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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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ist: Alastor, oder der Geist der Einsamkeit (181ö), die Ge¬
schichte eines einsamen Dichters, der sich in der^Jugend in die Eingebungen seiner
Phantasie zurückzieht, und dann die orientalischen Ruinen besucht, um überall für
seine Melancholie neue Nahrung einzusaugen. Die Bilder, die er anschaut, sind
von einem geisterhaften Mondlicht beschienen, sie haben keine reale Bestimmtheit.
Die Ströme schimmern nur, die Berge werfen nur Schatten, sie leisten keinen
Widerstand, sie gehen gleichgiltig, wie im Traume, in die entgegengesetzten An¬
schauungen über. Der Dichter hegt eine warme Liebe zu einem Mädchen der
Wüste, aber im Augenblick des Entzückens versinkt er in Schlaf, und ergeht sich
nun ungebunden im Reich der absoluten Nacht, die durch das Licht seiner Ge¬
liebten träumerisch erhellt wird, bis auch dieses ausgeht, und die vollkommen
leere Welt sogar die Fähigkeit verliert, über ihren Verlust zu weinen.*)

Einen eigenthümlichen Reiz hat das Gedicht Rosa linde und Helene
(184 8). Dieser Reiz liegt keineswegs im Inhalt, der vielmehr als eine raffi-
nirte Sammlung von Greuel und Elend unsrem Gefühl widerstrebt; anch nicht
in der Composttiou, die ziemlich lose ist, sondern lediglich in der poetischen Stim¬
mung, die uus mit dem Gefühl einer unaussprechlichen Trauer durchdringt. Eben
so fern von klagenden: Pathos, wie von gegenstandsloser Empfindsamkeit, wird
uus das menschliche Elend mit einem stillen Schmerz dargestellt, dem wir es an¬
sehen, daß er gefühlt ist. Auch die Stimmung eines trüben Herbsttages, in der
die Seele sich mit schmerzlichem Brüten in sich selbst verse.ille, hat ihre Poesie.
Außerdem ist dieses Gedicht ziemlich frei von tendenziösen Abstractionen. Zwar steht
das Unheil, welches den guten Menschen zugefügt wird, immer in einem gewissen
Zusammenhang mit dem verhaßten religiösen und politischen Despotismus, aber
diese Tendenz drängt sich nicht vor; sie bildet nur den versteckten Stamm, der
den melancholisch gruppirten Blättern und Zweigen ihre Consistenz giebt..

Julian und Maddalo (1818) ist ein ziemlich prosaisches Gespräch über
alle mögliche Seiten der praktischen Philosophie. Ein liberaler italienischer
Aristokrat und ein philosophischer Engländer besuchen ein Irrenhaus, in dem sie
die Bekanntschaft eines interessanten Wahnsinnigen machen, und theilen von dem¬
selben eine Menge Gefühlssra^mente mit; auf welcher realen Basis aber diese
Gefühle beruhen, erfahren wir nicht,,,denn/'sagt Julian,,,ich weiß es zwar, aber
ich will es der kalten Welt nicht mittheilen."



It is g, ^V0L ,,1vo Äesz) lor Wal'S," ^vbsn M
Is role al. onoo, vken homo 8M'pa3sinK LpirU,
v/hoso Nxln AÜoi-mock Ib" >porta arouncl it, Ilüvvos
'I'Iioss who i'venam bobincl nor svbs nur g-ro^us,
1'bez pÄSsionktv wmvN öl' a t-Iing'iug- bopo;
' Luk, pcüs ÜLSpaii- AM volck, Iran-iiMit^,
Nawre's vast t'ramo, tlo wob ok Kuman i.Kiugs,
LirlK "ita tke Frave, ars ne"t as tkex poro.
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ist: Alastor, oder der Geist der Einsamkeit (181ö), die Ge¬
schichte eines einsamen Dichters, der sich in der^Jugend in die Eingebungen seiner
Phantasie zurückzieht, und dann die orientalischen Ruinen besucht, um überall für
seine Melancholie neue Nahrung einzusaugen. Die Bilder, die er anschaut, sind
von einem geisterhaften Mondlicht beschienen, sie haben keine reale Bestimmtheit.
Die Ströme schimmern nur, die Berge werfen nur Schatten, sie leisten keinen
Widerstand, sie gehen gleichgiltig, wie im Traume, in die entgegengesetzten An¬
schauungen über. Der Dichter hegt eine warme Liebe zu einem Mädchen der
Wüste, aber im Augenblick des Entzückens versinkt er in Schlaf, und ergeht sich
nun ungebunden im Reich der absoluten Nacht, die durch das Licht seiner Ge¬
liebten träumerisch erhellt wird, bis auch dieses ausgeht, und die vollkommen
leere Welt sogar die Fähigkeit verliert, über ihren Verlust zu weinen.*)

