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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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durch die Schlauheit des Fürsten Schwarzenberg entdeckt wurde, wenigstens von
Rußland vollständig erkannt worden sind -- nein, wir haben die Gewandtheit der
kaiserlichen Regierung in Benutzung der deutschen Sprache und in feinem Gebrauch
der Feder zuweilen angezweifelt. Alle diese Vorwürfe nehmen wir feierlich zurück,
sie siud ungerecht, siud veraltet! Welch kühnes Spiel mit unerhörten Wörtern sich
auch die östreichische Bureaukratie fortan erlauben möge, wir werden es achten;
selbst in den schriftlichen Lebensäußerungen des Gouverneur und'Vater Melden soll
dies Blatt fortan ohne Verwunderung neue Satzverbindungen und außeror¬
dentliche Wendungen respectiren, obgleich der würdige Herr uns in schrift¬
stellerischen Schmerz verboten hat, weil wir den Stil seiner Proclamationen nicht
loben konnten. Ein norddeutsches Blatt hat nicht mehr das Recht, gegen süd¬
deutsche Uusauberkeiten des Ausdrucks Front zu macheu, seit das kaiserliche
Ministerium! eine so vortreffliche Stilübung der Oeffentlichkeit anvertraut hat,
wie das berühmte Schreiben an die östreichischen Gesandtschaften im Auslande
über Preußens Demüthigung, und seit die officielle Wiener Zeitung die indiscrete
Veröffentlichung dieses vertraulichen Schreibens auf eine so feine Weise bedauert
hat. Wahrlich, es ist in unsrer Zeit keinem diplomatischen Schriftstück gelungen
einen Geguer so gründlich in der öffentlichen Meinung zu erniedrigen, und so
geschickt den Fußtritt, welchen man ihm versetzt, zur eigenen Erhebung zu benutzen,
als diesem. So gewandt und ruhig die Sprache, so kalt und tödtend die Perfidie!
Und als das -- nicht zu bezeichnende -- Benehmen der preußischen Regierung,
welches mit aristokratischem Lächeln den Augen der Welt zu rechter Stunde bloß
gelegt war, überall Staunen und Bestürzung erregte, als sogar die Aechtheit des
Documents bezweifelt wurde, weil mau in Deutschland selbst dieser Regierung
eine so unerhörte Begierde uach Demüthigungen nicht zutraute; und als diese
Regierung sich selbst schämte, das besprochen zu sehen, was sie zu thun nicht
gescheut hatte, wie liebenswürdig und gleichgültig wurde da in den instruirten
Wiener Blättern durch eine neue Erklärung die Aechtheit der beleidigenden Schrift
außer allem Zweifel gestellt und mit welch schlauem Lächeln wurde die unbe¬
greifliche Publication desavouirt! Ja man weiß jetzt in Wien, wozu die Sprache
dem gebildeten Menschen gegeben ist! Jene publicirte vertrauliche Mittheilung
aber ist in neuer Form das uralte Kunststück der Habsburger, deu besiegten Gegner
in der Meinen.ig der Welt zu vernichten. . Als vor W0 Jahren der erste Habsburger
die Zellwände heimlich öffnen ließ, damit die ganze Welt den Böhmen Ottokar vor
ihm ans den Knien erblicke, da kam das Kunststück in die Familie. Seitdem haben
sich die Zeiten freilich gebessert, denn jener König Ottokar, der damals den Angen
Deutschlands in seiner Blöße gezeigt wurde, war nach der Meinung von Deutsch¬
land in der That ein aufsätziger Vasall und seine Demüthigung ein Recht seines
kaiserlichen Herrn; die Königskrone aber, um welche nach der neuen vertraulichen
Mittheilung im Zelt zu Olmütz das Knie gebeugt wurde, war bis jetzt die Krone


durch die Schlauheit des Fürsten Schwarzenberg entdeckt wurde, wenigstens von
Rußland vollständig erkannt worden sind — nein, wir haben die Gewandtheit der
kaiserlichen Regierung in Benutzung der deutschen Sprache und in feinem Gebrauch
der Feder zuweilen angezweifelt. Alle diese Vorwürfe nehmen wir feierlich zurück,
sie siud ungerecht, siud veraltet! Welch kühnes Spiel mit unerhörten Wörtern sich
auch die östreichische Bureaukratie fortan erlauben möge, wir werden es achten;
selbst in den schriftlichen Lebensäußerungen des Gouverneur und'Vater Melden soll
dies Blatt fortan ohne Verwunderung neue Satzverbindungen und außeror¬
dentliche Wendungen respectiren, obgleich der würdige Herr uns in schrift¬
stellerischen Schmerz verboten hat, weil wir den Stil seiner Proclamationen nicht
loben konnten. Ein norddeutsches Blatt hat nicht mehr das Recht, gegen süd¬
deutsche Uusauberkeiten des Ausdrucks Front zu macheu, seit das kaiserliche
Ministerium! eine so vortreffliche Stilübung der Oeffentlichkeit anvertraut hat,
wie das berühmte Schreiben an die östreichischen Gesandtschaften im Auslande
über Preußens Demüthigung, und seit die officielle Wiener Zeitung die indiscrete
Veröffentlichung dieses vertraulichen Schreibens auf eine so feine Weise bedauert
hat. Wahrlich, es ist in unsrer Zeit keinem diplomatischen Schriftstück gelungen
einen Geguer so gründlich in der öffentlichen Meinung zu erniedrigen, und so
geschickt den Fußtritt, welchen man ihm versetzt, zur eigenen Erhebung zu benutzen,
als diesem. So gewandt und ruhig die Sprache, so kalt und tödtend die Perfidie!
Und als das — nicht zu bezeichnende — Benehmen der preußischen Regierung,
welches mit aristokratischem Lächeln den Augen der Welt zu rechter Stunde bloß
gelegt war, überall Staunen und Bestürzung erregte, als sogar die Aechtheit des
Documents bezweifelt wurde, weil mau in Deutschland selbst dieser Regierung
eine so unerhörte Begierde uach Demüthigungen nicht zutraute; und als diese
Regierung sich selbst schämte, das besprochen zu sehen, was sie zu thun nicht
gescheut hatte, wie liebenswürdig und gleichgültig wurde da in den instruirten
Wiener Blättern durch eine neue Erklärung die Aechtheit der beleidigenden Schrift
außer allem Zweifel gestellt und mit welch schlauem Lächeln wurde die unbe¬
greifliche Publication desavouirt! Ja man weiß jetzt in Wien, wozu die Sprache
dem gebildeten Menschen gegeben ist! Jene publicirte vertrauliche Mittheilung
aber ist in neuer Form das uralte Kunststück der Habsburger, deu besiegten Gegner
in der Meinen.ig der Welt zu vernichten. . Als vor W0 Jahren der erste Habsburger
die Zellwände heimlich öffnen ließ, damit die ganze Welt den Böhmen Ottokar vor
ihm ans den Knien erblicke, da kam das Kunststück in die Familie. Seitdem haben
sich die Zeiten freilich gebessert, denn jener König Ottokar, der damals den Angen
Deutschlands in seiner Blöße gezeigt wurde, war nach der Meinung von Deutsch¬
land in der That ein aufsätziger Vasall und seine Demüthigung ein Recht seines
kaiserlichen Herrn; die Königskrone aber, um welche nach der neuen vertraulichen
Mittheilung im Zelt zu Olmütz das Knie gebeugt wurde, war bis jetzt die Krone


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/54>, abgerufen am 24.07.2024.