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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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jetzt stehen, so vermag ich gar nicht zu hoffen, daß es besser werden könnte: es
fehlt der Geist, es fehlen Menschen, es fehlt jede sittliche Bedingung des
Fortschrittes.

Dies Urtheil eines Korrespondenten, welcher an den Ufern der weißen Saar hei¬
misch ist, wöge unsere Leser überzeugen, daß es nnter den Südslaven Männer gibt,
welche nicht blind für die Schwächen ihrer jungen Literatur sind. Vollständig theilen
wir die Ansicht unseres Korrespondenten über die Schwäche des literarischen Illyriens,
auch sind wir weit entfernt, den Werth der epischen Gedichte eines Masuranitsch, oder
der Lieder von Preradowitsch verkleinern zu wollen; oder gar das bedeutende Verdienst
des würdigen Wuk, gegen welchen auch wir eine große Verehrung empfinden. Nur
können wir die dramatischen Versuche gelehrter Dichter unter Stämmen, welche noch
keine selbstständige Bühne haben, nicht so hoch anschlagen, als der verehrte Einsender
d. R. thut, so schön lyrische und epische Einzelheiten in denselben sein mögen.




Ein Genie der Vorposten.

Unter den vielen verwegenen Soldaten, welche das Schleswig-holsteinische
Heer durch sein dreijähriges Feldleben sich selbst erzog, oder ans allen möglichen
Heercstheilen Dentschlands bekommen hatte, war der tollste und verwegenste der
Sergeant S. vom --ten Bataillon. Bei einem guten Theil der Armee waren
seine Person und seine Streiche wohlbekannt, und viele Augen- und Ohrenzeugen
derselben könnten die folgenden Mittheilungen bestätigen und ergänzen. Seinen
Namen nenne ich hier nicht, weil dadurch zur Zeit vielleicht noch er selbst be-
nachtheiligt werden könnte.

Er war von der Natur selbst zum leichten Soldaten bestimmt, so überreichlich
hatte sie ihm die dazu nöthigen Gaben verliehen. In dem gewöhnlichen Einerlei
des friedlichen bürgerlichen Lebens wollen solche Charaktere selten viel rangen.
Denn was im Felde mit Orden belohnt wird, straft die Polizei im Frieden oft
mit löblicher Strenge. So hatte anch unser Sergeant es nirgend zu etwas
Rechtem bringen können. Vielerlei hatte er versucht, denn er war von frühester
Jugend an auf seine eigene Kraft angewiesen; nirgend hatte er lange ausgehalten.
Ein unstäter Geist und ein unbezwinglicher Hang zu Abenteuern scheint von je
sein Verhängniß gewesen zu sein. Einen ehrlosen Streich hat er gewiß nie
verübt, denn in heikler Brust wohnte ein feuriges Ehrgefühl, aber leichtsinnige,
übermüthige, tolle schwanke gewiß im Uebermaß. Es war ganz ergöjzlich an¬
zuhören, wenn er des Abends am lodernden Bivonakfeuer, behaglich seine Ci¬
garre rauchend, .lustige Geschichten ans seinem früheren Leben erzählte. Seine
Kameraden lachten dann oft, daß ihnen die Backen glühten, vergaßen Regen


jetzt stehen, so vermag ich gar nicht zu hoffen, daß es besser werden könnte: es
fehlt der Geist, es fehlen Menschen, es fehlt jede sittliche Bedingung des
Fortschrittes.

Dies Urtheil eines Korrespondenten, welcher an den Ufern der weißen Saar hei¬
misch ist, wöge unsere Leser überzeugen, daß es nnter den Südslaven Männer gibt,
welche nicht blind für die Schwächen ihrer jungen Literatur sind. Vollständig theilen
wir die Ansicht unseres Korrespondenten über die Schwäche des literarischen Illyriens,
auch sind wir weit entfernt, den Werth der epischen Gedichte eines Masuranitsch, oder
der Lieder von Preradowitsch verkleinern zu wollen; oder gar das bedeutende Verdienst
des würdigen Wuk, gegen welchen auch wir eine große Verehrung empfinden. Nur
können wir die dramatischen Versuche gelehrter Dichter unter Stämmen, welche noch
keine selbstständige Bühne haben, nicht so hoch anschlagen, als der verehrte Einsender
d. R. thut, so schön lyrische und epische Einzelheiten in denselben sein mögen.




Ein Genie der Vorposten.

Unter den vielen verwegenen Soldaten, welche das Schleswig-holsteinische
Heer durch sein dreijähriges Feldleben sich selbst erzog, oder ans allen möglichen
Heercstheilen Dentschlands bekommen hatte, war der tollste und verwegenste der
Sergeant S. vom —ten Bataillon. Bei einem guten Theil der Armee waren
seine Person und seine Streiche wohlbekannt, und viele Augen- und Ohrenzeugen
derselben könnten die folgenden Mittheilungen bestätigen und ergänzen. Seinen
Namen nenne ich hier nicht, weil dadurch zur Zeit vielleicht noch er selbst be-
nachtheiligt werden könnte.

Er war von der Natur selbst zum leichten Soldaten bestimmt, so überreichlich
hatte sie ihm die dazu nöthigen Gaben verliehen. In dem gewöhnlichen Einerlei
des friedlichen bürgerlichen Lebens wollen solche Charaktere selten viel rangen.
Denn was im Felde mit Orden belohnt wird, straft die Polizei im Frieden oft
mit löblicher Strenge. So hatte anch unser Sergeant es nirgend zu etwas
Rechtem bringen können. Vielerlei hatte er versucht, denn er war von frühester
Jugend an auf seine eigene Kraft angewiesen; nirgend hatte er lange ausgehalten.
Ein unstäter Geist und ein unbezwinglicher Hang zu Abenteuern scheint von je
sein Verhängniß gewesen zu sein. Einen ehrlosen Streich hat er gewiß nie
verübt, denn in heikler Brust wohnte ein feuriges Ehrgefühl, aber leichtsinnige,
übermüthige, tolle schwanke gewiß im Uebermaß. Es war ganz ergöjzlich an¬
zuhören, wenn er des Abends am lodernden Bivonakfeuer, behaglich seine Ci¬
garre rauchend, .lustige Geschichten ans seinem früheren Leben erzählte. Seine
Kameraden lachten dann oft, daß ihnen die Backen glühten, vergaßen Regen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/433>, abgerufen am 24.07.2024.