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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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dieser Anfrage war folgender: der Eigenthümer der Schiffsbrücke, Lobeck, Bürger
von Peterwardein, reich und dem Kaiser ergeben, hatte einige Tage vorher von
Braunstein unsern Plan erfahren und hatte sich mir währeud meines Spazier¬
ganges mit Kußmaueck genähert, und mir Geld angeboten, wenn ich welches
brauchen sollte. Ich hatte deshalb in dem Gerberich mitgegebenen Briefe ge¬
schrieben, daß ich kein Geld brauche, da ein Bürger der Stadt mir welches an¬
geboten habe. Die Ungarn wußten jetzt nicht, ans wen sie ihren Verdacht lenken
sollten. Als ich sagte, ich hätte diese Greise nie gesehen, befahl der Vorsitzende,
.einen andern Bürger der Stadt zu holen; aber jetzt rief ich mit fester Stimme:
"Das nutzt nichts, ich kann den, der mir das Geld angeboten hat, nicht wieder
erkennen." Ich erfuhr später, daß Lobeck auf die Nachricht, daß man den Bürger
suche, der den: östreichischen Officier Geld angeboten, geglaubt hatte, er sei ent¬
deckt worden. Aus Furcht vor dem Tode hatte er heftige Krämpfe bekommen
und war uoch an demselben Tage gestorben.

Ich wurde wieder in die Käsematte geführt. Zwei lange Tage vergingen.
Manchmal schöpfte ich wieder Hoffnung; aber ich mußte sie fern halten, denn sie
drohte die düstre Resignation zu erschüttern, die mich aufrecht erhielt.

Freitag den 31. Mai sagte mir der Profos, daß General Paul Kiß, der
jetzt an Perczel's Stelle in der Festung commandirte, das Urtheil des Kriegs¬
gerichts nach Debreczin an das ungarische Ministerium geschickt hatte. Ich zählte
die Tage, welche ein Courier zur Hin- und Herreise von Debreczin brauchte.
Ich wußte, daß die Armee des Ban auf dem Marsche war, und meine heißesten
Wünsche riefen sie herbei, in der Hoffnung, sie könnte mir vielleicht eine Chance
geben, und mit der Zuversicht, daß man nicht das Urtel auszuführen wagen werde,
so lange der Ban vor der Festung stehe; in diesem schmerzlichen Warten verging
die Zeit. Endlich am 12. Juni früh fing das Geschütz über mir und auf den Wällen
zu donnern an. Die Ungarn hör.ten den ganzen Tag nicht auf zu feuern;
Abends erhellte ein rother Schimmer die ganze Contreescarpe; ich glaubte, die
Vorstädte brennten. Am Tage darauf Nachmittags sing man wieder an zu schießen,
aber das Feuer hörte uach einer halben Stunde ans. Jeden Tag Hörteich einige
Kanonenschüsse; ich erkannte daraus, daß sich die Armee des Ban vor Neusatz
befand, und die Festung auf dem linken Ufer einschloß. Der nach Debreczin ge¬
schickte Courier konnte nicht mehr herein. Ich schöpfte wieder einige Hoffnung;
aber gegen Eude Juni hörte ich mehrere Tage lang gar nicht schießen; der Ban
mußte wieder abgezogen sein. ^)




*) Der Ban griff den Kopf der Brücke ein, welche die Stadt Neusatz mit der Festung
Peterwardein verbindet, die Ungarn eröffneten auf Neusatz ein Feuer ans Geschützen,
zwangen den Van, die Stadt zu verlassen, und verwandelten sie in einen Aschenhaufen.
Ex hatte eine Stellung am Franzcanal genommen.

dieser Anfrage war folgender: der Eigenthümer der Schiffsbrücke, Lobeck, Bürger
von Peterwardein, reich und dem Kaiser ergeben, hatte einige Tage vorher von
Braunstein unsern Plan erfahren und hatte sich mir währeud meines Spazier¬
ganges mit Kußmaueck genähert, und mir Geld angeboten, wenn ich welches
brauchen sollte. Ich hatte deshalb in dem Gerberich mitgegebenen Briefe ge¬
schrieben, daß ich kein Geld brauche, da ein Bürger der Stadt mir welches an¬
geboten habe. Die Ungarn wußten jetzt nicht, ans wen sie ihren Verdacht lenken
sollten. Als ich sagte, ich hätte diese Greise nie gesehen, befahl der Vorsitzende,
.einen andern Bürger der Stadt zu holen; aber jetzt rief ich mit fester Stimme:
„Das nutzt nichts, ich kann den, der mir das Geld angeboten hat, nicht wieder
erkennen." Ich erfuhr später, daß Lobeck auf die Nachricht, daß man den Bürger
suche, der den: östreichischen Officier Geld angeboten, geglaubt hatte, er sei ent¬
deckt worden. Aus Furcht vor dem Tode hatte er heftige Krämpfe bekommen
und war uoch an demselben Tage gestorben.

Ich wurde wieder in die Käsematte geführt. Zwei lange Tage vergingen.
Manchmal schöpfte ich wieder Hoffnung; aber ich mußte sie fern halten, denn sie
drohte die düstre Resignation zu erschüttern, die mich aufrecht erhielt.

