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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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Riese Europa und Afrika erst aus einander gerissen, denn wie ein Zwillingspaar
gleichen sich die Berge Calpe und Abyla, die Säulen des stärksten aller Helden.
Man ist oft in Versuchung, die Zacken und Klüfte derselben näher mit einander zu
vergleichen, um zu sehen, ob sie noch in einander passen, und ob die Spuren
ihrer Trennung nicht noch sichtbar sind.

Langsamer, als aus dem frühern Weg, arbeitete und stöhnte jetzt unser
Dampfer gegen die Strömung, die stets in diesem engen Verbindungspaß von
zwei so mächtigen Meeren drängt. Erwünschter Aufenthalt, um so länger ver¬
mochten wir die Schönheiten des Abends zu genießen. Goldner und glänzender
wurden die Kuppen der Berge, dunkelviolet die unteren Theile der Felsen, die
bereits in den Schatten der Nacht zurücksaukeu. Hoch oben in deu Wolken
glänzten zuletzt noch wie ein Feenschloß die weißen Mauern und Thürme einzelner
Theile der Festung Gibraltar, auf welche ein günstiger Strahl der scheidenden
Sonne fiel.

"Verzf well, Sir", "es ist schön hier", rief der junge englische Seeosstcier freudig
neben mir auf dem Gangwege über dem Radkasteu des Dampfers. Er wär eine
englische, tüchtige Natur, Passagier wie ich, der deutschen Sprache ziemlich mächtig.
Seine Gesellschaft war eine Gunst des Schicksals,' denn die ganze übrige Gesell¬
schaft des kleinen schmuzigen Dampfers, der uns nach Gibraltar brachte, war so unan¬
genehm und widerlich, als möglich. Malteser Handelsleute, eine betrügerische, freche,
durch und durch verderbte Race, die man. leider nur zu viel in ganz Algerien
findet, waren der Haupttheil der Passagiere. Ihr schmuziger Anzug, die wider¬
liche Atmosphäre von ranzigem Oel, die sie ans 10 Schritte um sich her verbrei¬
teten, und ihr sonstiges ekelhaftes Benehmen hielten mich in möglichst großer
Entfernung von ihnen; selbst ihre Sprache war fast ganz unverständlich. Mehrere
Juden aus Tanger, die ein Geschäftchen mit ihren Glaubensgenossen in Algier ge¬
macht hatten, bildeten ein würdiges Seitenstück zu der Bande von Maltesern;
starken die einen blos nach ranzigem Oel, so vereinigten diese noch andere unlieb¬
liche Gerüche damit, und suchten ihre Concurrenten auch in Schmuz und
Widerlichkeit aller Art zu übertreffe". Dabei schrie und zankte und schacherte
dieses Gesinde! in seiner gellenden Sprache unter einander herum, daß Einem die
Ohren wehe davon thun konnten. Auch an der Bemannung unsres Dampfers
konnte man wenig Interesse nehmen. Der Capitain war ein alter, ziemlich roher
Mann, der Nichts, als sein sehr schwer verständliches provenyalisches Patois
sprechen konnte, und dazu noch an einer starken Schwerhörigkeit litt. Nicht viel
höher standen an Geist und Liebenswürdigkeit die beiden Steuermänner, echte
Provenyalen, wie fast alle die übrigen Matrosen. Der eine der Steuermänner,
ein bejahrter Mann mit einem ganz merkwürdig von den Blattern durchfurchten
Gesicht, dem dazu die Nase wahrscheinlich von irgend einer äußern Verletzung
breit wie ein Pfannkuchen geschlagen war, erwies sich übrigens als ein wackerer,


Riese Europa und Afrika erst aus einander gerissen, denn wie ein Zwillingspaar
gleichen sich die Berge Calpe und Abyla, die Säulen des stärksten aller Helden.
Man ist oft in Versuchung, die Zacken und Klüfte derselben näher mit einander zu
vergleichen, um zu sehen, ob sie noch in einander passen, und ob die Spuren
ihrer Trennung nicht noch sichtbar sind.

Langsamer, als aus dem frühern Weg, arbeitete und stöhnte jetzt unser
Dampfer gegen die Strömung, die stets in diesem engen Verbindungspaß von
zwei so mächtigen Meeren drängt. Erwünschter Aufenthalt, um so länger ver¬
mochten wir die Schönheiten des Abends zu genießen. Goldner und glänzender
wurden die Kuppen der Berge, dunkelviolet die unteren Theile der Felsen, die
bereits in den Schatten der Nacht zurücksaukeu. Hoch oben in deu Wolken
glänzten zuletzt noch wie ein Feenschloß die weißen Mauern und Thürme einzelner
Theile der Festung Gibraltar, auf welche ein günstiger Strahl der scheidenden
Sonne fiel.

„Verzf well, Sir", „es ist schön hier", rief der junge englische Seeosstcier freudig
neben mir auf dem Gangwege über dem Radkasteu des Dampfers. Er wär eine
englische, tüchtige Natur, Passagier wie ich, der deutschen Sprache ziemlich mächtig.
Seine Gesellschaft war eine Gunst des Schicksals,' denn die ganze übrige Gesell¬
schaft des kleinen schmuzigen Dampfers, der uns nach Gibraltar brachte, war so unan¬
genehm und widerlich, als möglich. Malteser Handelsleute, eine betrügerische, freche,
durch und durch verderbte Race, die man. leider nur zu viel in ganz Algerien
findet, waren der Haupttheil der Passagiere. Ihr schmuziger Anzug, die wider¬
liche Atmosphäre von ranzigem Oel, die sie ans 10 Schritte um sich her verbrei¬
teten, und ihr sonstiges ekelhaftes Benehmen hielten mich in möglichst großer
Entfernung von ihnen; selbst ihre Sprache war fast ganz unverständlich. Mehrere
Juden aus Tanger, die ein Geschäftchen mit ihren Glaubensgenossen in Algier ge¬
macht hatten, bildeten ein würdiges Seitenstück zu der Bande von Maltesern;
starken die einen blos nach ranzigem Oel, so vereinigten diese noch andere unlieb¬
liche Gerüche damit, und suchten ihre Concurrenten auch in Schmuz und
Widerlichkeit aller Art zu übertreffe». Dabei schrie und zankte und schacherte
dieses Gesinde! in seiner gellenden Sprache unter einander herum, daß Einem die
Ohren wehe davon thun konnten. Auch an der Bemannung unsres Dampfers
konnte man wenig Interesse nehmen. Der Capitain war ein alter, ziemlich roher
Mann, der Nichts, als sein sehr schwer verständliches provenyalisches Patois
sprechen konnte, und dazu noch an einer starken Schwerhörigkeit litt. Nicht viel
höher standen an Geist und Liebenswürdigkeit die beiden Steuermänner, echte
Provenyalen, wie fast alle die übrigen Matrosen. Der eine der Steuermänner,
ein bejahrter Mann mit einem ganz merkwürdig von den Blattern durchfurchten
Gesicht, dem dazu die Nase wahrscheinlich von irgend einer äußern Verletzung
breit wie ein Pfannkuchen geschlagen war, erwies sich übrigens als ein wackerer,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/186>, abgerufen am 22.07.2024.