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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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dänische Schwadron ans ihn einreitet: das hat Alles nichts zu bedeuten; Sacker-
menter wird mir doch noch im rechten Augenblick beistehen!" Wegen solcher
unerschütterlichen Ruhe und Kaltblütigkeit nahm er am liebsten geborene "Schles¬
wig-Holsteiner" mit, die anderen Freiwilligen waren ihm.oft zu hitzig. Sein
Lieblingsbegleiter war ein ziemlich einfältiger, aber mit außerordentlich scharfem
Gehör und Gesicht begabter Holsteiner, ein früherer Schäferknecht, der kein anderes
Wort sprach, als: "Ja" und "Nein." Zuerst hatte dieser Einsilbige die Gunst des
Sergeanten dadurch gewonnen, daß er.bei Jdstedt mitten im heftigsten feindlichen
Feuer, als rechts und links von ihm die Rotten getroffen zu Boden stürzten, ruhig seine
Schnupftabaksdose aus der Tasche zog, uach altem Brauch mit der Hand einige¬
mal ans den Deckel- klopfte, behaglich eine Prise nahm und dann dem neben ihm
stehenden Sackermenter dieselbe anbot mit den Worten: "Beleeft een lütje Pries,
Heer Sergeant?" Dieser nahm achtungsvoll seine Prise und der Andere wollte
die Schnupftabaksdose gerade wieder einstecken, da schmetterte eine dänische Spitz¬
kugel ihm dieselbe aus der Hand und nahm zugleich ein Stück von dem Mittel¬
finger seiner Linken mit. Ohne sich um die Wunde im mindesten zu kümmern,
brach der entrüstete Soldat in die Worte ans: "Dec verfluchten Schaafsköppe,
mie nienen schönen Toback wegtoscheeten, um sall see ock dat Dunnerweeder
baten", und dabei lud er sehr ruhig seiue Mute und zielte lauge und bedächtig,
wie seine Natur war. Das hatte dem Sergeanten ein ganz besonderes Wohl¬
gefallen an dem Schweigsamen eingeflößt, er erzählte die Geschichte oft und
führte jedesmal die ganze Rede seines Kameraden an, gewissermaßen um zu
beweisen, daß dieser auch sprechen könne, wenn er nur eine anständige Veran-
lassung dazu habe. Dieser Begleiter folgte dem S..... mit der Anhänglichkeit
und blinden Ergebenheit eines gut dressirten Hühnerhundes überall hiu, wo
dieser befahl. So hat derselbe einmal volle 36 Stunden unausgesetzt in einem
Graben unter eiuer engen kleinen Brücke liegen müssen, um zu erspähen, ob eine
dänische Patrouille darüber reiten würde, und dies dem Sergeanten zu melden.
Uebrigens hat S.....selbst sich einmal von seinen Begleitern in eine Torfmicte
einstecken lassen und so einen ganzen Tag stehend in derselben zugebracht, um
die Bewegungen des Feindes zu erkunden. -- Ein andermal hat dieser Begleiter
eine dänische Vedette ruhig auf sich schießen lassen müssen, während S.....hinter
einem Heuhaufen versteckt lag. Nach dem ersten Carabinerschuß hat der Schweig¬
same der Länge nach wie todt auf deu Bauch niederfallen müssen; der Däne
sprengt darauf näher und steigt vergnügt vom Pferde, um seine Bente zu besehen.
In demselben Augenblick voltigirt aber S.....mit der Behendigkeit einer Katze
über den Erschrockenen weg, auf dessen Pferd hinauf, jagt auf deu audern Dra¬
goner los und verblüfft diesen so, daß er sich ebenfalls gefangen gibt. Vergnügt
trabten die beiden Verschwornen mit den zwei Beutepferdeu, die Gefangenen vor
sich treibend, zu ihren Vorposten zurück.


Grenzboten. I. 1851. 5-4

dänische Schwadron ans ihn einreitet: das hat Alles nichts zu bedeuten; Sacker-
menter wird mir doch noch im rechten Augenblick beistehen!" Wegen solcher
unerschütterlichen Ruhe und Kaltblütigkeit nahm er am liebsten geborene „Schles¬
wig-Holsteiner" mit, die anderen Freiwilligen waren ihm.oft zu hitzig. Sein
Lieblingsbegleiter war ein ziemlich einfältiger, aber mit außerordentlich scharfem
Gehör und Gesicht begabter Holsteiner, ein früherer Schäferknecht, der kein anderes
Wort sprach, als: „Ja" und „Nein." Zuerst hatte dieser Einsilbige die Gunst des
Sergeanten dadurch gewonnen, daß er.bei Jdstedt mitten im heftigsten feindlichen
Feuer, als rechts und links von ihm die Rotten getroffen zu Boden stürzten, ruhig seine
Schnupftabaksdose aus der Tasche zog, uach altem Brauch mit der Hand einige¬
mal ans den Deckel- klopfte, behaglich eine Prise nahm und dann dem neben ihm
stehenden Sackermenter dieselbe anbot mit den Worten: „Beleeft een lütje Pries,
Heer Sergeant?" Dieser nahm achtungsvoll seine Prise und der Andere wollte
die Schnupftabaksdose gerade wieder einstecken, da schmetterte eine dänische Spitz¬
kugel ihm dieselbe aus der Hand und nahm zugleich ein Stück von dem Mittel¬
finger seiner Linken mit. Ohne sich um die Wunde im mindesten zu kümmern,
brach der entrüstete Soldat in die Worte ans: „Dec verfluchten Schaafsköppe,
mie nienen schönen Toback wegtoscheeten, um sall see ock dat Dunnerweeder
baten", und dabei lud er sehr ruhig seiue Mute und zielte lauge und bedächtig,
wie seine Natur war. Das hatte dem Sergeanten ein ganz besonderes Wohl¬
gefallen an dem Schweigsamen eingeflößt, er erzählte die Geschichte oft und
führte jedesmal die ganze Rede seines Kameraden an, gewissermaßen um zu
beweisen, daß dieser auch sprechen könne, wenn er nur eine anständige Veran-
lassung dazu habe. Dieser Begleiter folgte dem S..... mit der Anhänglichkeit
und blinden Ergebenheit eines gut dressirten Hühnerhundes überall hiu, wo
dieser befahl. So hat derselbe einmal volle 36 Stunden unausgesetzt in einem
Graben unter eiuer engen kleinen Brücke liegen müssen, um zu erspähen, ob eine
dänische Patrouille darüber reiten würde, und dies dem Sergeanten zu melden.
Uebrigens hat S.....selbst sich einmal von seinen Begleitern in eine Torfmicte
einstecken lassen und so einen ganzen Tag stehend in derselben zugebracht, um
die Bewegungen des Feindes zu erkunden. — Ein andermal hat dieser Begleiter
eine dänische Vedette ruhig auf sich schießen lassen müssen, während S.....hinter
einem Heuhaufen versteckt lag. Nach dem ersten Carabinerschuß hat der Schweig¬
same der Länge nach wie todt auf deu Bauch niederfallen müssen; der Däne
sprengt darauf näher und steigt vergnügt vom Pferde, um seine Bente zu besehen.
In demselben Augenblick voltigirt aber S.....mit der Behendigkeit einer Katze
über den Erschrockenen weg, auf dessen Pferd hinauf, jagt auf deu audern Dra¬
goner los und verblüfft diesen so, daß er sich ebenfalls gefangen gibt. Vergnügt
trabten die beiden Verschwornen mit den zwei Beutepferdeu, die Gefangenen vor
sich treibend, zu ihren Vorposten zurück.


