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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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Vilmar und der Treubund in Kurhessen

Seit Anfang Novembers 1850 besteht nun auch ein kurhessischer Treubund
mit ähnlichen Tendenzen, wie der preußische. Die Statuten stellen folgende vier
Zwecke ans:

1. Stärkung der Treue für deu Kurfürsten und der Liebe zum Vaterlande,
Beobachtung und Aufrechthaltung der Gesetze überhaupt und des Staatsgruud-
gesetzes insbesondere.

2. Kräftige Geltendmachung der in der Landesverfassung enthaltenen mo¬
narchischen Elemente, Kampfe gegen die verderbliche Lehre der Volkssouveränität.

3. Kräftige Förderung christlichen Lebens und christlicher Sitte in allen
Volksclassen.

4. Gegenseitige Unterstützung aller Mitglieder des Bundes und entschiede¬
nes Auftreten durch jedes gesetzliche Mittel gegen Alles, was den Zwecken
des Bundes entgegensteht.

Man kann dem Programm, dem Wortlaut uach beipflichten und dennoch den
Beitritt zum Treubund ans den triftigsten Gründen ablehnen. Doch ist auch
Positiv 4 der Statuten uicht unbedenklich, da umlaufenden Gerüchten zufolge uuter
dem Ausdruck "jedes gesetzliche Mittel" auch das Denunciren mit einbegriffen
wird, weshalb man vor den Treubündlern im Allgemeinen hinsichtlich freier Mei¬
nungsäußerung sorgfältig auf der Hut sein muß.

Während der preußische Treubund zu eiuer Zeit entstand, wo die Revoln-
tionSwellen das Königthum zu verschlingen drohten, und sich im Kampf mit der
Revolution unleugbares Verdienst erworben hat, trat der knrhessische Treubund
erst ins Leben, als die Reaction bereits ihren letzten Sieg erkämpft hatte, unter
dem sicherm Geleit der Kanonen des Bundestages. Damals, als der Thron
wankte unter dem Stoß des dreisten Hanauer Ultimatums, obgleich die Häup¬
ter jener Partei die Revolution "herbeiregiert" hatten, rührte sich Keiner von
uusern "Getreuen;" die Rettung des Thrones überließen sie andern Männern,
die sie jetzt als Demokraten und Demokratengenvssen tagtäglich in ihren privili-
girten Blättern verlästern, während dnrch Unterdrückung aller unabhängigen Zei¬
tungen des Inlandes den Angegriffenen der Mund verschlossen gehalten wird.
Sogar der jetzige Demokratenfresser Vilmar, welchem von seinen eignen Partei¬
genossen im Jahr 1848 ein unverzeihliches "Buhlen" mit der Revolution vor¬
geworfen ward, hatte kein strafendes Wort für die Hanauer Märzerrungen-
schaften, sondern hat sie vielmehr in Ur. 8 des Volksfrenndes (25. April 1848)
beifällig anerkannt, indem er nur solche Männer für wählenswürdig erklärt,
"welche festhalten wollen, was wir in Hessen haben, vor allem unsere Verfassung


Vilmar und der Treubund in Kurhessen

Seit Anfang Novembers 1850 besteht nun auch ein kurhessischer Treubund
mit ähnlichen Tendenzen, wie der preußische. Die Statuten stellen folgende vier
Zwecke ans:

1. Stärkung der Treue für deu Kurfürsten und der Liebe zum Vaterlande,
Beobachtung und Aufrechthaltung der Gesetze überhaupt und des Staatsgruud-
gesetzes insbesondere.

2. Kräftige Geltendmachung der in der Landesverfassung enthaltenen mo¬
narchischen Elemente, Kampfe gegen die verderbliche Lehre der Volkssouveränität.

3. Kräftige Förderung christlichen Lebens und christlicher Sitte in allen
Volksclassen.

4. Gegenseitige Unterstützung aller Mitglieder des Bundes und entschiede¬
nes Auftreten durch jedes gesetzliche Mittel gegen Alles, was den Zwecken
des Bundes entgegensteht.

Man kann dem Programm, dem Wortlaut uach beipflichten und dennoch den
Beitritt zum Treubund ans den triftigsten Gründen ablehnen. Doch ist auch
Positiv 4 der Statuten uicht unbedenklich, da umlaufenden Gerüchten zufolge uuter
dem Ausdruck „jedes gesetzliche Mittel" auch das Denunciren mit einbegriffen
wird, weshalb man vor den Treubündlern im Allgemeinen hinsichtlich freier Mei¬
nungsäußerung sorgfältig auf der Hut sein muß.

