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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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stand. Mit Jubel stürzte Richter sich in das Meer von neuen Eindrücken der
Natur und Kunst, froh von den bewegten Wellen getragen die jugendlichen
Kräfte zu versuchen und zu stärken. Er fand seinen alten Freund Wagner
wieder, lernte seinen Jugendgespielen Oehme nun erst kennen; manches liebe
Verhältniß mit jüngeren wie älteren Kunstgenossen wurde geschlossen.

Mit frischem Muth machte er sich nun gleich an ein sehr großes Gemälde,
den Watzmann in ernster Abendbeleuchtung darstellend, das, im Sommer 1824
vollendet, die Aufmerksamkeit sehr entschieden aus den vielversprechenden Künst¬
ler lenkte. "Die Musterhaftigkeit", heißt es in einem Bericht aus Rom im
Kunstblatt 1824 S. 284, "mit welcher dieses Bild ausgeführt ist, der schone
und tiefe Sinn für Natur, der sich darin spiegelt, und in Treue und Wahrheit
den Charakter dieser Berggegend wiedergiebt, die gut gedachten Effecte der
Licht- und Schattenpartien erfreuen uns um so mehr, da der Künstler noch sehr
jung ist und Hei solchen Anlagen und so früher Entfaltung von praktischer Ge-
schicklichkeit das Höchste in dieser Kunst zu erwarten berechtigt." Auch in der
Heimath machte dieses Bild einen tiefen Eindruck", und v. Quandt stellte ihm
das günstigste Prognostikon (Kunstblatt 1824. S. 366). "Das Romantische,"
sagte er, "das, was in der Natur ans Unbegreifliche und in der Darstellung
ans Unglaubliche reicht, ohne die Grenze des Möglichen und Wirklichen zu
überschreiten, ist ganz sein Fach, und er vermag es mit solcher Wahrheit vor
die Augen zu stellen, daß uns ganz das Gefühl des Erhabenen durchdringt,
welches der Anblick im reinsten Sonnenlicht strahlender Gletscher, ungestümer
Bäche und ernster Waldungen, welche als Landwehr den Bergstürzen und
Lawinen sich entgegenstellen, uns einflößt."

Die großartige Richtung, welche damals die Kunst in Rom nahm, konnte
nicht ohne bedeutenden Einfluß auf Richter bleiben; er fühlte in sich starke
Neigung, das Gebiet der Landschaft- mit der Historienmalerei zu vertauschen.
Allein Zweifel, die der bescheidene Künstler an sich selbst hegte, hielten ihn ab,
diesen, wie er sich sagte, bedenklichen Schritt zu thun. Was ihn der Historien¬
malerei zutrieb, lag allerdings tief in seinem Innern, und fand seinen natur¬
gemäßen Ausdruck in der Weise, in welcher er die Landschaft ausbildete, welche
recht eigentlich ihm angehört. K. Föhr und F. Olivier hatten schon gesucht,
die menschliche Gestalt in bedeutender Beziehung zur Landschaft darzustellen;
auch der alte I. Koch, an welchen Richter sich auch persönlich anschloß, hatte
die landschaftliche Staffage in hervortretender Weise ausgebildet und angewen¬
det. Am meisten Einfluß aber übte sein treuer Freund I. Schmorr in dieser
Richtung, theils durch seine landschaftlichen Zeichnungen, theils durch
persönlichen Verkehr über ihn aus. "Zu dem in Rom gemalten Bilde von
Amalfi entwarf ihm Schmorr," so erzählt v. Quandt im Kunstblatt 1848. S. 239,
"eine Gruppe, in welcher alle Heiterkeit und Schönheit, alles Licht und Leben


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stand. Mit Jubel stürzte Richter sich in das Meer von neuen Eindrücken der
Natur und Kunst, froh von den bewegten Wellen getragen die jugendlichen
Kräfte zu versuchen und zu stärken. Er fand seinen alten Freund Wagner
wieder, lernte seinen Jugendgespielen Oehme nun erst kennen; manches liebe
Verhältniß mit jüngeren wie älteren Kunstgenossen wurde geschlossen.

Mit frischem Muth machte er sich nun gleich an ein sehr großes Gemälde,
den Watzmann in ernster Abendbeleuchtung darstellend, das, im Sommer 1824
vollendet, die Aufmerksamkeit sehr entschieden aus den vielversprechenden Künst¬
ler lenkte. „Die Musterhaftigkeit", heißt es in einem Bericht aus Rom im
Kunstblatt 1824 S. 284, „mit welcher dieses Bild ausgeführt ist, der schone
und tiefe Sinn für Natur, der sich darin spiegelt, und in Treue und Wahrheit
den Charakter dieser Berggegend wiedergiebt, die gut gedachten Effecte der
Licht- und Schattenpartien erfreuen uns um so mehr, da der Künstler noch sehr
jung ist und Hei solchen Anlagen und so früher Entfaltung von praktischer Ge-
schicklichkeit das Höchste in dieser Kunst zu erwarten berechtigt." Auch in der
Heimath machte dieses Bild einen tiefen Eindruck", und v. Quandt stellte ihm
das günstigste Prognostikon (Kunstblatt 1824. S. 366). „Das Romantische,"
sagte er, „das, was in der Natur ans Unbegreifliche und in der Darstellung
ans Unglaubliche reicht, ohne die Grenze des Möglichen und Wirklichen zu
überschreiten, ist ganz sein Fach, und er vermag es mit solcher Wahrheit vor
die Augen zu stellen, daß uns ganz das Gefühl des Erhabenen durchdringt,
welches der Anblick im reinsten Sonnenlicht strahlender Gletscher, ungestümer
Bäche und ernster Waldungen, welche als Landwehr den Bergstürzen und
Lawinen sich entgegenstellen, uns einflößt."

Die großartige Richtung, welche damals die Kunst in Rom nahm, konnte
nicht ohne bedeutenden Einfluß auf Richter bleiben; er fühlte in sich starke
Neigung, das Gebiet der Landschaft- mit der Historienmalerei zu vertauschen.
Allein Zweifel, die der bescheidene Künstler an sich selbst hegte, hielten ihn ab,
diesen, wie er sich sagte, bedenklichen Schritt zu thun. Was ihn der Historien¬
malerei zutrieb, lag allerdings tief in seinem Innern, und fand seinen natur¬
gemäßen Ausdruck in der Weise, in welcher er die Landschaft ausbildete, welche
recht eigentlich ihm angehört. K. Föhr und F. Olivier hatten schon gesucht,
die menschliche Gestalt in bedeutender Beziehung zur Landschaft darzustellen;
auch der alte I. Koch, an welchen Richter sich auch persönlich anschloß, hatte
die landschaftliche Staffage in hervortretender Weise ausgebildet und angewen¬
det. Am meisten Einfluß aber übte sein treuer Freund I. Schmorr in dieser
Richtung, theils durch seine landschaftlichen Zeichnungen, theils durch
persönlichen Verkehr über ihn aus. „Zu dem in Rom gemalten Bilde von
Amalfi entwarf ihm Schmorr," so erzählt v. Quandt im Kunstblatt 1848. S. 239,
„eine Gruppe, in welcher alle Heiterkeit und Schönheit, alles Licht und Leben


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/213>, abgerufen am 22.07.2024.