Freitag den 31. Mai sagte mir der Profos, daß General Paul Kiß, der
jetzt an Perczel's Stelle in der Festung commandirte, das Urtheil des Kriegs¬
gerichts nach Debreczin an das ungarische Ministerium geschickt hatte. Ich zählte
die Tage, welche ein Courier zur Hin- und Herreise von Debreczin brauchte.
Ich wußte, daß die Armee des Ban auf dem Marsche war, und meine heißesten
Wünsche riefen sie herbei, in der Hoffnung, sie könnte mir vielleicht eine Chance
geben, und mit der Zuversicht, daß man nicht das Urtel auszuführen wagen werde,
so lange der Ban vor der Festung stehe; in diesem schmerzlichen Warten verging
die Zeit. Endlich am 12. Juni früh fing das Geschütz über mir und auf den Wällen
zu donnern an. Die Ungarn hör.ten den ganzen Tag nicht auf zu feuern;
Abends erhellte ein rother Schimmer die ganze Contreescarpe; ich glaubte, die
Vorstädte brennten. Am Tage darauf Nachmittags sing man wieder an zu schießen,
aber das Feuer hörte uach einer halben Stunde ans. Jeden Tag Hörteich einige
Kanonenschüsse; ich erkannte daraus, daß sich die Armee des Ban vor Neusatz
befand, und die Festung auf dem linken Ufer einschloß. Der nach Debreczin ge¬
schickte Courier konnte nicht mehr herein. Ich schöpfte wieder einige Hoffnung;
aber gegen Eude Juni hörte ich mehrere Tage lang gar nicht schießen; der Ban
mußte wieder abgezogen sein. ^)




*) Der Ban griff den Kopf der Brücke ein, welche die Stadt Neusatz mit der Festung
Peterwardein verbindet, die Ungarn eröffneten auf Neusatz ein Feuer ans Geschützen,
zwangen den Van, die Stadt zu verlassen, und verwandelten sie in einen Aschenhaufen.
Ex hatte eine Stellung am Franzcanal genommen.
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[0518] dieser Anfrage war folgender: der Eigenthümer der Schiffsbrücke, Lobeck, Bürger von Peterwardein, reich und dem Kaiser ergeben, hatte einige Tage vorher von Braunstein unsern Plan erfahren und hatte sich mir währeud meines Spazier¬ ganges mit Kußmaueck genähert, und mir Geld angeboten, wenn ich welches brauchen sollte. Ich hatte deshalb in dem Gerberich mitgegebenen Briefe ge¬ schrieben, daß ich kein Geld brauche, da ein Bürger der Stadt mir welches an¬ geboten habe. Die Ungarn wußten jetzt nicht, ans wen sie ihren Verdacht lenken sollten. Als ich sagte, ich hätte diese Greise nie gesehen, befahl der Vorsitzende, .einen andern Bürger der Stadt zu holen; aber jetzt rief ich mit fester Stimme: „Das nutzt nichts, ich kann den, der mir das Geld angeboten hat, nicht wieder erkennen." Ich erfuhr später, daß Lobeck auf die Nachricht, daß man den Bürger suche, der den: östreichischen Officier Geld angeboten, geglaubt hatte, er sei ent¬ deckt worden. Aus Furcht vor dem Tode hatte er heftige Krämpfe bekommen und war uoch an demselben Tage gestorben. Ich wurde wieder in die Käsematte geführt. Zwei lange Tage vergingen. Manchmal schöpfte ich wieder Hoffnung; aber ich mußte sie fern halten, denn sie drohte die düstre Resignation zu erschüttern, die mich aufrecht erhielt. Freitag den 31. Mai sagte mir der Profos, daß General Paul Kiß, der jetzt an Perczel's Stelle in der Festung commandirte, das Urtheil des Kriegs¬ gerichts nach Debreczin an das ungarische Ministerium geschickt hatte. Ich zählte die Tage, welche ein Courier zur Hin- und Herreise von Debreczin brauchte. Ich wußte, daß die Armee des Ban auf dem Marsche war, und meine heißesten Wünsche riefen sie herbei, in der Hoffnung, sie könnte mir vielleicht eine Chance geben, und mit der Zuversicht, daß man nicht das Urtel auszuführen wagen werde, so lange der Ban vor der Festung stehe; in diesem schmerzlichen Warten verging die Zeit. Endlich am 12. Juni früh fing das Geschütz über mir und auf den Wällen zu donnern an. Die Ungarn hör.ten den ganzen Tag nicht auf zu feuern; Abends erhellte ein rother Schimmer die ganze Contreescarpe; ich glaubte, die Vorstädte brennten. Am Tage darauf Nachmittags sing man wieder an zu schießen, aber das Feuer hörte uach einer halben Stunde ans. Jeden Tag Hörteich einige Kanonenschüsse; ich erkannte daraus, daß sich die Armee des Ban vor Neusatz befand, und die Festung auf dem linken Ufer einschloß. Der nach Debreczin ge¬ schickte Courier konnte nicht mehr herein. Ich schöpfte wieder einige Hoffnung; aber gegen Eude Juni hörte ich mehrere Tage lang gar nicht schießen; der Ban mußte wieder abgezogen sein. ^) *) Der Ban griff den Kopf der Brücke ein, welche die Stadt Neusatz mit der Festung Peterwardein verbindet, die Ungarn eröffneten auf Neusatz ein Feuer ans Geschützen, zwangen den Van, die Stadt zu verlassen, und verwandelten sie in einen Aschenhaufen. Ex hatte eine Stellung am Franzcanal genommen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/518>, abgerufen am 24.07.2024.