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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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ich glaube, eine Piratenschaar hätte unser Schiff gemächlich ersteigen können, bevor
diese nachlässige Wache das Mindeste davon gemerkt. Häufig erscholl ein grim¬
miges: ,,'I'rente av viam l" "saorisUe!" oder ,,I^rron as vieu!" in Begleitung
ähnlicher proveu^alischer Fluchwörter von einem derben Faustschlag auf die Ver¬
deckplanke begleitet, und verkündete, daß die launische Göttin Fortuna sich einem
oder dem andern Spieler allzu ungünstig bewiesen hatte. Luftiger ging es auf
einem audalustschen Küstenfahrer zu, der unfern von uus lag. In seinem niedern
Mastkorb saß ein halbnackter Matrose, und spielte die Mandoline, und die Klänge
derselben in lebhaftem Takte mit ihren Castagnetten begleitend, tanzten vier
Burschen auf dem kleinen Verdeck in unermüdlicher Behendigkeit und Kraft den
Fandango. Es war ein hübsches Bild, die Gruppe der Tänzer im Mondenschein.
Ihre rothen Netze mit den dicken blauschwarzen Haaren hingen bis auf deu
Nacken herunter, und was bei Tage sich an ihrem Anzuge vielleicht als Loch oder
Flecken und Lumpen gezeigt hätte, gab ihnen im täuschenden Mondenschein ein
malerisch pittoreskes Ansehen.

Lauge standen wir im lebhaften Gespräch auf der Galliot unsres Dampfers,
und schauten dabei in die silbernen Gewässer, die rauschend am Kiel sich brachen.
Ost schnellte ein Fisch aus der Wasserfläche empor, beschrieb einen hellstrahlenden
Kreis durch die Luft, und fiel plätschernd in sein Element zurück. Manch Interes¬
santes wußte der junge Officier zu erzählen. Er kehrte aus dem indischen Archi¬
pel auf Urlaub nach England zurück, und hatte zu seinem Vergnügen eine Fahrt
nach Algier gemacht. Er erzählte von dem Leben in jenen fernen Gegenden, von
den blutigen Gefechten, die er gegen die malayischen Seeräuber mitgemacht, wobei
es Grundsatz sei, alle etwaige" Gefangenen sogleich an der Schiffsrae aufzu¬
knüpfen, und einen förmlichen Vertilgungskampf gegen diese Race zu führen.
Seine aufregenden Schilderungen der Malayenschlachten tönten wie wilder Gesang
in deu Guitarrenklang und die Mondscheinruhe am Fuße des kriegerischen Felsens.

Endlich suchte sich Jeder die weichste Planke des Verdecks zum Lager, schob
den Mantelsack als Kopfkissen unter, hüllte sich fest in seinen Mantel, und war
bald in festen Schlaf versunken. Noch in der Nacht weckte uns das brausende
Geräusch eines großen Dampfers, der unfern von uns den Rauch herausließ und
vor Anker ging. Es war der "Jupiter", das englische Postdampfboot von Malta,
das uns nach Southampton führen sollte. Wir sichren auf und fürchteten, das
Schiff werde am frühen Morgen fortfahren, und uns die Möglichkeit nehmen,
auch nur einen Fuß nach Gibraltar zu setzen. Mit dem Sprachrohr des Capitains
frug der englische Seeofficier nach dem Bord des Jupiters hinüber, wann er
fortfahre. "Schlag vier Uhr Nachmittags, lautete die tröstliche Antwort.

In purpurner Gluth ging die Sonne ans; dunkelrosenroth erglühte die oberste
Spitze des Felsens, welche das Sonnenlicht zuerst erhielt, und blässer und blässer
schattirte sich diese Farbe ab, bis sie zuletzt am Fuße des Berges in dunkles Grau
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ich glaube, eine Piratenschaar hätte unser Schiff gemächlich ersteigen können, bevor
diese nachlässige Wache das Mindeste davon gemerkt. Häufig erscholl ein grim¬
miges: ,,'I'rente av viam l" „saorisUe!" oder ,,I^rron as vieu!" in Begleitung
ähnlicher proveu^alischer Fluchwörter von einem derben Faustschlag auf die Ver¬
deckplanke begleitet, und verkündete, daß die launische Göttin Fortuna sich einem
oder dem andern Spieler allzu ungünstig bewiesen hatte. Luftiger ging es auf
einem audalustschen Küstenfahrer zu, der unfern von uus lag. In seinem niedern
Mastkorb saß ein halbnackter Matrose, und spielte die Mandoline, und die Klänge
derselben in lebhaftem Takte mit ihren Castagnetten begleitend, tanzten vier
Burschen auf dem kleinen Verdeck in unermüdlicher Behendigkeit und Kraft den
Fandango. Es war ein hübsches Bild, die Gruppe der Tänzer im Mondenschein.
Ihre rothen Netze mit den dicken blauschwarzen Haaren hingen bis auf deu
Nacken herunter, und was bei Tage sich an ihrem Anzuge vielleicht als Loch oder
Flecken und Lumpen gezeigt hätte, gab ihnen im täuschenden Mondenschein ein
malerisch pittoreskes Ansehen.

