Natur zeigen jene schönen Volkslieder, welche, seit sie von Wak Srefa-
nowitsch Karadshitsch gesammelt und herausgegeben wurden, durch?zahlreiche
Übersetzungen ein Gesammtgut der westeuropäischen Literatur geworden sind.
Vlasirtheit, Schwärmerei und die Zwangsjacke unsrer conventionellen Gewöhnungen
kennt er nicht. Damit ist nicht gesagt, daß sich der Serbe die gesellschaftliche
Bildung nicht anzueignen wüßte; sein Sprach - und Nachahmungstalent ist eine
längst bekannte Thatsache. Man begegnet noch manchem „gemeinem" Grenz¬
soldaten,, der unde-r Napoleon's Adlern gefochten, und als äußern Beweis dieser


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[0355] urtheilen, noch einfacher, als jener der Draisine. Liefert der im Bau begriffene große Wagen günstige Resultate, so wäre man um eine Erfindung reicher ge¬ worden, die vielleicht großer Vervollkommnung, fähig ist, und wenigstens nach einer . Seite hin von Nutzen sein könnte. Der dritte in Kroatien und vorzugsweise in der Grenze lebende Volksstamm ist der serbische. Er ist nicht blos der zahlreichste unter seinen Genossen, son¬ dern anch durch Geist, Intelligenz und Selbstbewußtsein der hervorragendste. Die äußere Erscheinung des Serben in Kroatien ist dieselbe, wie die seiner in der Türkei lebenden Brüder, und durch eine kräftige, doch ebenmäßige und wohlgebildete Körpergestalt, ein braunes oder schwarzes Auge und meist ganz schwarzes Haar, endlich durch einen braunen Teint und ein ausdrucksvolles, oft geistreiches Gesicht ausgezeichnet. Im Allgemeinen ist das männliche Geschlecht schöner als das weibliche. Es giebt Männer, deren Formen classisch schön genannt zu werden verdienen. Sie bekennen sich sämmtlich zur griechisch-slavischen Kirche, deren Auffassung und Bedeutung ich mir in einem der nächsten Aufsätze, zu schil¬ dern vorbehalte. Die Wohnsitze der serbischen Race in Kroatien sind der bergige Theil dieses Landes, von der Knlpa und Korona angefangen bis zur dalmatinischen Grenze. Dieses Terrain eignet sich nur stellenweise zum Landbau; der Mangel an stärker bevölkerten Ortschaften setzt der Industrie, und der Mangel guter Communica- tionsmittel dem Handel sehr enge Grenzen, ganz abgesehen von dem in der Grenze herrschenden militärischen Admiuistrationösysteme. Der Serbe Kroatiens ist daher Ackerbauer und Gewerbsmann nur in so fern, als es seine militäri¬ schen Beziehungen gestatten, und kauu weder in einer, noch in der andern Branche der-Volkswirthschaft viel leisten, obwol er zu beiden Neigung und Geschick hat. Die hauptsächlichste Beschäftigung desselben ist die Viehzucht, der einzige Quell seines Lebenserwerbes und der einzige Maßstab seiner Vermögensverhältnisse. Der Serbe ist der genügsamste Mensch unter der Sonne; er weiß sich in Alles zu fügen, und nimmt mit einer Schlafstelle im Henschener und einem frugalen Mahle von Haserbrod und einem Stück Schafkäse, wenn es darauf ankommt, Wochen lang vorlieb, ohne Heiterkeit und frohen Muth zu verlieren. Giebt es irgendwo ein Kirchfest, Lbor, so giebt es sicher auch Tanz und Gesang. Seine reiche, poetische Natur zeigen jene schönen Volkslieder, welche, seit sie von Wak Srefa- nowitsch Karadshitsch gesammelt und herausgegeben wurden, durch?zahlreiche Übersetzungen ein Gesammtgut der westeuropäischen Literatur geworden sind. Vlasirtheit, Schwärmerei und die Zwangsjacke unsrer conventionellen Gewöhnungen kennt er nicht. Damit ist nicht gesagt, daß sich der Serbe die gesellschaftliche Bildung nicht anzueignen wüßte; sein Sprach - und Nachahmungstalent ist eine längst bekannte Thatsache. Man begegnet noch manchem „gemeinem" Grenz¬ soldaten,, der unde-r Napoleon's Adlern gefochten, und als äußern Beweis dieser Grenzboten. I. ->8S2. 44.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/355>, abgerufen am 22.07.2024.