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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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Mangel die Gegner kennen; er verschwendet vor Allem nicht Pulver und Blei
zu unnöthiger Streifschüssen, deren Kngeln vom Feinde gesammelt und wirksamer
zurückgeschleudert werden tonnen. Aber zum Stecknadelschießen mit Kanonenlärm
ist die parlamentarische Kriegführung der bayerischen Linken immer mehr zusam¬
mengeschrumpft, je länger Fürst Wallerstein den Commandostab führte. Was
konnte den Gegnern willkommener sein? Sonne und Wind sind für sie. Die
Lerchenfeld'sche Partei braucht in diesem Persönlichkeitsgezänk nur an die Waller-
stein'sche Vergangenheit zu erinnern, um verblichene Strahlen der eigenen el-üevant
Liberalitätsglorie wenigstens wieder phosphoresciren zu lassen. Selbst die Lassaulx'-
sche Fraction kann mit Fug und Recht den Devaluationen über die gegenwärtige
Reaction erwidern: Denkt an den Ministerdespotismus jenes Mannes, der
heute die Bürgerkrone des demokratischen Staates als höchstes Lebensziel be¬
zeichnet! -- Freilich treffen solche Streiche nur den Feldherrn; aber mit dem
Führer glänzt und erbleicht das^ Panier. Wir sind kein Nocoeogeschlecht, welches
die vergangenen Sünden lustig hinter sich warf, und lächelnd in die Sündfluth
tanzte. Wer heute die Zukunft bestimmen will, muß seine Vergangenheit beherrscht
haben, nicht ihr gefügiger Diener gewesen sein. -- -- --

Der wichtige Posten eines wahrhaftigen Centrums ist in Bayern unbe¬
setzt; hier konnte die heutige Opposition eintreten, ans dieser Position würde sie
wieder zur praktischen Macht werden. Aber in ihrer jetzigen, nnr verneinenden,
Unmöglichkeiten zum Ideal erhebenden Stellung bleibt sie ein verlorener Posten,
verloren in der Gegenwart, verloren für jede Zukunft. Jene Wenigen aus ihrer
Mitte, welche auf die bezeichnete Bahn lenkten, da es noch Zeit und an der
Zeit war (Kirchgeßner, Arnheim ?c.), sie wurden von den Eigentlichen wie Ab¬
trünnige verlassen, und konnten in ihrer Isolirung die verderbliche Wucht der
antiliberalen Koalitionen nicht aufhalten; vollends nicht, als einige, wenigstens in
gewissen Beziehungen verbündete Männer (nomwiz. sunt oälosa) ans persönlichen
Rücksichten oder weichlicher Erschlaffung in das bunte Heerlager der Majorität
entwichen. Anstatt nun dem Reste des linken Centrums die Hand zu bieten, um
mindestens für die Fundamentalfragen des Verfassungslebens eine nicht unbedeu¬
tende liberale Minorität zu gestalten, geberdeten sich die Eigentlichen nur um so
exclusiver gegen Jeden, dem die Erreichbarkeit des Möglichen höher steht, als
thatloses Jammern um Unerreichbares, schlössen sie sich in eine Coterie ab, welche
für sich allein die moralische und politische Ehrenhaftigkeit in Anspruch nimmt,
und'dabei das Retten des zu Rettenden vergißt. Sie sprechen von dem Volke,
das hinter ihnen stehe. Aber wer Bayern kennt, der weiß es, daß sie nur noch
von Irrlichtern einer eingebildeten Popularität umspielt sind, die am Ende weiter
nichts bedeutet, als rohe Lust am Skandal rhetorischer Klopffechtereien, welche
nicht einmal mehr parlamentarisch genannt werden können. -- Niemals konnten
wir die äußersten Forderungen der Demokratie gut heißen, allein eben so wenig


Mangel die Gegner kennen; er verschwendet vor Allem nicht Pulver und Blei
zu unnöthiger Streifschüssen, deren Kngeln vom Feinde gesammelt und wirksamer
zurückgeschleudert werden tonnen. Aber zum Stecknadelschießen mit Kanonenlärm
ist die parlamentarische Kriegführung der bayerischen Linken immer mehr zusam¬
mengeschrumpft, je länger Fürst Wallerstein den Commandostab führte. Was
konnte den Gegnern willkommener sein? Sonne und Wind sind für sie. Die
Lerchenfeld'sche Partei braucht in diesem Persönlichkeitsgezänk nur an die Waller-
stein'sche Vergangenheit zu erinnern, um verblichene Strahlen der eigenen el-üevant
Liberalitätsglorie wenigstens wieder phosphoresciren zu lassen. Selbst die Lassaulx'-
sche Fraction kann mit Fug und Recht den Devaluationen über die gegenwärtige
Reaction erwidern: Denkt an den Ministerdespotismus jenes Mannes, der
heute die Bürgerkrone des demokratischen Staates als höchstes Lebensziel be¬
zeichnet! — Freilich treffen solche Streiche nur den Feldherrn; aber mit dem
Führer glänzt und erbleicht das^ Panier. Wir sind kein Nocoeogeschlecht, welches
die vergangenen Sünden lustig hinter sich warf, und lächelnd in die Sündfluth
tanzte. Wer heute die Zukunft bestimmen will, muß seine Vergangenheit beherrscht
haben, nicht ihr gefügiger Diener gewesen sein. — — —

Der wichtige Posten eines wahrhaftigen Centrums ist in Bayern unbe¬
setzt; hier konnte die heutige Opposition eintreten, ans dieser Position würde sie
wieder zur praktischen Macht werden. Aber in ihrer jetzigen, nnr verneinenden,
Unmöglichkeiten zum Ideal erhebenden Stellung bleibt sie ein verlorener Posten,
verloren in der Gegenwart, verloren für jede Zukunft. Jene Wenigen aus ihrer
Mitte, welche auf die bezeichnete Bahn lenkten, da es noch Zeit und an der
Zeit war (Kirchgeßner, Arnheim ?c.), sie wurden von den Eigentlichen wie Ab¬
trünnige verlassen, und konnten in ihrer Isolirung die verderbliche Wucht der
antiliberalen Koalitionen nicht aufhalten; vollends nicht, als einige, wenigstens in
gewissen Beziehungen verbündete Männer (nomwiz. sunt oälosa) ans persönlichen
Rücksichten oder weichlicher Erschlaffung in das bunte Heerlager der Majorität
entwichen. Anstatt nun dem Reste des linken Centrums die Hand zu bieten, um
mindestens für die Fundamentalfragen des Verfassungslebens eine nicht unbedeu¬
tende liberale Minorität zu gestalten, geberdeten sich die Eigentlichen nur um so
exclusiver gegen Jeden, dem die Erreichbarkeit des Möglichen höher steht, als
thatloses Jammern um Unerreichbares, schlössen sie sich in eine Coterie ab, welche
für sich allein die moralische und politische Ehrenhaftigkeit in Anspruch nimmt,
und'dabei das Retten des zu Rettenden vergißt. Sie sprechen von dem Volke,
das hinter ihnen stehe. Aber wer Bayern kennt, der weiß es, daß sie nur noch
von Irrlichtern einer eingebildeten Popularität umspielt sind, die am Ende weiter
nichts bedeutet, als rohe Lust am Skandal rhetorischer Klopffechtereien, welche
nicht einmal mehr parlamentarisch genannt werden können. — Niemals konnten
wir die äußersten Forderungen der Demokratie gut heißen, allein eben so wenig


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/24>, abgerufen am 22.07.2024.