Lauge standen wir im lebhaften Gespräch auf der Galliot unsres Dampfers,
und schauten dabei in die silbernen Gewässer, die rauschend am Kiel sich brachen.
Ost schnellte ein Fisch aus der Wasserfläche empor, beschrieb einen hellstrahlenden
Kreis durch die Luft, und fiel plätschernd in sein Element zurück. Manch Interes¬
santes wußte der junge Officier zu erzählen. Er kehrte aus dem indischen Archi¬
pel auf Urlaub nach England zurück, und hatte zu seinem Vergnügen eine Fahrt
nach Algier gemacht. Er erzählte von dem Leben in jenen fernen Gegenden, von
den blutigen Gefechten, die er gegen die malayischen Seeräuber mitgemacht, wobei
es Grundsatz sei, alle etwaige» Gefangenen sogleich an der Schiffsrae aufzu¬
knüpfen, und einen förmlichen Vertilgungskampf gegen diese Race zu führen.
Seine aufregenden Schilderungen der Malayenschlachten tönten wie wilder Gesang
in deu Guitarrenklang und die Mondscheinruhe am Fuße des kriegerischen Felsens.

Endlich suchte sich Jeder die weichste Planke des Verdecks zum Lager, schob
den Mantelsack als Kopfkissen unter, hüllte sich fest in seinen Mantel, und war
bald in festen Schlaf versunken. Noch in der Nacht weckte uns das brausende
Geräusch eines großen Dampfers, der unfern von uns den Rauch herausließ und
vor Anker ging. Es war der „Jupiter", das englische Postdampfboot von Malta,
das uns nach Southampton führen sollte. Wir sichren auf und fürchteten, das
Schiff werde am frühen Morgen fortfahren, und uns die Möglichkeit nehmen,
auch nur einen Fuß nach Gibraltar zu setzen. Mit dem Sprachrohr des Capitains
frug der englische Seeofficier nach dem Bord des Jupiters hinüber, wann er
fortfahre. „Schlag vier Uhr Nachmittags, lautete die tröstliche Antwort.

In purpurner Gluth ging die Sonne ans; dunkelrosenroth erglühte die oberste
Spitze des Felsens, welche das Sonnenlicht zuerst erhielt, und blässer und blässer
schattirte sich diese Farbe ab, bis sie zuletzt am Fuße des Berges in dunkles Grau
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[0189] ich glaube, eine Piratenschaar hätte unser Schiff gemächlich ersteigen können, bevor diese nachlässige Wache das Mindeste davon gemerkt. Häufig erscholl ein grim¬ miges: ,,'I'rente av viam l" „saorisUe!" oder ,,I^rron as vieu!" in Begleitung ähnlicher proveu^alischer Fluchwörter von einem derben Faustschlag auf die Ver¬ deckplanke begleitet, und verkündete, daß die launische Göttin Fortuna sich einem oder dem andern Spieler allzu ungünstig bewiesen hatte. Luftiger ging es auf einem audalustschen Küstenfahrer zu, der unfern von uus lag. In seinem niedern Mastkorb saß ein halbnackter Matrose, und spielte die Mandoline, und die Klänge derselben in lebhaftem Takte mit ihren Castagnetten begleitend, tanzten vier Burschen auf dem kleinen Verdeck in unermüdlicher Behendigkeit und Kraft den Fandango. Es war ein hübsches Bild, die Gruppe der Tänzer im Mondenschein. Ihre rothen Netze mit den dicken blauschwarzen Haaren hingen bis auf deu Nacken herunter, und was bei Tage sich an ihrem Anzuge vielleicht als Loch oder Flecken und Lumpen gezeigt hätte, gab ihnen im täuschenden Mondenschein ein malerisch pittoreskes Ansehen. Lauge standen wir im lebhaften Gespräch auf der Galliot unsres Dampfers, und schauten dabei in die silbernen Gewässer, die rauschend am Kiel sich brachen. Ost schnellte ein Fisch aus der Wasserfläche empor, beschrieb einen hellstrahlenden Kreis durch die Luft, und fiel plätschernd in sein Element zurück. Manch Interes¬ santes wußte der junge Officier zu erzählen. Er kehrte aus dem indischen Archi¬ pel auf Urlaub nach England zurück, und hatte zu seinem Vergnügen eine Fahrt nach Algier gemacht. Er erzählte von dem Leben in jenen fernen Gegenden, von den blutigen Gefechten, die er gegen die malayischen Seeräuber mitgemacht, wobei es Grundsatz sei, alle etwaige» Gefangenen sogleich an der Schiffsrae aufzu¬ knüpfen, und einen förmlichen Vertilgungskampf gegen diese Race zu führen. Seine aufregenden Schilderungen der Malayenschlachten tönten wie wilder Gesang in deu Guitarrenklang und die Mondscheinruhe am Fuße des kriegerischen Felsens. Endlich suchte sich Jeder die weichste Planke des Verdecks zum Lager, schob den Mantelsack als Kopfkissen unter, hüllte sich fest in seinen Mantel, und war bald in festen Schlaf versunken. Noch in der Nacht weckte uns das brausende Geräusch eines großen Dampfers, der unfern von uns den Rauch herausließ und vor Anker ging. Es war der „Jupiter", das englische Postdampfboot von Malta, das uns nach Southampton führen sollte. Wir sichren auf und fürchteten, das Schiff werde am frühen Morgen fortfahren, und uns die Möglichkeit nehmen, auch nur einen Fuß nach Gibraltar zu setzen. Mit dem Sprachrohr des Capitains frug der englische Seeofficier nach dem Bord des Jupiters hinüber, wann er fortfahre. „Schlag vier Uhr Nachmittags, lautete die tröstliche Antwort. In purpurner Gluth ging die Sonne ans; dunkelrosenroth erglühte die oberste Spitze des Felsens, welche das Sonnenlicht zuerst erhielt, und blässer und blässer schattirte sich diese Farbe ab, bis sie zuletzt am Fuße des Berges in dunkles Grau ' 23*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/189>, abgerufen am 22.07.2024.