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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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auf sie einen nachhaltigen Einfluß zu üben. Auch unter seinen Kunstgenossen
genießt Richter eine Achtung und Liebe, die dem Menschen und Künstler in
gleicher Weise gilt. Weil er mit seinen Arbeiten Niemand in den Weg trete,
lasse man ihn gelten, sagte der bescheidene Mann einmal einem Freunde. Viel¬
mehr halten ihn seine Kunstgenossen hoch in Ehren, und sehen in ihm eine
Autorität, weil eine echte Künstlernatur, sest in sich gegründet und in unbe¬
fangener Freudigkeit schaffend, in unsrer zerfahrenen Zeit mehr denn je erfrischt
und kräftigt, wie ein kühler Quell, der rings um sich Alles ausblühen läßt,
und Jedem eine Erquickung bietet.

Ein von Ehrhardt in Oel gemaltes Portrait Richter's giebt sehr glücklich
seine anspruchslose und liebenswürdige Erscheinung wieder, welche durch den
unverkennbaren Ausdruck eines tiefen Gemüths und eines feinen, sinnigen
Geistes von einer milden Wärme belebt ist, und unwillkürlich anzieht und festhält.
Leider giebt der Stich von Sichling, so vortrefflich er ausgeführt ist, den gei¬
stigen Charakter des Gemäldes nicht vollkommen wieder; namentlich ist in
einigen Zügen eine gewisse Schärfe ausgedrückt, die dem Original fremd ist.

Im Jahre 1836 wurde Richter, der so eben nach Dresden übergesiedelt
war, aufgefordert, sich an dem malerischen und romantischen Deutsch¬
land zu betheiligen, welches in Georg Wigand's Verlag erschien. Es handelte
sich zunächst um die Erlaubniß, frühere Radirungen von ihm zu benutzen und
zu revidiren; in Richter aber, der ein lebhaftes Bedauern empfand, wenn ein
mit bedeutenden Mitteln und Kräften unternommenes Werk abgeschwächte
Copien und unbedeutende Darstellungen durch die Manier der Stahlstecher
englistrt liefern sollte, wurde dadurch ein oft gehegter Gedanke wieder lebendig
angeregt. Ein deutsches Werk, das die Schönheit der deutschen Natur in
ihrem mannichfachen Reiz darstellen solle, habe ein höheres Hiel zu erstreben.
Dies könne nur darin gefunden werden, daß die schönsten Gegenden mit poeti¬
schem Sinn lebendig aufgefaßt und in ihrem individuellen Charakter treu dar¬
gestellt, mit der Landschaft aber die Figuren in einer Weise verflochten würden,
daß sie ein Bild des Volkslebens geben, und so Land, Volk und Sitte in
ihrem natürlichen Zusammenhange zur Anschauung kämen. In diesem Sinne
betheiligte sich Richter an dem Unternehmen, und lieferte Ansichten von der
sächsischen Schweiz, von Franken, dem Harz und dem Riesengebirge, welche er
zu diesem Zweck bereiste. Man kann sich leicht überzeugen, daß Richter's Dar¬
stellungen sich vor den meisten übrigen dieses Werks durch diese höhere Auf¬
fassung, wie durch feinen Sinn für das Individuelle wesentlich auszeichnen,
und die Behandlung der Staffage macht sie auch für den ungeübten Blick so¬
fort kenntlich. In der That ist es für den verschiedenen Charakter einer Ge¬
gend bezeichnend, ob ein einsamer Jäger oder Hirt sie besucht, oder Reisende
sie beleben, ob Landleute ihr Wesen treiben, oder eine Gesellschaft von


auf sie einen nachhaltigen Einfluß zu üben. Auch unter seinen Kunstgenossen
genießt Richter eine Achtung und Liebe, die dem Menschen und Künstler in
gleicher Weise gilt. Weil er mit seinen Arbeiten Niemand in den Weg trete,
lasse man ihn gelten, sagte der bescheidene Mann einmal einem Freunde. Viel¬
mehr halten ihn seine Kunstgenossen hoch in Ehren, und sehen in ihm eine
Autorität, weil eine echte Künstlernatur, sest in sich gegründet und in unbe¬
fangener Freudigkeit schaffend, in unsrer zerfahrenen Zeit mehr denn je erfrischt
und kräftigt, wie ein kühler Quell, der rings um sich Alles ausblühen läßt,
und Jedem eine Erquickung bietet.

Ein von Ehrhardt in Oel gemaltes Portrait Richter's giebt sehr glücklich
seine anspruchslose und liebenswürdige Erscheinung wieder, welche durch den
unverkennbaren Ausdruck eines tiefen Gemüths und eines feinen, sinnigen
Geistes von einer milden Wärme belebt ist, und unwillkürlich anzieht und festhält.
Leider giebt der Stich von Sichling, so vortrefflich er ausgeführt ist, den gei¬
stigen Charakter des Gemäldes nicht vollkommen wieder; namentlich ist in
einigen Zügen eine gewisse Schärfe ausgedrückt, die dem Original fremd ist.

Im Jahre 1836 wurde Richter, der so eben nach Dresden übergesiedelt
war, aufgefordert, sich an dem malerischen und romantischen Deutsch¬
land zu betheiligen, welches in Georg Wigand's Verlag erschien. Es handelte
sich zunächst um die Erlaubniß, frühere Radirungen von ihm zu benutzen und
zu revidiren; in Richter aber, der ein lebhaftes Bedauern empfand, wenn ein
mit bedeutenden Mitteln und Kräften unternommenes Werk abgeschwächte
Copien und unbedeutende Darstellungen durch die Manier der Stahlstecher
englistrt liefern sollte, wurde dadurch ein oft gehegter Gedanke wieder lebendig
angeregt. Ein deutsches Werk, das die Schönheit der deutschen Natur in
ihrem mannichfachen Reiz darstellen solle, habe ein höheres Hiel zu erstreben.
Dies könne nur darin gefunden werden, daß die schönsten Gegenden mit poeti¬
schem Sinn lebendig aufgefaßt und in ihrem individuellen Charakter treu dar¬
gestellt, mit der Landschaft aber die Figuren in einer Weise verflochten würden,
daß sie ein Bild des Volkslebens geben, und so Land, Volk und Sitte in
ihrem natürlichen Zusammenhange zur Anschauung kämen. In diesem Sinne
betheiligte sich Richter an dem Unternehmen, und lieferte Ansichten von der
sächsischen Schweiz, von Franken, dem Harz und dem Riesengebirge, welche er
zu diesem Zweck bereiste. Man kann sich leicht überzeugen, daß Richter's Dar¬
stellungen sich vor den meisten übrigen dieses Werks durch diese höhere Auf¬
fassung, wie durch feinen Sinn für das Individuelle wesentlich auszeichnen,
und die Behandlung der Staffage macht sie auch für den ungeübten Blick so¬
fort kenntlich. In der That ist es für den verschiedenen Charakter einer Ge¬
gend bezeichnend, ob ein einsamer Jäger oder Hirt sie besucht, oder Reisende
sie beleben, ob Landleute ihr Wesen treiben, oder eine Gesellschaft von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/220>, abgerufen am 22.07.2024.