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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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kommt und die Dissonanz mit ihr. Der Capellmeister hat ein Auge auf die große
Trommel geworfen und die 50 Hiebe scheinen ihr gesichert. Da wendet sich aber der
General zum Capellmeister selbst und läßt ihm 100 Hiebe auszählen, "weil wohl ein oder
zweimal, aber nicht dreimal dergleichen einem ordentlichen Musikanten Passiren dürfe."

Der äußere Anstrich der Polizei ist von der jetzigen Constablerarmee, wie sie die
preußische Metropole schmückt, nicht eben verschieden. Die geheime Polizei wandelt im
Rock gemüthlicher Pfahlbürger einher. Die öffentliche Polizei trägt Pickelhauben, Uni¬
form und Säbel. Ganz wie in Berlin, nur ist in Berlin das ganze Institut noch zu
neu, um daß man schon jetzt an dasselbe gleiche Ansprüche, wie an die russische Polizei
machen dürfte, obwohl anerkannt werden muß, daß z. B. die Bahnhof-Controlle am
Berlin-Hamburger Bahnhof schon die getreue Copie derjenigen am Warschauer Bahnhöfe ist.

Bei der Scheu vor bedruckten Papieren ist es nicht zu verwundern, daß von
Zeitungen in Warschau wenig zu sehen ist. Die in Warschau erscheinende Kg^elf
Koäsienna hat kaum die Größe der Lübecker Anzeigen und enthält natürlich höchstens
Mittheilungen für diejenigen, welche zwischen den Zeilen zu lesen verstehen. Im Lato
Course findet man das Journal des Döbats, le Pays, le Gläneur, den Preußischen
Staats-Anzeiger, die Kreuz-Zeitung, letztere beide noch häusig durch Druckerschwärze censirt.
Die Gutsbesitzer in Polen und Nußland wissen sich manche Zeitung zu verschaffen, die
nicht das Licht des russischen Tages schauen darf, so unter andern die Oderzeitung;
doch bleibt diese verbotene Lecture immer ein gefährliches Wagstück, da alle Wege im
Reiche des Czaaren nach Sibirien führen. Für uus Preußen, ist von traurigem In¬
teresse die echt russische Art von Subvention, welche der jetzt bei uus am Nuder befind¬
lichen Partei in ihrem Organ, der Kreuz-Zeit ung, von Seiten der russischen Regie¬
rung zu Theil wird. Es dürfte nicht allgemein bekannt sein, daß den Bürgermeistern
in ganz Polen, selbst in solchen Orten, wo kein Wort Deutsch geredet wird, an ihren
Gehalten so viel gekürzt wird, als das Zwangs-Abonnement auf die Neue Preußi¬
sche Zeitung beträgt.




Verlag von F. L. Herbig. -- Redacteure: Gustav Freytag und Julian Schmidt.
Druck von C. E. Elvert.


kommt und die Dissonanz mit ihr. Der Capellmeister hat ein Auge auf die große
Trommel geworfen und die 50 Hiebe scheinen ihr gesichert. Da wendet sich aber der
General zum Capellmeister selbst und läßt ihm 100 Hiebe auszählen, „weil wohl ein oder
zweimal, aber nicht dreimal dergleichen einem ordentlichen Musikanten Passiren dürfe."

Der äußere Anstrich der Polizei ist von der jetzigen Constablerarmee, wie sie die
preußische Metropole schmückt, nicht eben verschieden. Die geheime Polizei wandelt im
Rock gemüthlicher Pfahlbürger einher. Die öffentliche Polizei trägt Pickelhauben, Uni¬
form und Säbel. Ganz wie in Berlin, nur ist in Berlin das ganze Institut noch zu
neu, um daß man schon jetzt an dasselbe gleiche Ansprüche, wie an die russische Polizei
machen dürfte, obwohl anerkannt werden muß, daß z. B. die Bahnhof-Controlle am
Berlin-Hamburger Bahnhof schon die getreue Copie derjenigen am Warschauer Bahnhöfe ist.

