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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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Blatt in seiner neuesten Wendung mit den Principien der Kreuzzeitung iden-
tificirt hat, ist es eigentlich überflüssig geworden; doch vielleicht erfolgt noch eine
neuste Wendung, vielleicht geht es noch über sie hinaus, oder eS wird auch wieder
liberal. Zu berechnen ist uuter solchen Umständen nichts.

Noch weniger ist etwas bei der Deutschen Allgemeinen zu berechnen.
Die D. Res. bezieht sich doch immer aus ein bestimmtes Subject, bei der D. A.
fehlt auch dieses. Erst war das Blatt liberal, dann (uuter Julius) ultraradical;
dann (uuter Butan) ultracouservativ, mit sehr wechselnder Stimmung gegen das
preußische Cabinet; so conservativ, daß selbst die Landtags-Opposition als ein
Hause radicaler Schwindler verhöhnt wurde; mit der Revolution wurde es erst
leidlich radical, dann östreichisch; uoch das vorige Jahr eröffnete es mit einem
großdeutscheu Programm, wurde aber uach einigen Wochen kleindentsch, har diese
Farbe das Jahr hindurch treu getragen, und der guten Sache die wesentlichsten
Dienste geleistet. Jetzt ist es mitteldeutsch geworden. Es meint, eine Vergrößerung
Preußens würden die auswärtigen Mächte doch uicht zugeben, also solle man lieber
die Mittelstaaten vergrößern; dem würde sich höchstens Preußen widersetzen (höch¬
stens Preußen!! hören Sie eS, Herr v. Manteuffel?), Preisen sei ohnehin gerade
groß genng. Darin irrt die D. A. Preußen ist entweder zu klein oder zu groß;
es enthält entweder den Hoffuuugökeim für Deutschlands Entwickelung oder den
Keim seines Berderbeus; mau muß ihm entweder die Hegemonie geben oder es
theilen und es mediatisiren. Was die letztere Eventualität betrifft, so würde daun
doch die preußische Landwehr ein Wörtchen mitzusprechen haben. -- Außerdem
meint die D. A., eine Art Vertretung beim Bundestag wäre gut, nur um die Öf¬
fentlichkeit der Buudestagsverhaudluugeu zu erhalten. -- Wie gutmüthig! -- Wenn
der Bundestag einig ist, wird er sich hüten, den neugierigen Volksvertretern die
Thür zu öffnen; ist er aber uicht einig, so braucht's der Volksvertreter uicht, um
hinter seiue Geheimnisse zu kommen.

Im Uebrigen sieht unsere Presse uoch stattlich genug aus; die Coustitu-
tionelle Zeitung, obgleich ihr leider die ebenso geistvolle als entschiedene
Redaction durch einen Gewaltstreich entzogen ist; die Reichs-Zeitung, die
Weser-Zeitung (die auch vom Standpunkt der mercantilen Interessen uuter der
neuen, tüchtigen Redaction Veranlassung haben wird, gegen das großdeulsche
Schntzzollsystem in die Schränken zu treten); die Kölnische und die Breslauer,
bilden eine Phalaux, die sich wohl mit jeder andern Partei wird messen können.
Dazu ist uoch -- außer einigen kleindentschen, anßerpreußischen Provinzial-
blättern, so ziemlich die gescumute preußische Presse zu rechnen, so weit sie uicht
doctrinär-östreichisch, oder pessimistisch-demokratisch ist, also namentlich die Schle¬
sische, die Sy euer'sche und die Vossische, obgleich diese Blätter, aus localen
Gründen, nicht ganz mit unsrer Partei gehen konnten. --

Wir wenden uns jetzt zur demokratischen Presse. Sie hat eine Menge


Grenzboten^I. !8S1. 10

Blatt in seiner neuesten Wendung mit den Principien der Kreuzzeitung iden-
tificirt hat, ist es eigentlich überflüssig geworden; doch vielleicht erfolgt noch eine
neuste Wendung, vielleicht geht es noch über sie hinaus, oder eS wird auch wieder
liberal. Zu berechnen ist uuter solchen Umständen nichts.

Noch weniger ist etwas bei der Deutschen Allgemeinen zu berechnen.
Die D. Res. bezieht sich doch immer aus ein bestimmtes Subject, bei der D. A.
fehlt auch dieses. Erst war das Blatt liberal, dann (uuter Julius) ultraradical;
dann (uuter Butan) ultracouservativ, mit sehr wechselnder Stimmung gegen das
preußische Cabinet; so conservativ, daß selbst die Landtags-Opposition als ein
Hause radicaler Schwindler verhöhnt wurde; mit der Revolution wurde es erst
leidlich radical, dann östreichisch; uoch das vorige Jahr eröffnete es mit einem
großdeutscheu Programm, wurde aber uach einigen Wochen kleindentsch, har diese
Farbe das Jahr hindurch treu getragen, und der guten Sache die wesentlichsten
Dienste geleistet. Jetzt ist es mitteldeutsch geworden. Es meint, eine Vergrößerung
Preußens würden die auswärtigen Mächte doch uicht zugeben, also solle man lieber
die Mittelstaaten vergrößern; dem würde sich höchstens Preußen widersetzen (höch¬
stens Preußen!! hören Sie eS, Herr v. Manteuffel?), Preisen sei ohnehin gerade
groß genng. Darin irrt die D. A. Preußen ist entweder zu klein oder zu groß;
es enthält entweder den Hoffuuugökeim für Deutschlands Entwickelung oder den
Keim seines Berderbeus; mau muß ihm entweder die Hegemonie geben oder es
theilen und es mediatisiren. Was die letztere Eventualität betrifft, so würde daun
doch die preußische Landwehr ein Wörtchen mitzusprechen haben. — Außerdem
meint die D. A., eine Art Vertretung beim Bundestag wäre gut, nur um die Öf¬
fentlichkeit der Buudestagsverhaudluugeu zu erhalten. — Wie gutmüthig! — Wenn
der Bundestag einig ist, wird er sich hüten, den neugierigen Volksvertretern die
Thür zu öffnen; ist er aber uicht einig, so braucht's der Volksvertreter uicht, um
hinter seiue Geheimnisse zu kommen.

Im Uebrigen sieht unsere Presse uoch stattlich genug aus; die Coustitu-
tionelle Zeitung, obgleich ihr leider die ebenso geistvolle als entschiedene
Redaction durch einen Gewaltstreich entzogen ist; die Reichs-Zeitung, die
Weser-Zeitung (die auch vom Standpunkt der mercantilen Interessen uuter der
neuen, tüchtigen Redaction Veranlassung haben wird, gegen das großdeulsche
Schntzzollsystem in die Schränken zu treten); die Kölnische und die Breslauer,
bilden eine Phalaux, die sich wohl mit jeder andern Partei wird messen können.
Dazu ist uoch — außer einigen kleindentschen, anßerpreußischen Provinzial-
blättern, so ziemlich die gescumute preußische Presse zu rechnen, so weit sie uicht
doctrinär-östreichisch, oder pessimistisch-demokratisch ist, also namentlich die Schle¬
sische, die Sy euer'sche und die Vossische, obgleich diese Blätter, aus localen
Gründen, nicht ganz mit unsrer Partei gehen konnten. —

Wir wenden uns jetzt zur demokratischen Presse. Sie hat eine Menge


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/85>, abgerufen am 24.07.2024.