Einen eigenthümlichen Reiz hat das Gedicht Rosa linde und Helene
(184 8). Dieser Reiz liegt keineswegs im Inhalt, der vielmehr als eine raffi-
nirte Sammlung von Greuel und Elend unsrem Gefühl widerstrebt; anch nicht
in der Composttiou, die ziemlich lose ist, sondern lediglich in der poetischen Stim¬
mung, die uus mit dem Gefühl einer unaussprechlichen Trauer durchdringt. Eben
so fern von klagenden: Pathos, wie von gegenstandsloser Empfindsamkeit, wird
uus das menschliche Elend mit einem stillen Schmerz dargestellt, dem wir es an¬
sehen, daß er gefühlt ist. Auch die Stimmung eines trüben Herbsttages, in der
die Seele sich mit schmerzlichem Brüten in sich selbst verse.ille, hat ihre Poesie.
Außerdem ist dieses Gedicht ziemlich frei von tendenziösen Abstractionen. Zwar steht
das Unheil, welches den guten Menschen zugefügt wird, immer in einem gewissen
Zusammenhang mit dem verhaßten religiösen und politischen Despotismus, aber
diese Tendenz drängt sich nicht vor; sie bildet nur den versteckten Stamm, der
den melancholisch gruppirten Blättern und Zweigen ihre Consistenz giebt..

Julian und Maddalo (1818) ist ein ziemlich prosaisches Gespräch über
alle mögliche Seiten der praktischen Philosophie. Ein liberaler italienischer
Aristokrat und ein philosophischer Engländer besuchen ein Irrenhaus, in dem sie
die Bekanntschaft eines interessanten Wahnsinnigen machen, und theilen von dem¬
selben eine Menge Gefühlssra^mente mit; auf welcher realen Basis aber diese
Gefühle beruhen, erfahren wir nicht,,,denn/'sagt Julian,,,ich weiß es zwar, aber
ich will es der kalten Welt nicht mittheilen."



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'I'Iioss who i'venam bobincl nor svbs nur g-ro^us,
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' Luk, pcüs ÜLSpaii- AM volck, Iran-iiMit^,
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[0181] ist: Alastor, oder der Geist der Einsamkeit (181ö), die Ge¬ schichte eines einsamen Dichters, der sich in der^Jugend in die Eingebungen seiner Phantasie zurückzieht, und dann die orientalischen Ruinen besucht, um überall für seine Melancholie neue Nahrung einzusaugen. Die Bilder, die er anschaut, sind von einem geisterhaften Mondlicht beschienen, sie haben keine reale Bestimmtheit. Die Ströme schimmern nur, die Berge werfen nur Schatten, sie leisten keinen Widerstand, sie gehen gleichgiltig, wie im Traume, in die entgegengesetzten An¬ schauungen über. Der Dichter hegt eine warme Liebe zu einem Mädchen der Wüste, aber im Augenblick des Entzückens versinkt er in Schlaf, und ergeht sich nun ungebunden im Reich der absoluten Nacht, die durch das Licht seiner Ge¬ liebten träumerisch erhellt wird, bis auch dieses ausgeht, und die vollkommen leere Welt sogar die Fähigkeit verliert, über ihren Verlust zu weinen.*) Einen eigenthümlichen Reiz hat das Gedicht Rosa linde und Helene (184 8). Dieser Reiz liegt keineswegs im Inhalt, der vielmehr als eine raffi- nirte Sammlung von Greuel und Elend unsrem Gefühl widerstrebt; anch nicht in der Composttiou, die ziemlich lose ist, sondern lediglich in der poetischen Stim¬ mung, die uus mit dem Gefühl einer unaussprechlichen Trauer durchdringt. Eben so fern von klagenden: Pathos, wie von gegenstandsloser Empfindsamkeit, wird uus das menschliche Elend mit einem stillen Schmerz dargestellt, dem wir es an¬ sehen, daß er gefühlt ist. Auch die Stimmung eines trüben Herbsttages, in der die Seele sich mit schmerzlichem Brüten in sich selbst verse.ille, hat ihre Poesie. Außerdem ist dieses Gedicht ziemlich frei von tendenziösen Abstractionen. Zwar steht das Unheil, welches den guten Menschen zugefügt wird, immer in einem gewissen Zusammenhang mit dem verhaßten religiösen und politischen Despotismus, aber diese Tendenz drängt sich nicht vor; sie bildet nur den versteckten Stamm, der den melancholisch gruppirten Blättern und Zweigen ihre Consistenz giebt.. Julian und Maddalo (1818) ist ein ziemlich prosaisches Gespräch über alle mögliche Seiten der praktischen Philosophie. Ein liberaler italienischer Aristokrat und ein philosophischer Engländer besuchen ein Irrenhaus, in dem sie die Bekanntschaft eines interessanten Wahnsinnigen machen, und theilen von dem¬ selben eine Menge Gefühlssra^mente mit; auf welcher realen Basis aber diese Gefühle beruhen, erfahren wir nicht,,,denn/'sagt Julian,,,ich weiß es zwar, aber ich will es der kalten Welt nicht mittheilen." It is g, ^V0L ,,1vo Äesz) lor Wal'S," ^vbsn M Is role al. onoo, vken homo 8M'pa3sinK LpirU, v/hoso Nxln AÜoi-mock Ib« >porta arouncl it, Ilüvvos 'I'Iioss who i'venam bobincl nor svbs nur g-ro^us, 1'bez pÄSsionktv wmvN öl' a t-Iing'iug- bopo; ' Luk, pcüs ÜLSpaii- AM volck, Iran-iiMit^, Nawre's vast t'ramo, tlo wob ok Kuman i.Kiugs, LirlK »ita tke Frave, ars ne»t as tkex poro. 22*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/181>, abgerufen am 22.07.2024.