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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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Indem wir die Länge des Saales zurückschreilen, fällt unser Auge auf einen
künstlerischen Schmuck desselben über der Thür, welche in das Arbeitszimmer des
Directors führt. Es ist in ähnlicher Nischenanordnnng, wie wir sie im ersten Saale
fanden, die Büste Marco Antonio Raimondi's, geboren im letzten Viertel
des fünfzehnten Jahrhunderts, gestorben gegen die Mitte des sechzehnten.
Marc Anton, als Zeichner ein Schüler des Francesco Francia, wurde zuerst
Goldschmied, dann Kupferstecher, copirte mehrere Arbeiten in Kupferstich und
Holzschnitt von Albrecht Dürer, und lieferte, in zahlreichen Blättern, Stiche der
schönsten Gemälde seiner Zeit, "namentlich Raphael's. Treffliche Zeichnung voll
charakteristischer Kraft ist ein Hauptvorzug seiner Arbeiten. Außerdem enthält
dieser Saal viele höchst interessante Kupferwerke, darunter die abgenommenen und
auf Leinwand befestigten Fresken des Lucini und einen Carton von Hans Wal¬
dung Grien: ein timno, Christus am Kreuz, zu beiden Seiten betend Maria
und Johannes, die Engel fliegen herbei, und einer von ihnen fängt das Blut
Christi im Kelche auf. Die Wände schmücken unter anderen Pastellzeichuuugeu
der Dresdner Malerin Dora Stock, einer Tante des Dichters Theodor Körner,
nach Naffael und Correggio. Die Madonna aus der heiligen Nacht des Antonio
Allegri und die sixtinische Madonna der Dresdner Galerie sind mit ungemeinem
Verständniß im Geiste der Originale wiedergegeben.

Ein bemerkenswerther Kunstgegenstand ist endlich eine hier aufgestellte vorzüg¬
liche Copie des berühmten Tisches von Haus Sebald Beham (geboren 1300 zu
Nürnberg, gestorben lööO zu Frankfurt a. M.), welcher sich im Louvre befindet.
Der Erzbischof Albrecht von Mainz, Markgraf von Brandenburg, beauftragte
den genannten Künstler mit der Anfertigung des Taselgemäldes. An den vier
Ecken der umfangreichen Platte sind die Wappen von Hohenzollern, Brandenburg,
Stettin und Nürnberg angebracht. Von ihnen gehen vier verzierte Stäbe, welche
noch verschiedene andere Wappen (von Preußen, Rügen, Magdeburg u. s. w.)
tragen, nach der Mitte der Platte, und theilen diese im vier dreieckige Felder.
Jedes derselben ist mit einem Gemälde versehen, das ein Ereigniß ans der
Lebensgeschichte des Königs David darstellt. Das erste zeigt die Einholung des fieg^
reichen Jünglings --Saul hat Tausend, David Zehntausend erschlagen --; das zweite
die badende Bathseba; das dritte, die Demüthigung des ehebrecherischen Königs
durch den Hohenpriester Nathan; das vierte die Schlacht, in welcher Urias
meuchlerisch getödtet wird. Auf der einen Ecke hat der Künstler sich selber in
ganzer Miniaturfigur gemalt, auf eiuer andern den Erzbischof in Cardinalstracht.
Während das Ganze den Sündenfall eines von Gott hochbegnadeten Mannes
darstellt, und also dnrch Erinnerung an die menschliche Schwäche zur Demuth
stimmen soll, hat sich Beham den muntern Scherz erlaubt, den Prälaten an
die Brüstung einer Galerie zu stellen, von der er gerade hinabschant aus die
badende Bathseba. -- Mit dem Besitze dieser schönen Copie verbindet sich eine


Grenzboten. I. 37 ,

Indem wir die Länge des Saales zurückschreilen, fällt unser Auge auf einen
künstlerischen Schmuck desselben über der Thür, welche in das Arbeitszimmer des
Directors führt. Es ist in ähnlicher Nischenanordnnng, wie wir sie im ersten Saale
fanden, die Büste Marco Antonio Raimondi's, geboren im letzten Viertel
des fünfzehnten Jahrhunderts, gestorben gegen die Mitte des sechzehnten.
Marc Anton, als Zeichner ein Schüler des Francesco Francia, wurde zuerst
Goldschmied, dann Kupferstecher, copirte mehrere Arbeiten in Kupferstich und
Holzschnitt von Albrecht Dürer, und lieferte, in zahlreichen Blättern, Stiche der
schönsten Gemälde seiner Zeit, "namentlich Raphael's. Treffliche Zeichnung voll
charakteristischer Kraft ist ein Hauptvorzug seiner Arbeiten. Außerdem enthält
dieser Saal viele höchst interessante Kupferwerke, darunter die abgenommenen und
auf Leinwand befestigten Fresken des Lucini und einen Carton von Hans Wal¬
dung Grien: ein timno, Christus am Kreuz, zu beiden Seiten betend Maria
und Johannes, die Engel fliegen herbei, und einer von ihnen fängt das Blut
Christi im Kelche auf. Die Wände schmücken unter anderen Pastellzeichuuugeu
der Dresdner Malerin Dora Stock, einer Tante des Dichters Theodor Körner,
nach Naffael und Correggio. Die Madonna aus der heiligen Nacht des Antonio
Allegri und die sixtinische Madonna der Dresdner Galerie sind mit ungemeinem
Verständniß im Geiste der Originale wiedergegeben.

