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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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gegen welche anzukämpfen bei ihren schwachen Kräften-gar nicht möglich ist. Die
illyrischen Dichter und Literaten meinten indessen, es genüge, Verse zu machen,
und überließen die Poesie dem Volke; wenn der Poet einige mühsam zusammen¬
geschweißte Reimereien und Ungereimtheiten drucken ließ, so glaubte er sich sofort
neben Byron oder Göthe niedersetzen zu dürfen, und bemitleidete ein Publicum,
welches lieber gute deutsche Bücher kaufte, als schlechte illyrische. Es ist be¬
merkenswerth, daß kein illyrisches Buch zweimal aufgelegt wurde; selten wurden
von einem mehr als 500 Exemplare abgesetzt, von den meisten kaum die Hälfte
dieser Zahl. Es ist daher bei den illyrischen Literaten förmlich Ton, sich über
den Unverstand und die Undankbarkeit, des Publicums zu beklagen -- ich wun¬
dere mich fast, daß diese Herren, welche Kroatien zu dessen großem Unglücke
zwei Jahre lang (1848--1849) regiertet!, sich nicht während dieser Zeit durch
ein Einfuhrverbot aller uicht-illyrischen Bücher aufzuhelfen suchten, um während
dieser Zeit für ihre Platitüden offenen Markt zu erhalten.

Wenn man über südslavische Literaturverhältnisse spricht, kann man es nicht
vermeiden, die Namen Will Karadschitsch und Ljudewit Gaj zu nennen;
nicht als ob man zwischen Wuk, einem Manne von unschätzbarem Verdienste, und
einem Gaj, dessen Verdienst um die Literatur darin besteht, daß er illyrische
Bücher um gutes Geld druckte und zum Druck aufmunterte, eine Parallele ziehen
könnte, sondern weil Wuk durch die Herausgabe der serbischen Volkslieder that¬
sächlich die neue serbische Literatur schuf, Gaj aber den Jllyrismus
erträumte, welcher dann ohne Gaj's directe Mitwirkung die Veranlassung zu einer
neuen Literatur gab.

Vor der Herausgabe der serbischen Volkslieder durch Wuk schrieb man
in einem sonderbaren künstlichen Jargon, der "sloveno-serbische Sprache"
hieß und jüngst von einem der ersten slavischen Philologen als "weder serbisch,
noch slovenisch" charakteristrt wurde. Es sollte eigentlich Altslovenisch sein, die
liturgische Sprache der slavischen Kirche, war aber ein Gemisch von Russisch und
Serbisch, und Jeder schrieb es, wie er es eben verstand. Dosilhej Obradowitsch
machte schon früher den Versuch, die Volkssprache in die Literatur einzuführen.
Er schrieb gute Bücher in gutem Serbisch; sie wurden vom Volke gern gelesen,
aber die Schriftgelehrten nahmen es ihm übel, daß er "in der Sprache alter
Weiber und Ochsentreiber" rede, er blieb vereinzelt stehen. Obgleich das Volk
für seinen Liebling Partei ergriff und seine Bücher voll praktischer Weisheit und
reicher Welterfahrung das erklärte Liebliugöbuch der serbischen Nation wurden
(selbst in deu letzten Jahren haben sie noch mehre Auflagen erlebt), so blieben
die Literaten doch bei ihrem " sloveno - serbisch ".

Da erschienen die von Wuk gesammelten, schönen Volkslieder, welche in
deutschen, französischen und englischen Uebersetzungen durch ganz Europa ver¬
breitet und bewundert wurden. Die "Sprache der alten Weiber und Ochsen-


gegen welche anzukämpfen bei ihren schwachen Kräften-gar nicht möglich ist. Die
illyrischen Dichter und Literaten meinten indessen, es genüge, Verse zu machen,
und überließen die Poesie dem Volke; wenn der Poet einige mühsam zusammen¬
geschweißte Reimereien und Ungereimtheiten drucken ließ, so glaubte er sich sofort
neben Byron oder Göthe niedersetzen zu dürfen, und bemitleidete ein Publicum,
welches lieber gute deutsche Bücher kaufte, als schlechte illyrische. Es ist be¬
merkenswerth, daß kein illyrisches Buch zweimal aufgelegt wurde; selten wurden
von einem mehr als 500 Exemplare abgesetzt, von den meisten kaum die Hälfte
dieser Zahl. Es ist daher bei den illyrischen Literaten förmlich Ton, sich über
den Unverstand und die Undankbarkeit, des Publicums zu beklagen — ich wun¬
dere mich fast, daß diese Herren, welche Kroatien zu dessen großem Unglücke
zwei Jahre lang (1848—1849) regiertet!, sich nicht während dieser Zeit durch
ein Einfuhrverbot aller uicht-illyrischen Bücher aufzuhelfen suchten, um während
dieser Zeit für ihre Platitüden offenen Markt zu erhalten.

Wenn man über südslavische Literaturverhältnisse spricht, kann man es nicht
vermeiden, die Namen Will Karadschitsch und Ljudewit Gaj zu nennen;
nicht als ob man zwischen Wuk, einem Manne von unschätzbarem Verdienste, und
einem Gaj, dessen Verdienst um die Literatur darin besteht, daß er illyrische
Bücher um gutes Geld druckte und zum Druck aufmunterte, eine Parallele ziehen
könnte, sondern weil Wuk durch die Herausgabe der serbischen Volkslieder that¬
sächlich die neue serbische Literatur schuf, Gaj aber den Jllyrismus
erträumte, welcher dann ohne Gaj's directe Mitwirkung die Veranlassung zu einer
neuen Literatur gab.