Grenzboten. I. 1851. 5-4
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[0437] dänische Schwadron ans ihn einreitet: das hat Alles nichts zu bedeuten; Sacker- menter wird mir doch noch im rechten Augenblick beistehen!" Wegen solcher unerschütterlichen Ruhe und Kaltblütigkeit nahm er am liebsten geborene „Schles¬ wig-Holsteiner" mit, die anderen Freiwilligen waren ihm.oft zu hitzig. Sein Lieblingsbegleiter war ein ziemlich einfältiger, aber mit außerordentlich scharfem Gehör und Gesicht begabter Holsteiner, ein früherer Schäferknecht, der kein anderes Wort sprach, als: „Ja" und „Nein." Zuerst hatte dieser Einsilbige die Gunst des Sergeanten dadurch gewonnen, daß er.bei Jdstedt mitten im heftigsten feindlichen Feuer, als rechts und links von ihm die Rotten getroffen zu Boden stürzten, ruhig seine Schnupftabaksdose aus der Tasche zog, uach altem Brauch mit der Hand einige¬ mal ans den Deckel- klopfte, behaglich eine Prise nahm und dann dem neben ihm stehenden Sackermenter dieselbe anbot mit den Worten: „Beleeft een lütje Pries, Heer Sergeant?" Dieser nahm achtungsvoll seine Prise und der Andere wollte die Schnupftabaksdose gerade wieder einstecken, da schmetterte eine dänische Spitz¬ kugel ihm dieselbe aus der Hand und nahm zugleich ein Stück von dem Mittel¬ finger seiner Linken mit. Ohne sich um die Wunde im mindesten zu kümmern, brach der entrüstete Soldat in die Worte ans: „Dec verfluchten Schaafsköppe, mie nienen schönen Toback wegtoscheeten, um sall see ock dat Dunnerweeder baten", und dabei lud er sehr ruhig seiue Mute und zielte lauge und bedächtig, wie seine Natur war. Das hatte dem Sergeanten ein ganz besonderes Wohl¬ gefallen an dem Schweigsamen eingeflößt, er erzählte die Geschichte oft und führte jedesmal die ganze Rede seines Kameraden an, gewissermaßen um zu beweisen, daß dieser auch sprechen könne, wenn er nur eine anständige Veran- lassung dazu habe. Dieser Begleiter folgte dem S..... mit der Anhänglichkeit und blinden Ergebenheit eines gut dressirten Hühnerhundes überall hiu, wo dieser befahl. So hat derselbe einmal volle 36 Stunden unausgesetzt in einem Graben unter eiuer engen kleinen Brücke liegen müssen, um zu erspähen, ob eine dänische Patrouille darüber reiten würde, und dies dem Sergeanten zu melden. Uebrigens hat S.....selbst sich einmal von seinen Begleitern in eine Torfmicte einstecken lassen und so einen ganzen Tag stehend in derselben zugebracht, um die Bewegungen des Feindes zu erkunden. — Ein andermal hat dieser Begleiter eine dänische Vedette ruhig auf sich schießen lassen müssen, während S.....hinter einem Heuhaufen versteckt lag. Nach dem ersten Carabinerschuß hat der Schweig¬ same der Länge nach wie todt auf deu Bauch niederfallen müssen; der Däne sprengt darauf näher und steigt vergnügt vom Pferde, um seine Bente zu besehen. In demselben Augenblick voltigirt aber S.....mit der Behendigkeit einer Katze über den Erschrockenen weg, auf dessen Pferd hinauf, jagt auf deu audern Dra¬ goner los und verblüfft diesen so, daß er sich ebenfalls gefangen gibt. Vergnügt trabten die beiden Verschwornen mit den zwei Beutepferdeu, die Gefangenen vor sich treibend, zu ihren Vorposten zurück. Grenzboten. I. 1851. 5-4

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/437>, abgerufen am 24.07.2024.