Ein bemerkenswerther Kunstgegenstand ist endlich eine hier aufgestellte vorzüg¬
liche Copie des berühmten Tisches von Haus Sebald Beham (geboren 1300 zu
Nürnberg, gestorben lööO zu Frankfurt a. M.), welcher sich im Louvre befindet.
Der Erzbischof Albrecht von Mainz, Markgraf von Brandenburg, beauftragte
den genannten Künstler mit der Anfertigung des Taselgemäldes. An den vier
Ecken der umfangreichen Platte sind die Wappen von Hohenzollern, Brandenburg,
Stettin und Nürnberg angebracht. Von ihnen gehen vier verzierte Stäbe, welche
noch verschiedene andere Wappen (von Preußen, Rügen, Magdeburg u. s. w.)
tragen, nach der Mitte der Platte, und theilen diese im vier dreieckige Felder.
Jedes derselben ist mit einem Gemälde versehen, das ein Ereigniß ans der
Lebensgeschichte des Königs David darstellt. Das erste zeigt die Einholung des fieg^
reichen Jünglings —Saul hat Tausend, David Zehntausend erschlagen —; das zweite
die badende Bathseba; das dritte, die Demüthigung des ehebrecherischen Königs
durch den Hohenpriester Nathan; das vierte die Schlacht, in welcher Urias
meuchlerisch getödtet wird. Auf der einen Ecke hat der Künstler sich selber in
ganzer Miniaturfigur gemalt, auf eiuer andern den Erzbischof in Cardinalstracht.
Während das Ganze den Sündenfall eines von Gott hochbegnadeten Mannes
darstellt, und also dnrch Erinnerung an die menschliche Schwäche zur Demuth
stimmen soll, hat sich Beham den muntern Scherz erlaubt, den Prälaten an
die Brüstung einer Galerie zu stellen, von der er gerade hinabschant aus die
badende Bathseba. — Mit dem Besitze dieser schönen Copie verbindet sich eine


Grenzboten. I. 37 ,
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[0299] Indem wir die Länge des Saales zurückschreilen, fällt unser Auge auf einen künstlerischen Schmuck desselben über der Thür, welche in das Arbeitszimmer des Directors führt. Es ist in ähnlicher Nischenanordnnng, wie wir sie im ersten Saale fanden, die Büste Marco Antonio Raimondi's, geboren im letzten Viertel des fünfzehnten Jahrhunderts, gestorben gegen die Mitte des sechzehnten. Marc Anton, als Zeichner ein Schüler des Francesco Francia, wurde zuerst Goldschmied, dann Kupferstecher, copirte mehrere Arbeiten in Kupferstich und Holzschnitt von Albrecht Dürer, und lieferte, in zahlreichen Blättern, Stiche der schönsten Gemälde seiner Zeit, "namentlich Raphael's. Treffliche Zeichnung voll charakteristischer Kraft ist ein Hauptvorzug seiner Arbeiten. Außerdem enthält dieser Saal viele höchst interessante Kupferwerke, darunter die abgenommenen und auf Leinwand befestigten Fresken des Lucini und einen Carton von Hans Wal¬ dung Grien: ein timno, Christus am Kreuz, zu beiden Seiten betend Maria und Johannes, die Engel fliegen herbei, und einer von ihnen fängt das Blut Christi im Kelche auf. Die Wände schmücken unter anderen Pastellzeichuuugeu der Dresdner Malerin Dora Stock, einer Tante des Dichters Theodor Körner, nach Naffael und Correggio. Die Madonna aus der heiligen Nacht des Antonio Allegri und die sixtinische Madonna der Dresdner Galerie sind mit ungemeinem Verständniß im Geiste der Originale wiedergegeben. Ein bemerkenswerther Kunstgegenstand ist endlich eine hier aufgestellte vorzüg¬ liche Copie des berühmten Tisches von Haus Sebald Beham (geboren 1300 zu Nürnberg, gestorben lööO zu Frankfurt a. M.), welcher sich im Louvre befindet. Der Erzbischof Albrecht von Mainz, Markgraf von Brandenburg, beauftragte den genannten Künstler mit der Anfertigung des Taselgemäldes. An den vier Ecken der umfangreichen Platte sind die Wappen von Hohenzollern, Brandenburg, Stettin und Nürnberg angebracht. Von ihnen gehen vier verzierte Stäbe, welche noch verschiedene andere Wappen (von Preußen, Rügen, Magdeburg u. s. w.) tragen, nach der Mitte der Platte, und theilen diese im vier dreieckige Felder. Jedes derselben ist mit einem Gemälde versehen, das ein Ereigniß ans der Lebensgeschichte des Königs David darstellt. Das erste zeigt die Einholung des fieg^ reichen Jünglings —Saul hat Tausend, David Zehntausend erschlagen —; das zweite die badende Bathseba; das dritte, die Demüthigung des ehebrecherischen Königs durch den Hohenpriester Nathan; das vierte die Schlacht, in welcher Urias meuchlerisch getödtet wird. Auf der einen Ecke hat der Künstler sich selber in ganzer Miniaturfigur gemalt, auf eiuer andern den Erzbischof in Cardinalstracht. Während das Ganze den Sündenfall eines von Gott hochbegnadeten Mannes darstellt, und also dnrch Erinnerung an die menschliche Schwäche zur Demuth stimmen soll, hat sich Beham den muntern Scherz erlaubt, den Prälaten an die Brüstung einer Galerie zu stellen, von der er gerade hinabschant aus die badende Bathseba. — Mit dem Besitze dieser schönen Copie verbindet sich eine Grenzboten. I. 37 ,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/299>, abgerufen am 22.07.2024.