Vor der Herausgabe der serbischen Volkslieder durch Wuk schrieb man
in einem sonderbaren künstlichen Jargon, der „sloveno-serbische Sprache"
hieß und jüngst von einem der ersten slavischen Philologen als „weder serbisch,
noch slovenisch" charakteristrt wurde. Es sollte eigentlich Altslovenisch sein, die
liturgische Sprache der slavischen Kirche, war aber ein Gemisch von Russisch und
Serbisch, und Jeder schrieb es, wie er es eben verstand. Dosilhej Obradowitsch
machte schon früher den Versuch, die Volkssprache in die Literatur einzuführen.
Er schrieb gute Bücher in gutem Serbisch; sie wurden vom Volke gern gelesen,
aber die Schriftgelehrten nahmen es ihm übel, daß er „in der Sprache alter
Weiber und Ochsentreiber" rede, er blieb vereinzelt stehen. Obgleich das Volk
für seinen Liebling Partei ergriff und seine Bücher voll praktischer Weisheit und
reicher Welterfahrung das erklärte Liebliugöbuch der serbischen Nation wurden
(selbst in deu letzten Jahren haben sie noch mehre Auflagen erlebt), so blieben
die Literaten doch bei ihrem „ sloveno - serbisch ".

Da erschienen die von Wuk gesammelten, schönen Volkslieder, welche in
deutschen, französischen und englischen Uebersetzungen durch ganz Europa ver¬
breitet und bewundert wurden. Die „Sprache der alten Weiber und Ochsen-


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[0428] gegen welche anzukämpfen bei ihren schwachen Kräften-gar nicht möglich ist. Die illyrischen Dichter und Literaten meinten indessen, es genüge, Verse zu machen, und überließen die Poesie dem Volke; wenn der Poet einige mühsam zusammen¬ geschweißte Reimereien und Ungereimtheiten drucken ließ, so glaubte er sich sofort neben Byron oder Göthe niedersetzen zu dürfen, und bemitleidete ein Publicum, welches lieber gute deutsche Bücher kaufte, als schlechte illyrische. Es ist be¬ merkenswerth, daß kein illyrisches Buch zweimal aufgelegt wurde; selten wurden von einem mehr als 500 Exemplare abgesetzt, von den meisten kaum die Hälfte dieser Zahl. Es ist daher bei den illyrischen Literaten förmlich Ton, sich über den Unverstand und die Undankbarkeit, des Publicums zu beklagen — ich wun¬ dere mich fast, daß diese Herren, welche Kroatien zu dessen großem Unglücke zwei Jahre lang (1848—1849) regiertet!, sich nicht während dieser Zeit durch ein Einfuhrverbot aller uicht-illyrischen Bücher aufzuhelfen suchten, um während dieser Zeit für ihre Platitüden offenen Markt zu erhalten. Wenn man über südslavische Literaturverhältnisse spricht, kann man es nicht vermeiden, die Namen Will Karadschitsch und Ljudewit Gaj zu nennen; nicht als ob man zwischen Wuk, einem Manne von unschätzbarem Verdienste, und einem Gaj, dessen Verdienst um die Literatur darin besteht, daß er illyrische Bücher um gutes Geld druckte und zum Druck aufmunterte, eine Parallele ziehen könnte, sondern weil Wuk durch die Herausgabe der serbischen Volkslieder that¬ sächlich die neue serbische Literatur schuf, Gaj aber den Jllyrismus erträumte, welcher dann ohne Gaj's directe Mitwirkung die Veranlassung zu einer neuen Literatur gab. Vor der Herausgabe der serbischen Volkslieder durch Wuk schrieb man in einem sonderbaren künstlichen Jargon, der „sloveno-serbische Sprache" hieß und jüngst von einem der ersten slavischen Philologen als „weder serbisch, noch slovenisch" charakteristrt wurde. Es sollte eigentlich Altslovenisch sein, die liturgische Sprache der slavischen Kirche, war aber ein Gemisch von Russisch und Serbisch, und Jeder schrieb es, wie er es eben verstand. Dosilhej Obradowitsch machte schon früher den Versuch, die Volkssprache in die Literatur einzuführen. Er schrieb gute Bücher in gutem Serbisch; sie wurden vom Volke gern gelesen, aber die Schriftgelehrten nahmen es ihm übel, daß er „in der Sprache alter Weiber und Ochsentreiber" rede, er blieb vereinzelt stehen. Obgleich das Volk für seinen Liebling Partei ergriff und seine Bücher voll praktischer Weisheit und reicher Welterfahrung das erklärte Liebliugöbuch der serbischen Nation wurden (selbst in deu letzten Jahren haben sie noch mehre Auflagen erlebt), so blieben die Literaten doch bei ihrem „ sloveno - serbisch ". Da erschienen die von Wuk gesammelten, schönen Volkslieder, welche in deutschen, französischen und englischen Uebersetzungen durch ganz Europa ver¬ breitet und bewundert wurden. Die „Sprache der alten Weiber und Ochsen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/428>, abgerufen am 24.07.2024.