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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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Winter, die Arbeiten, welche der Betrieb der Rindviehzucht mit sich brachte. Sie
waren leicht und in kurzer Zeit ausgeführt, und veranlaßten durchaus keine Ko¬
sten. Allein diese Einfachheit führte anch einen bedeutenden Uebelstand mit sich:
von !i bis K Milchkühen wurde nnr so viel Milch gewonnen, daß diese von drei
Personen zum Frühstück und Abendbrod ziemlich aufgezehrt wurde, und die Menge
des abgeschöpften Radins nicht hinreichend groß zur Bereitung von Butter war;
vielmehr mußten wir uns begnügen, den sauren Rahm als Ersatz für die fehlende
Butter mit Maisbrod zusammen zu genießen.

Noch weniger Mühe, als die Rindviehzucht, macht die Schweinezucht, da die
Schweine das ganze Jahr hindurch im Walde und in morastigen Prairien umher¬
laufen. Meist kommen die Samen, sobald sie geworfen haben, freiwillig zur Farm,
und nehmen es gern an, wenn entweder ihnen selbst, oder ihren Ferkeln, geschro-
tenes Maiskorn oder saure Milch vorgesetzt wird. Haben die Ferkel ein gewisses
Alter erreicht, so werden sie dnrch Schnitte und Locher in den Ohren gemarkt,
und sonst nach Maßgabe des Zweckes, den sie erfüllen sollen, behandelt, sodann
in die Prairie geschickt, und sich selbst überlassen. Die passenden Subjecte wer¬
den geschlachtet, und meist in der Form von Rauchfleisch verzehrt; ihr Speck,
obgleich nicht von ausgezeichneter Beschaffenheit, ist, wie schon oft erwähnt, ein
Hauptnahrungsmittel des texanischen Ansiedlers.

Eine eigenthümliche Art der Schweinezucht lernte ich einst im Staate Louisiana
in der Farm eines Amerikaners keinen.' Als ich daselbst eintrat, lag dicht am
Hause ein Thier ausgestreckt, das ich für einen Hund hielt; an dem Bauche
desselben lagen zwei kleine Thierchen, natürlich junge Hunde; als mich das Thier
gewahr wurde, erhob es sich --- es war sicherlich ein Hund -- und die beiden
Thierchen folgten, an den Zitzen des Hundes hängend; sie hatten die Form von
jungen Schweinen. Der Amerikaner sah meine Verwunderung, und erklärte mir
den Umstand: Eine achtungswerthe Sau hatte geworfen, und war kurz daraus
gestorben, auch mehrere Ferkel waren ihr nachgefolgt, zwei aber von ihnen blie¬
ben am Leben, und die Kinder 1>es Amerikaners hatten es versuchen wollen, sie
mit Milch und Schrot aufzufüttern. In derselben Zeit hatte ein Hund Junge
bekommen; letztere wurden ertränkt, und da der Hund das Bedürfniß von Kin¬
dern und die jungen Schweine das Bedürfniß einer Mutter fühlten, so kamen
sie sich zärtlich entgegen. Ich habe -nie wieder Gelegenheit gehabt, etwas über
die Entwickelung dieser Schweine zu hören, möchte aber gern wissen, ob diese
Art der Erziehung auf den Charakter der Ferkel einen Einfluß geäußert hat.

Wie alle Farmer, welche erst wenige Jahre in Texas angesiedelt sind, und
deren Vermögen nicht 4 bis 5000 Thlr. übersteigt, baute mein Schwager vor¬
zugsweise Maiskorn und süße Kartoffeln; denn diese beiden Feldfrüchte schützen
vor Hunger, und erfordern am wenigsten Erfahrung und das geringste Capital.
Maiskorn gedeiht ans jedem Boden, wenn er nicht allzu unfruchtbar ist. Dies


Grenzbowi. I. -I8ö2- 1 j-

Winter, die Arbeiten, welche der Betrieb der Rindviehzucht mit sich brachte. Sie
waren leicht und in kurzer Zeit ausgeführt, und veranlaßten durchaus keine Ko¬
sten. Allein diese Einfachheit führte anch einen bedeutenden Uebelstand mit sich:
von !i bis K Milchkühen wurde nnr so viel Milch gewonnen, daß diese von drei
Personen zum Frühstück und Abendbrod ziemlich aufgezehrt wurde, und die Menge
des abgeschöpften Radins nicht hinreichend groß zur Bereitung von Butter war;
vielmehr mußten wir uns begnügen, den sauren Rahm als Ersatz für die fehlende
Butter mit Maisbrod zusammen zu genießen.

Noch weniger Mühe, als die Rindviehzucht, macht die Schweinezucht, da die
Schweine das ganze Jahr hindurch im Walde und in morastigen Prairien umher¬
laufen. Meist kommen die Samen, sobald sie geworfen haben, freiwillig zur Farm,
und nehmen es gern an, wenn entweder ihnen selbst, oder ihren Ferkeln, geschro-
tenes Maiskorn oder saure Milch vorgesetzt wird. Haben die Ferkel ein gewisses
Alter erreicht, so werden sie dnrch Schnitte und Locher in den Ohren gemarkt,
und sonst nach Maßgabe des Zweckes, den sie erfüllen sollen, behandelt, sodann
in die Prairie geschickt, und sich selbst überlassen. Die passenden Subjecte wer¬
den geschlachtet, und meist in der Form von Rauchfleisch verzehrt; ihr Speck,
obgleich nicht von ausgezeichneter Beschaffenheit, ist, wie schon oft erwähnt, ein
Hauptnahrungsmittel des texanischen Ansiedlers.

Eine eigenthümliche Art der Schweinezucht lernte ich einst im Staate Louisiana
in der Farm eines Amerikaners keinen.' Als ich daselbst eintrat, lag dicht am
Hause ein Thier ausgestreckt, das ich für einen Hund hielt; an dem Bauche
desselben lagen zwei kleine Thierchen, natürlich junge Hunde; als mich das Thier
gewahr wurde, erhob es sich —- es war sicherlich ein Hund — und die beiden
Thierchen folgten, an den Zitzen des Hundes hängend; sie hatten die Form von
jungen Schweinen. Der Amerikaner sah meine Verwunderung, und erklärte mir
den Umstand: Eine achtungswerthe Sau hatte geworfen, und war kurz daraus
gestorben, auch mehrere Ferkel waren ihr nachgefolgt, zwei aber von ihnen blie¬
ben am Leben, und die Kinder 1>es Amerikaners hatten es versuchen wollen, sie
mit Milch und Schrot aufzufüttern. In derselben Zeit hatte ein Hund Junge
bekommen; letztere wurden ertränkt, und da der Hund das Bedürfniß von Kin¬
dern und die jungen Schweine das Bedürfniß einer Mutter fühlten, so kamen
sie sich zärtlich entgegen. Ich habe -nie wieder Gelegenheit gehabt, etwas über
die Entwickelung dieser Schweine zu hören, möchte aber gern wissen, ob diese
Art der Erziehung auf den Charakter der Ferkel einen Einfluß geäußert hat.

Wie alle Farmer, welche erst wenige Jahre in Texas angesiedelt sind, und
deren Vermögen nicht 4 bis 5000 Thlr. übersteigt, baute mein Schwager vor¬
zugsweise Maiskorn und süße Kartoffeln; denn diese beiden Feldfrüchte schützen
vor Hunger, und erfordern am wenigsten Erfahrung und das geringste Capital.
Maiskorn gedeiht ans jedem Boden, wenn er nicht allzu unfruchtbar ist. Dies


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/115>, abgerufen am 22.07.2024.