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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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und in den Felsen gehauene Galerien mit schweren Geschützen; die Mündungen
der Kanonen an der untersten Galerie ragen hier kaum 10--12 Fuß über den
Meeresspiegel hervor, und bei besonders starkem Wellengang soll der Schaum
bis in die Schießscharten hineinspritzen. Im Ganzen enthalten, wie ich hörte,
alle Werke der Festung Gibraltar an 1800 schwere Geschütze, eine Zahl, deren Größe
ich uicht sür übertrieben halte, da das Auge überall aus blanke Kanonenrohre trifft.
Man erzählt sich, die englische Regierung habe einen Preis von 100 Pfund für
die Entdeckung jeder neue" Stelle ausgesetzt, aus welcher zweckmäßig auch nur uoch
eine Kanone angebracht werden könne, es sei aber nicht mehr möglich, denselben
zu verdienen. Daß Gibraltar bei diesen gewaltigen Vertheidigungsmitteln jemals
durch eine feindliche Belagerung eingenommen werden könnte, scheint mir ganz
unmöglich; das einzige Mittel wäre eine Cernirnng von der Land- wie Wasser¬
seite, um der Garnison alle Zufuhr abzuschneiden, und dieselbe allmählich auszu¬
hungern. Aber abgesehen davon, daß die Flotten Englands solche Cernirnng
nicht leicht dulden würden, wäre dieselbe anch ein sehr langwieriges Unternehmen,
da in den großen Magazinen stets ungeheure Vorräthe von Lebensmitteln,
die im Nothfall mehrere Jahre für die ganze Besatzung ausreichen können, aufge¬
speichert sind. Denn hier befinden sich stets Vorräthe aller Art für einen Theil
der englischen Flotte im Mittelmeer. Wird Gibraltar daher nicht auf eine andere
Weise einst dem britischen Leoparden entrissen, so dürste dieser seine mächtigen
Tatzen noch lange drohend über dasselbe ausbreiten.

Auch das Innere einer Caserne beschauten wir aus meinen Wunsch. Große
Reinlichkeit und Ordnung herrschte in den Höfen, Gängen und Zimmern derselben,
und man sah aus den ersten Blick, daß eine strenge militärische Disciplin geübt
werde. Die Zimmer selbst, nach südlicher Sitte mit steinernen Fußböden, waren
hell, geräumig und luftig. Jeder Soldat hatte seiue eiserne Bettstelle, aus der
eine Matratze und eine leichte Decke lagen. Sehr appetitlich sah es in der gro¬
ßen Küche ans. Ungeachtet dieser Bequemlichkeiten wird Gibraltar nicht sonder¬
lich als Garnison geliebt, und Officiere wie Soldaten gehen lieber herab als hinauf.
Der Wachdienst ist sehr streng. Auch das Klima wird nicht gelobt; daß die
Hitze des Mittags, wo die Felsenwände überall die Sonnenstrahlen mit vermehr¬
ter Gluth zurückprallen lassen, sehr stark ist, empfanden auch wir.

Von dem alten Maurenthurme aus besahen wir noch flüchtig die große Se.
Michael-Höhle, welche nicht sehr weit davon liegt. Es geht die Sage, diese
Höhle, deren Grund wol noch nie ein menschlicher Fuß betreten hat, gehe bis
auf deu Meeresboden, und es finde unter demselben von hier aus eine unterirdi¬
sche Verbindung mit dem afrikanischen Ufer statt. Vor mehreren Jahren hat
ein kühner englischer Officier sich an einem langen Tau in diese Höhle hinunter¬
gelassen, ohne jedoch den Boden derselben erreichen zu können.

Es war Mittag geworden. In der untern Stadt war es jetzt nicht mehr


und in den Felsen gehauene Galerien mit schweren Geschützen; die Mündungen
der Kanonen an der untersten Galerie ragen hier kaum 10—12 Fuß über den
Meeresspiegel hervor, und bei besonders starkem Wellengang soll der Schaum
bis in die Schießscharten hineinspritzen. Im Ganzen enthalten, wie ich hörte,
alle Werke der Festung Gibraltar an 1800 schwere Geschütze, eine Zahl, deren Größe
ich uicht sür übertrieben halte, da das Auge überall aus blanke Kanonenrohre trifft.
Man erzählt sich, die englische Regierung habe einen Preis von 100 Pfund für
die Entdeckung jeder neue» Stelle ausgesetzt, aus welcher zweckmäßig auch nur uoch
eine Kanone angebracht werden könne, es sei aber nicht mehr möglich, denselben
zu verdienen. Daß Gibraltar bei diesen gewaltigen Vertheidigungsmitteln jemals
durch eine feindliche Belagerung eingenommen werden könnte, scheint mir ganz
unmöglich; das einzige Mittel wäre eine Cernirnng von der Land- wie Wasser¬
seite, um der Garnison alle Zufuhr abzuschneiden, und dieselbe allmählich auszu¬
hungern. Aber abgesehen davon, daß die Flotten Englands solche Cernirnng
nicht leicht dulden würden, wäre dieselbe anch ein sehr langwieriges Unternehmen,
da in den großen Magazinen stets ungeheure Vorräthe von Lebensmitteln,
die im Nothfall mehrere Jahre für die ganze Besatzung ausreichen können, aufge¬
speichert sind. Denn hier befinden sich stets Vorräthe aller Art für einen Theil
der englischen Flotte im Mittelmeer. Wird Gibraltar daher nicht auf eine andere
Weise einst dem britischen Leoparden entrissen, so dürste dieser seine mächtigen
Tatzen noch lange drohend über dasselbe ausbreiten.

Auch das Innere einer Caserne beschauten wir aus meinen Wunsch. Große
Reinlichkeit und Ordnung herrschte in den Höfen, Gängen und Zimmern derselben,
und man sah aus den ersten Blick, daß eine strenge militärische Disciplin geübt
werde. Die Zimmer selbst, nach südlicher Sitte mit steinernen Fußböden, waren
hell, geräumig und luftig. Jeder Soldat hatte seiue eiserne Bettstelle, aus der
eine Matratze und eine leichte Decke lagen. Sehr appetitlich sah es in der gro¬
ßen Küche ans. Ungeachtet dieser Bequemlichkeiten wird Gibraltar nicht sonder¬
lich als Garnison geliebt, und Officiere wie Soldaten gehen lieber herab als hinauf.
Der Wachdienst ist sehr streng. Auch das Klima wird nicht gelobt; daß die
Hitze des Mittags, wo die Felsenwände überall die Sonnenstrahlen mit vermehr¬
ter Gluth zurückprallen lassen, sehr stark ist, empfanden auch wir.

Von dem alten Maurenthurme aus besahen wir noch flüchtig die große Se.
Michael-Höhle, welche nicht sehr weit davon liegt. Es geht die Sage, diese
Höhle, deren Grund wol noch nie ein menschlicher Fuß betreten hat, gehe bis
auf deu Meeresboden, und es finde unter demselben von hier aus eine unterirdi¬
sche Verbindung mit dem afrikanischen Ufer statt. Vor mehreren Jahren hat
ein kühner englischer Officier sich an einem langen Tau in diese Höhle hinunter¬
gelassen, ohne jedoch den Boden derselben erreichen zu können.

Es war Mittag geworden. In der untern Stadt war es jetzt nicht mehr


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/194>, abgerufen am 22.07.2024.