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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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worden und die ganze Generalität zu Pferde gestiegen, so schlau hatte er mit
noch sechs andern Gefährten den Anschein verbreitet, als wenn die Schleswig-
Holsteiner einen allgemeinen Angriff vorbereiteten. So lange der Sergeant
herumstreifte, ist es dem Feinde fast nie gelungen, anch nur eine Schleswig-hol-
steinische Vedette aufzuheben, so gut wußte er aufzupassen, alle feindlichen Be¬
wegungen zu erkunden und die Seinen zu warnen. Bei allen diesen Affairen
kam ihm seine vollkommene Kenntniß der dänischen Sprache und aller dänische!:
Commandoworte sehr zu Statten, wie er sich denn anch stets das dänische
Losungswort und Feldgeschrei zu verschaffen wußte. So hat er sich einmal in
der Nacht mit dem Mantel, der Mütze und dem Degen eines gefangenen däni¬
schen Ofstciers angethan, und ist, so als Officier verkleidet, zu eiuer dänischen
Feldwache vou 8 Mann, die, wie er wußte, aus uueiugeübten Reservisten be¬
stand, gekommen. Zuerst hat er den Unterofficier derselben hart angelassen, daß
er sich einen so schlechten Ort zur Feldwache gewählt habe, und ihm dann befoh¬
len, mit ihm zu gehen, er wolle ihnen einen bessern Platz zeigen. Er hat aber
die Leute so weit geführt, bis die drei Schleswig-holsteinischen Soldaten, die ihn
begleitet hatten, plötzlich aus einer Hecke ans die Ueberraschten anschlagen konn¬
ten. Der vermeintliche dänische Officier donnert seinem Gefolge in demselben
Augenblicke auf dänisch zu: "Legt die Gewehre ab"! die Verblüfften gehorchen und
werden alle acht von den lachenden -4 Schleswig-Holsteinern gefangen genommen.

Zu rühmen ist, daß S......trotz aller dieser Teufeleien doch eine sehr große
Gutmüthigkeit bewies. Die Soldaten, welche ihn begleiteten, versicherten stets, er
habe ihnen auf das strengste befohlen, ja uicht nutzlos einen Geguer zu erschießen,
wenn sie nnr irgend eine Aussicht hätten, ihn gefangen zu nehmen. Er soll ost
einzelne Feinde, die in dem Bereich seines Gewehres gewesen sind, unbelästigt
haben ziehen lassen, weil es ihn gejammert habe, sie zu todten. So lag er einst
mit 2 andern Soldaten in einem Graben versteckt, bis ein junger hübscher däni¬
scher Officier, der sich wahrscheinlich verirrt hatte, auf 30 Schritt ruhig an ihnen
vorüberritt. Der Schweigsame hatte schon das Gewehr ans ihn angelegt, um ihn
niederzuschießen, als der Sergeant seinen Zöglingen zuflüsterte: "Nein, er ist
so ein hübscher Junge, wollen ihn reiten lassen; seine Mutter oder Braut würden
zu viel Heulen; Drei gegen Einen, ist so keine Ehre dabei." Darauf erhob er
sich mit seinen Leuten ans dem Graben und rief dem erschrockenen Officier wohl¬
wollend zu: "Guten Morgen, Herr Lieutenant! Grüßen Sie Ihre Frau Mutter
bestens vou uus, und sein Sie ein ander mal vorsichtiger; immer möchte es nicht
so abgehen wie heut." Der Officier sprengte verblüfft davon, und der Sergeant
machte sich mit seinen Leuten auf deu Rückweg. Auf diesem ist er aber noch
von eiuer dänischen Dragouerpatrouille eingeholt und hart angegriffen wor¬
den, wobei er selbst einen leichten Streifschuß aus einem Carabiner am Kopfe


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worden und die ganze Generalität zu Pferde gestiegen, so schlau hatte er mit
noch sechs andern Gefährten den Anschein verbreitet, als wenn die Schleswig-
Holsteiner einen allgemeinen Angriff vorbereiteten. So lange der Sergeant
herumstreifte, ist es dem Feinde fast nie gelungen, anch nur eine Schleswig-hol-
steinische Vedette aufzuheben, so gut wußte er aufzupassen, alle feindlichen Be¬
wegungen zu erkunden und die Seinen zu warnen. Bei allen diesen Affairen
kam ihm seine vollkommene Kenntniß der dänischen Sprache und aller dänische!:
Commandoworte sehr zu Statten, wie er sich denn anch stets das dänische
Losungswort und Feldgeschrei zu verschaffen wußte. So hat er sich einmal in
der Nacht mit dem Mantel, der Mütze und dem Degen eines gefangenen däni¬
schen Ofstciers angethan, und ist, so als Officier verkleidet, zu eiuer dänischen
Feldwache vou 8 Mann, die, wie er wußte, aus uueiugeübten Reservisten be¬
stand, gekommen. Zuerst hat er den Unterofficier derselben hart angelassen, daß
er sich einen so schlechten Ort zur Feldwache gewählt habe, und ihm dann befoh¬
len, mit ihm zu gehen, er wolle ihnen einen bessern Platz zeigen. Er hat aber
die Leute so weit geführt, bis die drei Schleswig-holsteinischen Soldaten, die ihn
begleitet hatten, plötzlich aus einer Hecke ans die Ueberraschten anschlagen konn¬
ten. Der vermeintliche dänische Officier donnert seinem Gefolge in demselben
Augenblicke auf dänisch zu: „Legt die Gewehre ab"! die Verblüfften gehorchen und
werden alle acht von den lachenden -4 Schleswig-Holsteinern gefangen genommen.

Zu rühmen ist, daß S......trotz aller dieser Teufeleien doch eine sehr große
Gutmüthigkeit bewies. Die Soldaten, welche ihn begleiteten, versicherten stets, er
habe ihnen auf das strengste befohlen, ja uicht nutzlos einen Geguer zu erschießen,
wenn sie nnr irgend eine Aussicht hätten, ihn gefangen zu nehmen. Er soll ost
einzelne Feinde, die in dem Bereich seines Gewehres gewesen sind, unbelästigt
haben ziehen lassen, weil es ihn gejammert habe, sie zu todten. So lag er einst
mit 2 andern Soldaten in einem Graben versteckt, bis ein junger hübscher däni¬
scher Officier, der sich wahrscheinlich verirrt hatte, auf 30 Schritt ruhig an ihnen
vorüberritt. Der Schweigsame hatte schon das Gewehr ans ihn angelegt, um ihn
niederzuschießen, als der Sergeant seinen Zöglingen zuflüsterte: „Nein, er ist
so ein hübscher Junge, wollen ihn reiten lassen; seine Mutter oder Braut würden
zu viel Heulen; Drei gegen Einen, ist so keine Ehre dabei." Darauf erhob er
sich mit seinen Leuten ans dem Graben und rief dem erschrockenen Officier wohl¬
wollend zu: „Guten Morgen, Herr Lieutenant! Grüßen Sie Ihre Frau Mutter
bestens vou uus, und sein Sie ein ander mal vorsichtiger; immer möchte es nicht
so abgehen wie heut." Der Officier sprengte verblüfft davon, und der Sergeant
machte sich mit seinen Leuten auf deu Rückweg. Auf diesem ist er aber noch
von eiuer dänischen Dragouerpatrouille eingeholt und hart angegriffen wor¬
den, wobei er selbst einen leichten Streifschuß aus einem Carabiner am Kopfe


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/439>, abgerufen am 24.07.2024.