Während der preußische Treubund zu eiuer Zeit entstand, wo die Revoln-
tionSwellen das Königthum zu verschlingen drohten, und sich im Kampf mit der
Revolution unleugbares Verdienst erworben hat, trat der knrhessische Treubund
erst ins Leben, als die Reaction bereits ihren letzten Sieg erkämpft hatte, unter
dem sicherm Geleit der Kanonen des Bundestages. Damals, als der Thron
wankte unter dem Stoß des dreisten Hanauer Ultimatums, obgleich die Häup¬
ter jener Partei die Revolution „herbeiregiert" hatten, rührte sich Keiner von
uusern „Getreuen;" die Rettung des Thrones überließen sie andern Männern,
die sie jetzt als Demokraten und Demokratengenvssen tagtäglich in ihren privili-
girten Blättern verlästern, während dnrch Unterdrückung aller unabhängigen Zei¬
tungen des Inlandes den Angegriffenen der Mund verschlossen gehalten wird.
Sogar der jetzige Demokratenfresser Vilmar, welchem von seinen eignen Partei¬
genossen im Jahr 1848 ein unverzeihliches „Buhlen" mit der Revolution vor¬
geworfen ward, hatte kein strafendes Wort für die Hanauer Märzerrungen-
schaften, sondern hat sie vielmehr in Ur. 8 des Volksfrenndes (25. April 1848)
beifällig anerkannt, indem er nur solche Männer für wählenswürdig erklärt,
„welche festhalten wollen, was wir in Hessen haben, vor allem unsere Verfassung


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[0355] Vilmar und der Treubund in Kurhessen Seit Anfang Novembers 1850 besteht nun auch ein kurhessischer Treubund mit ähnlichen Tendenzen, wie der preußische. Die Statuten stellen folgende vier Zwecke ans: 1. Stärkung der Treue für deu Kurfürsten und der Liebe zum Vaterlande, Beobachtung und Aufrechthaltung der Gesetze überhaupt und des Staatsgruud- gesetzes insbesondere. 2. Kräftige Geltendmachung der in der Landesverfassung enthaltenen mo¬ narchischen Elemente, Kampfe gegen die verderbliche Lehre der Volkssouveränität. 3. Kräftige Förderung christlichen Lebens und christlicher Sitte in allen Volksclassen. 4. Gegenseitige Unterstützung aller Mitglieder des Bundes und entschiede¬ nes Auftreten durch jedes gesetzliche Mittel gegen Alles, was den Zwecken des Bundes entgegensteht. Man kann dem Programm, dem Wortlaut uach beipflichten und dennoch den Beitritt zum Treubund ans den triftigsten Gründen ablehnen. Doch ist auch Positiv 4 der Statuten uicht unbedenklich, da umlaufenden Gerüchten zufolge uuter dem Ausdruck „jedes gesetzliche Mittel" auch das Denunciren mit einbegriffen wird, weshalb man vor den Treubündlern im Allgemeinen hinsichtlich freier Mei¬ nungsäußerung sorgfältig auf der Hut sein muß. Während der preußische Treubund zu eiuer Zeit entstand, wo die Revoln- tionSwellen das Königthum zu verschlingen drohten, und sich im Kampf mit der Revolution unleugbares Verdienst erworben hat, trat der knrhessische Treubund erst ins Leben, als die Reaction bereits ihren letzten Sieg erkämpft hatte, unter dem sicherm Geleit der Kanonen des Bundestages. Damals, als der Thron wankte unter dem Stoß des dreisten Hanauer Ultimatums, obgleich die Häup¬ ter jener Partei die Revolution „herbeiregiert" hatten, rührte sich Keiner von uusern „Getreuen;" die Rettung des Thrones überließen sie andern Männern, die sie jetzt als Demokraten und Demokratengenvssen tagtäglich in ihren privili- girten Blättern verlästern, während dnrch Unterdrückung aller unabhängigen Zei¬ tungen des Inlandes den Angegriffenen der Mund verschlossen gehalten wird. Sogar der jetzige Demokratenfresser Vilmar, welchem von seinen eignen Partei¬ genossen im Jahr 1848 ein unverzeihliches „Buhlen" mit der Revolution vor¬ geworfen ward, hatte kein strafendes Wort für die Hanauer Märzerrungen- schaften, sondern hat sie vielmehr in Ur. 8 des Volksfrenndes (25. April 1848) beifällig anerkannt, indem er nur solche Männer für wählenswürdig erklärt, „welche festhalten wollen, was wir in Hessen haben, vor allem unsere Verfassung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/355>, abgerufen am 24.07.2024.