Bei der Scheu vor bedruckten Papieren ist es nicht zu verwundern, daß von
Zeitungen in Warschau wenig zu sehen ist. Die in Warschau erscheinende Kg^elf
Koäsienna hat kaum die Größe der Lübecker Anzeigen und enthält natürlich höchstens
Mittheilungen für diejenigen, welche zwischen den Zeilen zu lesen verstehen. Im Lato
Course findet man das Journal des Döbats, le Pays, le Gläneur, den Preußischen
Staats-Anzeiger, die Kreuz-Zeitung, letztere beide noch häusig durch Druckerschwärze censirt.
Die Gutsbesitzer in Polen und Nußland wissen sich manche Zeitung zu verschaffen, die
nicht das Licht des russischen Tages schauen darf, so unter andern die Oderzeitung;
doch bleibt diese verbotene Lecture immer ein gefährliches Wagstück, da alle Wege im
Reiche des Czaaren nach Sibirien führen. Für uus Preußen, ist von traurigem In¬
teresse die echt russische Art von Subvention, welche der jetzt bei uus am Nuder befind¬
lichen Partei in ihrem Organ, der Kreuz-Zeit ung, von Seiten der russischen Regie¬
rung zu Theil wird. Es dürfte nicht allgemein bekannt sein, daß den Bürgermeistern
in ganz Polen, selbst in solchen Orten, wo kein Wort Deutsch geredet wird, an ihren
Gehalten so viel gekürzt wird, als das Zwangs-Abonnement auf die Neue Preußi¬
sche Zeitung beträgt.




Verlag von F. L. Herbig. — Redacteure: Gustav Freytag und Julian Schmidt.
Druck von C. E. Elvert.


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[0452] kommt und die Dissonanz mit ihr. Der Capellmeister hat ein Auge auf die große Trommel geworfen und die 50 Hiebe scheinen ihr gesichert. Da wendet sich aber der General zum Capellmeister selbst und läßt ihm 100 Hiebe auszählen, „weil wohl ein oder zweimal, aber nicht dreimal dergleichen einem ordentlichen Musikanten Passiren dürfe." Der äußere Anstrich der Polizei ist von der jetzigen Constablerarmee, wie sie die preußische Metropole schmückt, nicht eben verschieden. Die geheime Polizei wandelt im Rock gemüthlicher Pfahlbürger einher. Die öffentliche Polizei trägt Pickelhauben, Uni¬ form und Säbel. Ganz wie in Berlin, nur ist in Berlin das ganze Institut noch zu neu, um daß man schon jetzt an dasselbe gleiche Ansprüche, wie an die russische Polizei machen dürfte, obwohl anerkannt werden muß, daß z. B. die Bahnhof-Controlle am Berlin-Hamburger Bahnhof schon die getreue Copie derjenigen am Warschauer Bahnhöfe ist. Bei der Scheu vor bedruckten Papieren ist es nicht zu verwundern, daß von Zeitungen in Warschau wenig zu sehen ist. Die in Warschau erscheinende Kg^elf Koäsienna hat kaum die Größe der Lübecker Anzeigen und enthält natürlich höchstens Mittheilungen für diejenigen, welche zwischen den Zeilen zu lesen verstehen. Im Lato Course findet man das Journal des Döbats, le Pays, le Gläneur, den Preußischen Staats-Anzeiger, die Kreuz-Zeitung, letztere beide noch häusig durch Druckerschwärze censirt. Die Gutsbesitzer in Polen und Nußland wissen sich manche Zeitung zu verschaffen, die nicht das Licht des russischen Tages schauen darf, so unter andern die Oderzeitung; doch bleibt diese verbotene Lecture immer ein gefährliches Wagstück, da alle Wege im Reiche des Czaaren nach Sibirien führen. Für uus Preußen, ist von traurigem In¬ teresse die echt russische Art von Subvention, welche der jetzt bei uus am Nuder befind¬ lichen Partei in ihrem Organ, der Kreuz-Zeit ung, von Seiten der russischen Regie¬ rung zu Theil wird. Es dürfte nicht allgemein bekannt sein, daß den Bürgermeistern in ganz Polen, selbst in solchen Orten, wo kein Wort Deutsch geredet wird, an ihren Gehalten so viel gekürzt wird, als das Zwangs-Abonnement auf die Neue Preußi¬ sche Zeitung beträgt. Verlag von F. L. Herbig. — Redacteure: Gustav Freytag und Julian Schmidt. Druck von C. E. Elvert.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/452>, abgerufen am 24.07.2024.