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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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natürlich sehr ungleich. -- Eine Zeitung, deren Untergang wir beklagen, ist die
Abendpost; sie hat zwar oft genug mit den wunderlichsten Paradoxien gespielt,
aber im Ganzen genommen ging sie von einem einheitlichen nud relativ berech¬
tigten Princip ans. ---

Die reactionäre Partei besteht in der Presse ans dreierlei Bestandtheilen.
Einmal aus den Doctrinärs der Reaction, die in der Welt weiter nichts sehen,
als deu unfruchtbaren Gegensatz von Revolution und Reaction, die also wesentlich
keine andere Aufgabe haben, als ihre Versicherungen mit immer gesteigerter Hitze
zu wiederholen. Es sind vor allem: die Neue Preußische Zeitung, die
Freimüthige Sachsenzeitnng, der norddeutsche Correspondent und
die (ultramontane) Deutsche Volks Halle. -- Ueber die Nnndschauer und
Zuschauer dieser Blätter, d. h. über die theologischen Leiter und über den Vigilanten
haben wir uns bereits hinlänglich ausgesprochen. Aber ans einen Punkt ist man
noch zu wenig aufmerksam gewesen: daß sich, namentlich in der Kreuzzeitung, zwei
wesentlich verschiedene Ansichten durchkreuzen. Die eine (vertreten durch den
Nnndschauer) ist die Reaction ä Wut prix, Reaction allenfalls bis zu Gregor
VII. zurück, um nur den Liberalismus zu argem. -- Die andere hat in der That,
nicht blos dem Namen nach, eine schwarzweiße Färbung, sie wird mit ihren
norddentsch-hannövrisch-englischen Sympathien zunächst dem Project der mercan-
tilen Vereinigung Deutschlands unter östreichischen Principal sehr entschieden
widersprechen, und sie wird auch von der Forderung ihrer mitteldeutschen Verbün¬
deten, die Executivgewalt ausschließlich an Oestreich zu übertragen, nicht beson¬
ders erbaut sein. Wenn diese Fraction fiel, auf eigne Füße stellt, so kann sie
ein lebensfähiger Factor im preußischen Staatsleben werden.

Der zweite Bestandtheil sind die östreichischen mehr oder minder officiellen
oder officiösen Blätter. Einen Ueberfluß an Doctrin kann man ihnen nicht
vorwerfen, dagegen ist ihre Haltung einheitlicher, denn sie haben den großen
Vorzug, daß ihr Patriotismus mit ihrem Parteiftandpnnkt zusammenfällt. -- Auch
bei ihnen werden die materiellen Fragen in nicht zu langer Zeit eine Scheidung
herbeiführen; der ultra-conservative Lloyd hat schon einige Male eine sehr ent¬
schiedene Opposition gegen das herrschende Finanzsystem gemacht, und bei einer
etwas ruhigen Ueberlegung wird eS sich zeigen, daß weder die Hegemonie
über Deutschland mit den davon unzertrennlichen Kosten des Militärs noch eine
irrationelle Handelsvereinignng in die Dämmerung der östreichischen Geldverhältnisse
einiges Licht zu werfen geeignet sein dürften.

Von der mitteldeutschen Presse, die gegen uns ist, inclusive der kleinen
Regierungs - Organe, sind eigentlich nnr zwei bedeutende Blätter zu erwähnen:
die Augsburger Allgemeine und die Frankfurter Oberpostamts-
zeitung. Die erste, deren sehr bedeutende zum Theil glänzende Kräfte ihr
früher unbestritten den ersten Rang unter den deutschen Journalen verschafften,


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natürlich sehr ungleich. — Eine Zeitung, deren Untergang wir beklagen, ist die
Abendpost; sie hat zwar oft genug mit den wunderlichsten Paradoxien gespielt,
aber im Ganzen genommen ging sie von einem einheitlichen nud relativ berech¬
tigten Princip ans. —-

Die reactionäre Partei besteht in der Presse ans dreierlei Bestandtheilen.
Einmal aus den Doctrinärs der Reaction, die in der Welt weiter nichts sehen,
als deu unfruchtbaren Gegensatz von Revolution und Reaction, die also wesentlich
keine andere Aufgabe haben, als ihre Versicherungen mit immer gesteigerter Hitze
zu wiederholen. Es sind vor allem: die Neue Preußische Zeitung, die
Freimüthige Sachsenzeitnng, der norddeutsche Correspondent und
die (ultramontane) Deutsche Volks Halle. — Ueber die Nnndschauer und
Zuschauer dieser Blätter, d. h. über die theologischen Leiter und über den Vigilanten
haben wir uns bereits hinlänglich ausgesprochen. Aber ans einen Punkt ist man
noch zu wenig aufmerksam gewesen: daß sich, namentlich in der Kreuzzeitung, zwei
wesentlich verschiedene Ansichten durchkreuzen. Die eine (vertreten durch den
Nnndschauer) ist die Reaction ä Wut prix, Reaction allenfalls bis zu Gregor
VII. zurück, um nur den Liberalismus zu argem. — Die andere hat in der That,
nicht blos dem Namen nach, eine schwarzweiße Färbung, sie wird mit ihren
norddentsch-hannövrisch-englischen Sympathien zunächst dem Project der mercan-
tilen Vereinigung Deutschlands unter östreichischen Principal sehr entschieden
widersprechen, und sie wird auch von der Forderung ihrer mitteldeutschen Verbün¬
deten, die Executivgewalt ausschließlich an Oestreich zu übertragen, nicht beson¬
ders erbaut sein. Wenn diese Fraction fiel, auf eigne Füße stellt, so kann sie
ein lebensfähiger Factor im preußischen Staatsleben werden.

