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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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von beide" Seiten kamen sie dumpf brummend in langsamem Schritt einander
entgegen. Sobald sie einander ansichtig wurden, machten sie Halt, wühlten die
Erde auf, warfen sie hoch in die Lüste und gingen dann langsam weiter vor, um
nach fünf Minuten eine neue Höhlung zu wühlen. Jetzt standen sie in geringer
Entfernung einander gegenüber: einer von thuen mußte sicherlich auf dem Kampf¬
platze bleiben; mit aller Gewalt nahmen sie einen Anlauf, hielten plötzlich an,
wenn man aber glaubte, eine Stirn würde mitten aus einander springen, und das
Gehirn würde in weitem Umkreise das Gras beflecken, schlugen sanft und ruhig
die Hörner rechts und links an einander, parirten geschickt Stiche und Schläge,
zogen sich wiederum zurück, begannen abermals das Höruergefecht und -- zuletzt
ging einer von ihnen ruhig weiter, währeud der audere sich in der Herde von
Kühen und Ochsen verlor, gemüthlich grasend, und mit ihm grasten in-holder
Gemeinschaft die Herren und Damen. Das waren meine Stiergefechte auf der
weiten Prairie, ohne Schranken und hohe Balcone, und ohne die teuflische Da¬
zwischenruft der Menschen.

Wenn der Abend eine Viehherde überrascht, ehe sie sich in der dichten
Nachbarschaft ihrer Per befindet, so treten die Thiere, ohne auf das üppig wu¬
chernde Gras zu achten, ihren Rückweg an, indem jedes Rind in die Fußstapfen
des vorhergehenden tritt, und führen so den Gänsemarsch ans auf einem Wege,
den sie sich durch Beobachtung alter Sitten selbst gebahnt haben. Meist gingen
sie, unter Anführung der Mutterkühe, welche durch die Sehnsucht nach ihren
Kindern zur Eile angetrieben wurden, freiwillig in die Per; bisweilen jedoch zö¬
gerten sie, und, hatten durchaus keine Lust, wenn wir, meine Schwester und ich,
gerade Lust und Zeit hatten, in ihre Versammlung einzutreten. Dann war es
mein Geschäft, sie zu holen. In Begleitung zweier Hunde, die aber zu diesem
Zwecke schlecht geung abgerichtet waren, suchte ich ihnen in den Rücken zu kom¬
men, und trieb nun vorwärts nach der Farm zu; meist liefen sie sogleich in die
Per hinein, oft jedoch eilten sie vorbei, und ich hatte dann das Vergnügen, die
Jagd von der andern Seite zu beginnen; einige Schelme von Ochsen gingen
anch wol ruhig nach der Gale, tanzten aber dann vor derselben mit Bockssprün¬
gen herum, oder stellten sich quer davor, so daß den nachfolgenden der Eintritt
verweigert ward. Zuletzt aber gelang es doch stets, eine zahlreiche Versammlung
in der Per zu vereinigen; die Mutterkühe wurden einzeln in die Kälberpen einge¬
lassen; zuerst wurden sie gemolken, dann von ihren Kindern noch vollständig aller Last
entledigt; darauf wurden die unteren Riegel der Gale geöffnet, und nachdem die
Kälber herausgetrieben waren, wieder eingelegt. Während die Kälber die Nacht
im Freien zubrachten, schliefen die Kühe und Ochsen in der verschlossenen Peu.
Den folgenden Morgen, kurz uach Sonnenaufgang, standen die Kälber vor der.
Gale, und warteten sehnsüchtig auf den Augenblick, wo sie eingelassen würden.
In dieser Weise wiederholten sich jeden Morgen und jeden Abend, Sommer und


von beide» Seiten kamen sie dumpf brummend in langsamem Schritt einander
entgegen. Sobald sie einander ansichtig wurden, machten sie Halt, wühlten die
Erde auf, warfen sie hoch in die Lüste und gingen dann langsam weiter vor, um
nach fünf Minuten eine neue Höhlung zu wühlen. Jetzt standen sie in geringer
Entfernung einander gegenüber: einer von thuen mußte sicherlich auf dem Kampf¬
platze bleiben; mit aller Gewalt nahmen sie einen Anlauf, hielten plötzlich an,
wenn man aber glaubte, eine Stirn würde mitten aus einander springen, und das
Gehirn würde in weitem Umkreise das Gras beflecken, schlugen sanft und ruhig
die Hörner rechts und links an einander, parirten geschickt Stiche und Schläge,
zogen sich wiederum zurück, begannen abermals das Höruergefecht und — zuletzt
ging einer von ihnen ruhig weiter, währeud der audere sich in der Herde von
Kühen und Ochsen verlor, gemüthlich grasend, und mit ihm grasten in-holder
Gemeinschaft die Herren und Damen. Das waren meine Stiergefechte auf der
weiten Prairie, ohne Schranken und hohe Balcone, und ohne die teuflische Da¬
zwischenruft der Menschen.

