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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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Rhede an, um die günstigen Winde abzuwarten, welche es ihnen erleichtern, die
Strömung nach dem Mittelmeer zu besiegen. Außerdem ist Gibraltar ein
Stapelplatz für den englischen Handel im Mittelmeer; viele Waaren werden von
hier in andere Schiffe ungeladen. Die kleinen griechischen und italienischen
Fahrzeuge, die man überall in den mittelländischen Häfen in so großer Zahl
findet, gehen nicht gern weiter, laden hier ihre Waaren aus, und nehmen andere
ein. Große amerikanische und englische Handelsfregatten besorgen dann den
Weitertransport, zumal nach den überseeischen Häfen. Auch nach der gegenüber¬
liegenden marokkanischen Küste wird von hier aus ein starker Handel in kleinen,
leichten Küstenfahrzeugen geführt; außerdem ist Gibraltar der Hauptsitz des
sehr beträchtlichen Schmnggelhandels, der längs der ganzen andalnstschen Küste
mit englischen Waaren getrieben wird. Alles dies und seine unangreifbare
Lage auf hohen Felsen giebt diesem Platz eine so unendliche Wichtigkeit für England,
und ersetzt reichlich die Millionen von Pfunden, welche dieses kahle Felsennest der
englischen Regierung schou gekostet hat. Es ist ein Schlüssel zum Mittelmeere, wie
Malta der andere, und keine Stimme erhebt sich im Parlament, wenn fast alljährlich
im Budget enorme Summen für die endlos vermehrten Fortificationen dieses Waf-
fenplatzes gefordert werdeu. -- Die Lichter in Gibraltar schienen aus der Hohe
durch die Dunkelheit herab. Mehrere Reihen derselben waren in den verschiedenen
Theilen der Festung über einander sichtbar, und bildeten Guirlanden von hellblitzen¬
den Punkten auf schwarzem Grunde. Auch an Afrika's Ufer konnte man mit
dem Nachtfernrohr ein Helles Feuer erkennen, und an verschiedenen Stellen der
spanischen Küste glimmten feurige Funken. Gegen 9 Uhr tönte von der Festung
ein Kanonenschuß als Signal zur Retraite, und sogleich rasselte vou der Höhe herab
die eintönige Melodie des Zapfenstreiches, von vielen Trommlern geschlagen, und
unter dem Trommelwirbel stieg, wie als riesige Feuerkugel, der Fürst der Nacht,
der Mond, aus dem Meere hervor. Die Beleuchtung, die sein bleiches, zittern¬
des Licht der ganzen Scenerie verlieh, war von eigenthümlichem Reiz. Riesig
hoch starrte als ein schwarzer Koloß, der gar kein Ende nehmen wollte, der
dunkle Felsen von Calpe aus der silbermatten Fluth, die ringsum seinen Fuß
umspielte, empor. Die Nam, Masten und Rumpfe der vielen Fahrzeuge
um uns herum erschienen viel großer, und selbst die einzelnen Taue der¬
selben zeichneten sich wie scharfgezogene tiefschwarze Linien gegen den bleichgelbem
Luftgruud ab. Das Wetter war mild, und eine andalusische Sommernacht mit
ihrem ganzen Zauber lag über uns ausgebreitet. Auf unsrem Schiffe war es
allmählich still geworden. Das maltesische und jüdische Gesinde! war in seine
Kojen zurückgekrocheu, und hatte das Verdeck von sich gesäubert. Zusammen¬
gehockt in einem Winkel spielten vier provenyalische Matrosen, welche die Wache
hätten, ein Kartenspiel mit schmuzigen Karten. Obgleich der Einsatz nur in
ewigen kupfernen Sons bestand, so war doch ihre ganze Seele beim Spiel, und


Rhede an, um die günstigen Winde abzuwarten, welche es ihnen erleichtern, die
Strömung nach dem Mittelmeer zu besiegen. Außerdem ist Gibraltar ein
Stapelplatz für den englischen Handel im Mittelmeer; viele Waaren werden von
hier in andere Schiffe ungeladen. Die kleinen griechischen und italienischen
Fahrzeuge, die man überall in den mittelländischen Häfen in so großer Zahl
findet, gehen nicht gern weiter, laden hier ihre Waaren aus, und nehmen andere
ein. Große amerikanische und englische Handelsfregatten besorgen dann den
Weitertransport, zumal nach den überseeischen Häfen. Auch nach der gegenüber¬
liegenden marokkanischen Küste wird von hier aus ein starker Handel in kleinen,
leichten Küstenfahrzeugen geführt; außerdem ist Gibraltar der Hauptsitz des
sehr beträchtlichen Schmnggelhandels, der längs der ganzen andalnstschen Küste
mit englischen Waaren getrieben wird. Alles dies und seine unangreifbare
Lage auf hohen Felsen giebt diesem Platz eine so unendliche Wichtigkeit für England,
und ersetzt reichlich die Millionen von Pfunden, welche dieses kahle Felsennest der
englischen Regierung schou gekostet hat. Es ist ein Schlüssel zum Mittelmeere, wie
Malta der andere, und keine Stimme erhebt sich im Parlament, wenn fast alljährlich
im Budget enorme Summen für die endlos vermehrten Fortificationen dieses Waf-
fenplatzes gefordert werdeu. — Die Lichter in Gibraltar schienen aus der Hohe
durch die Dunkelheit herab. Mehrere Reihen derselben waren in den verschiedenen
Theilen der Festung über einander sichtbar, und bildeten Guirlanden von hellblitzen¬