Der zweite Bestandtheil sind die östreichischen mehr oder minder officiellen
oder officiösen Blätter. Einen Ueberfluß an Doctrin kann man ihnen nicht
vorwerfen, dagegen ist ihre Haltung einheitlicher, denn sie haben den großen
Vorzug, daß ihr Patriotismus mit ihrem Parteiftandpnnkt zusammenfällt. — Auch
bei ihnen werden die materiellen Fragen in nicht zu langer Zeit eine Scheidung
herbeiführen; der ultra-conservative Lloyd hat schon einige Male eine sehr ent¬
schiedene Opposition gegen das herrschende Finanzsystem gemacht, und bei einer
etwas ruhigen Ueberlegung wird eS sich zeigen, daß weder die Hegemonie
über Deutschland mit den davon unzertrennlichen Kosten des Militärs noch eine
irrationelle Handelsvereinignng in die Dämmerung der östreichischen Geldverhältnisse
einiges Licht zu werfen geeignet sein dürften.

Von der mitteldeutschen Presse, die gegen uns ist, inclusive der kleinen
Regierungs - Organe, sind eigentlich nnr zwei bedeutende Blätter zu erwähnen:
die Augsburger Allgemeine und die Frankfurter Oberpostamts-
zeitung. Die erste, deren sehr bedeutende zum Theil glänzende Kräfte ihr
früher unbestritten den ersten Rang unter den deutschen Journalen verschafften,


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[0087] natürlich sehr ungleich. — Eine Zeitung, deren Untergang wir beklagen, ist die Abendpost; sie hat zwar oft genug mit den wunderlichsten Paradoxien gespielt, aber im Ganzen genommen ging sie von einem einheitlichen nud relativ berech¬ tigten Princip ans. —- Die reactionäre Partei besteht in der Presse ans dreierlei Bestandtheilen. Einmal aus den Doctrinärs der Reaction, die in der Welt weiter nichts sehen, als deu unfruchtbaren Gegensatz von Revolution und Reaction, die also wesentlich keine andere Aufgabe haben, als ihre Versicherungen mit immer gesteigerter Hitze zu wiederholen. Es sind vor allem: die Neue Preußische Zeitung, die Freimüthige Sachsenzeitnng, der norddeutsche Correspondent und die (ultramontane) Deutsche Volks Halle. — Ueber die Nnndschauer und Zuschauer dieser Blätter, d. h. über die theologischen Leiter und über den Vigilanten haben wir uns bereits hinlänglich ausgesprochen. Aber ans einen Punkt ist man noch zu wenig aufmerksam gewesen: daß sich, namentlich in der Kreuzzeitung, zwei wesentlich verschiedene Ansichten durchkreuzen. Die eine (vertreten durch den Nnndschauer) ist die Reaction ä Wut prix, Reaction allenfalls bis zu Gregor VII. zurück, um nur den Liberalismus zu argem. — Die andere hat in der That, nicht blos dem Namen nach, eine schwarzweiße Färbung, sie wird mit ihren norddentsch-hannövrisch-englischen Sympathien zunächst dem Project der mercan- tilen Vereinigung Deutschlands unter östreichischen Principal sehr entschieden widersprechen, und sie wird auch von der Forderung ihrer mitteldeutschen Verbün¬ deten, die Executivgewalt ausschließlich an Oestreich zu übertragen, nicht beson¬ ders erbaut sein. Wenn diese Fraction fiel, auf eigne Füße stellt, so kann sie ein lebensfähiger Factor im preußischen Staatsleben werden. Der zweite Bestandtheil sind die östreichischen mehr oder minder officiellen oder officiösen Blätter. Einen Ueberfluß an Doctrin kann man ihnen nicht vorwerfen, dagegen ist ihre Haltung einheitlicher, denn sie haben den großen Vorzug, daß ihr Patriotismus mit ihrem Parteiftandpnnkt zusammenfällt. — Auch bei ihnen werden die materiellen Fragen in nicht zu langer Zeit eine Scheidung herbeiführen; der ultra-conservative Lloyd hat schon einige Male eine sehr ent¬ schiedene Opposition gegen das herrschende Finanzsystem gemacht, und bei einer etwas ruhigen Ueberlegung wird eS sich zeigen, daß weder die Hegemonie über Deutschland mit den davon unzertrennlichen Kosten des Militärs noch eine irrationelle Handelsvereinignng in die Dämmerung der östreichischen Geldverhältnisse einiges Licht zu werfen geeignet sein dürften. Von der mitteldeutschen Presse, die gegen uns ist, inclusive der kleinen Regierungs - Organe, sind eigentlich nnr zwei bedeutende Blätter zu erwähnen: die Augsburger Allgemeine und die Frankfurter Oberpostamts- zeitung. Die erste, deren sehr bedeutende zum Theil glänzende Kräfte ihr früher unbestritten den ersten Rang unter den deutschen Journalen verschafften, 10 *

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/87>, abgerufen am 24.07.2024.