Wenn der Abend eine Viehherde überrascht, ehe sie sich in der dichten
Nachbarschaft ihrer Per befindet, so treten die Thiere, ohne auf das üppig wu¬
chernde Gras zu achten, ihren Rückweg an, indem jedes Rind in die Fußstapfen
des vorhergehenden tritt, und führen so den Gänsemarsch ans auf einem Wege,
den sie sich durch Beobachtung alter Sitten selbst gebahnt haben. Meist gingen
sie, unter Anführung der Mutterkühe, welche durch die Sehnsucht nach ihren
Kindern zur Eile angetrieben wurden, freiwillig in die Per; bisweilen jedoch zö¬
gerten sie, und, hatten durchaus keine Lust, wenn wir, meine Schwester und ich,
gerade Lust und Zeit hatten, in ihre Versammlung einzutreten. Dann war es
mein Geschäft, sie zu holen. In Begleitung zweier Hunde, die aber zu diesem
Zwecke schlecht geung abgerichtet waren, suchte ich ihnen in den Rücken zu kom¬
men, und trieb nun vorwärts nach der Farm zu; meist liefen sie sogleich in die
Per hinein, oft jedoch eilten sie vorbei, und ich hatte dann das Vergnügen, die
Jagd von der andern Seite zu beginnen; einige Schelme von Ochsen gingen
anch wol ruhig nach der Gale, tanzten aber dann vor derselben mit Bockssprün¬
gen herum, oder stellten sich quer davor, so daß den nachfolgenden der Eintritt
verweigert ward. Zuletzt aber gelang es doch stets, eine zahlreiche Versammlung
in der Per zu vereinigen; die Mutterkühe wurden einzeln in die Kälberpen einge¬
lassen; zuerst wurden sie gemolken, dann von ihren Kindern noch vollständig aller Last
entledigt; darauf wurden die unteren Riegel der Gale geöffnet, und nachdem die
Kälber herausgetrieben waren, wieder eingelegt. Während die Kälber die Nacht
im Freien zubrachten, schliefen die Kühe und Ochsen in der verschlossenen Peu.
Den folgenden Morgen, kurz uach Sonnenaufgang, standen die Kälber vor der.
Gale, und warteten sehnsüchtig auf den Augenblick, wo sie eingelassen würden.
In dieser Weise wiederholten sich jeden Morgen und jeden Abend, Sommer und


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[0114] von beide» Seiten kamen sie dumpf brummend in langsamem Schritt einander entgegen. Sobald sie einander ansichtig wurden, machten sie Halt, wühlten die Erde auf, warfen sie hoch in die Lüste und gingen dann langsam weiter vor, um nach fünf Minuten eine neue Höhlung zu wühlen. Jetzt standen sie in geringer Entfernung einander gegenüber: einer von thuen mußte sicherlich auf dem Kampf¬ platze bleiben; mit aller Gewalt nahmen sie einen Anlauf, hielten plötzlich an, wenn man aber glaubte, eine Stirn würde mitten aus einander springen, und das Gehirn würde in weitem Umkreise das Gras beflecken, schlugen sanft und ruhig die Hörner rechts und links an einander, parirten geschickt Stiche und Schläge, zogen sich wiederum zurück, begannen abermals das Höruergefecht und — zuletzt ging einer von ihnen ruhig weiter, währeud der audere sich in der Herde von Kühen und Ochsen verlor, gemüthlich grasend, und mit ihm grasten in-holder Gemeinschaft die Herren und Damen. Das waren meine Stiergefechte auf der weiten Prairie, ohne Schranken und hohe Balcone, und ohne die teuflische Da¬ zwischenruft der Menschen. Wenn der Abend eine Viehherde überrascht, ehe sie sich in der dichten Nachbarschaft ihrer Per befindet, so treten die Thiere, ohne auf das üppig wu¬ chernde Gras zu achten, ihren Rückweg an, indem jedes Rind in die Fußstapfen des vorhergehenden tritt, und führen so den Gänsemarsch ans auf einem Wege, den sie sich durch Beobachtung alter Sitten selbst gebahnt haben. Meist gingen sie, unter Anführung der Mutterkühe, welche durch die Sehnsucht nach ihren Kindern zur Eile angetrieben wurden, freiwillig in die Per; bisweilen jedoch zö¬ gerten sie, und, hatten durchaus keine Lust, wenn wir, meine Schwester und ich, gerade Lust und Zeit hatten, in ihre Versammlung einzutreten. Dann war es mein Geschäft, sie zu holen. In Begleitung zweier Hunde, die aber zu diesem Zwecke schlecht geung abgerichtet waren, suchte ich ihnen in den Rücken zu kom¬ men, und trieb nun vorwärts nach der Farm zu; meist liefen sie sogleich in die Per hinein, oft jedoch eilten sie vorbei, und ich hatte dann das Vergnügen, die Jagd von der andern Seite zu beginnen; einige Schelme von Ochsen gingen anch wol ruhig nach der Gale, tanzten aber dann vor derselben mit Bockssprün¬ gen herum, oder stellten sich quer davor, so daß den nachfolgenden der Eintritt verweigert ward. Zuletzt aber gelang es doch stets, eine zahlreiche Versammlung in der Per zu vereinigen; die Mutterkühe wurden einzeln in die Kälberpen einge¬ lassen; zuerst wurden sie gemolken, dann von ihren Kindern noch vollständig aller Last entledigt; darauf wurden die unteren Riegel der Gale geöffnet, und nachdem die Kälber herausgetrieben waren, wieder eingelegt. Während die Kälber die Nacht im Freien zubrachten, schliefen die Kühe und Ochsen in der verschlossenen Peu. Den folgenden Morgen, kurz uach Sonnenaufgang, standen die Kälber vor der. Gale, und warteten sehnsüchtig auf den Augenblick, wo sie eingelassen würden. In dieser Weise wiederholten sich jeden Morgen und jeden Abend, Sommer und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/114>, abgerufen am 22.07.2024.