den Punkten auf schwarzem Grunde. Auch an Afrika's Ufer konnte man mit
dem Nachtfernrohr ein Helles Feuer erkennen, und an verschiedenen Stellen der
spanischen Küste glimmten feurige Funken. Gegen 9 Uhr tönte von der Festung
ein Kanonenschuß als Signal zur Retraite, und sogleich rasselte vou der Höhe herab
die eintönige Melodie des Zapfenstreiches, von vielen Trommlern geschlagen, und
unter dem Trommelwirbel stieg, wie als riesige Feuerkugel, der Fürst der Nacht,
der Mond, aus dem Meere hervor. Die Beleuchtung, die sein bleiches, zittern¬
des Licht der ganzen Scenerie verlieh, war von eigenthümlichem Reiz. Riesig
hoch starrte als ein schwarzer Koloß, der gar kein Ende nehmen wollte, der
dunkle Felsen von Calpe aus der silbermatten Fluth, die ringsum seinen Fuß
umspielte, empor. Die Nam, Masten und Rumpfe der vielen Fahrzeuge
um uns herum erschienen viel großer, und selbst die einzelnen Taue der¬
selben zeichneten sich wie scharfgezogene tiefschwarze Linien gegen den bleichgelbem
Luftgruud ab. Das Wetter war mild, und eine andalusische Sommernacht mit
ihrem ganzen Zauber lag über uns ausgebreitet. Auf unsrem Schiffe war es
allmählich still geworden. Das maltesische und jüdische Gesinde! war in seine
Kojen zurückgekrocheu, und hatte das Verdeck von sich gesäubert. Zusammen¬
gehockt in einem Winkel spielten vier provenyalische Matrosen, welche die Wache
hätten, ein Kartenspiel mit schmuzigen Karten. Obgleich der Einsatz nur in
ewigen kupfernen Sons bestand, so war doch ihre ganze Seele beim Spiel, und


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[0188] Rhede an, um die günstigen Winde abzuwarten, welche es ihnen erleichtern, die Strömung nach dem Mittelmeer zu besiegen. Außerdem ist Gibraltar ein Stapelplatz für den englischen Handel im Mittelmeer; viele Waaren werden von hier in andere Schiffe ungeladen. Die kleinen griechischen und italienischen Fahrzeuge, die man überall in den mittelländischen Häfen in so großer Zahl findet, gehen nicht gern weiter, laden hier ihre Waaren aus, und nehmen andere ein. Große amerikanische und englische Handelsfregatten besorgen dann den Weitertransport, zumal nach den überseeischen Häfen. Auch nach der gegenüber¬ liegenden marokkanischen Küste wird von hier aus ein starker Handel in kleinen, leichten Küstenfahrzeugen geführt; außerdem ist Gibraltar der Hauptsitz des sehr beträchtlichen Schmnggelhandels, der längs der ganzen andalnstschen Küste mit englischen Waaren getrieben wird. Alles dies und seine unangreifbare Lage auf hohen Felsen giebt diesem Platz eine so unendliche Wichtigkeit für England, und ersetzt reichlich die Millionen von Pfunden, welche dieses kahle Felsennest der englischen Regierung schou gekostet hat. Es ist ein Schlüssel zum Mittelmeere, wie Malta der andere, und keine Stimme erhebt sich im Parlament, wenn fast alljährlich im Budget enorme Summen für die endlos vermehrten Fortificationen dieses Waf- fenplatzes gefordert werdeu. — Die Lichter in Gibraltar schienen aus der Hohe durch die Dunkelheit herab. Mehrere Reihen derselben waren in den verschiedenen Theilen der Festung über einander sichtbar, und bildeten Guirlanden von hellblitzen¬ den Punkten auf schwarzem Grunde. Auch an Afrika's Ufer konnte man mit dem Nachtfernrohr ein Helles Feuer erkennen, und an verschiedenen Stellen der spanischen Küste glimmten feurige Funken. Gegen 9 Uhr tönte von der Festung ein Kanonenschuß als Signal zur Retraite, und sogleich rasselte vou der Höhe herab die eintönige Melodie des Zapfenstreiches, von vielen Trommlern geschlagen, und unter dem Trommelwirbel stieg, wie als riesige Feuerkugel, der Fürst der Nacht, der Mond, aus dem Meere hervor. Die Beleuchtung, die sein bleiches, zittern¬ des Licht der ganzen Scenerie verlieh, war von eigenthümlichem Reiz. Riesig hoch starrte als ein schwarzer Koloß, der gar kein Ende nehmen wollte, der dunkle Felsen von Calpe aus der silbermatten Fluth, die ringsum seinen Fuß umspielte, empor. Die Nam, Masten und Rumpfe der vielen Fahrzeuge um uns herum erschienen viel großer, und selbst die einzelnen Taue der¬ selben zeichneten sich wie scharfgezogene tiefschwarze Linien gegen den bleichgelbem Luftgruud ab. Das Wetter war mild, und eine andalusische Sommernacht mit ihrem ganzen Zauber lag über uns ausgebreitet. Auf unsrem Schiffe war es allmählich still geworden. Das maltesische und jüdische Gesinde! war in seine Kojen zurückgekrocheu, und hatte das Verdeck von sich gesäubert. Zusammen¬ gehockt in einem Winkel spielten vier provenyalische Matrosen, welche die Wache hätten, ein Kartenspiel mit schmuzigen Karten. Obgleich der Einsatz nur in ewigen kupfernen Sons bestand, so war doch ihre ganze Seele beim Spiel, und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/188>, abgerufen am 22.07.2024.