Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.die Elbe Passiren könnten. Preußische Soldaten mußten ungarischen Regimentern Die Anwesenheit unsrer östreichischen Gäste ist übrigens unterhaltend genug, die Elbe Passiren könnten. Preußische Soldaten mußten ungarischen Regimentern Die Anwesenheit unsrer östreichischen Gäste ist übrigens unterhaltend genug, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0316" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/92054"/> <p xml:id="ID_990" prev="#ID_989"> die Elbe Passiren könnten. Preußische Soldaten mußten ungarischen Regimentern<lb/> Oestreichs den Weg ebnen, damit diese sich bequem in die Ostseeländer<lb/> hineinsehen tonnen! Was wohl der alte Fritz zu solcher Verwendung seiner<lb/> Soldaten gesagt hätte? Die Preußen, welche hierzu beordert wäre», schienen<lb/> das Unwürdige ihres Auftrages auch recht zu fühlen; sie sahen verzweifelt mürrisch<lb/> und niedergeschlagen ans, vielen Spott, sogar der mecklenburgischen Bauern,<lb/> ertragen zu müssen. Aber der Boitzeuburger Fährpächter, der eine Beeinträchtigung<lb/> seines Gewerbes in dieser Uebersetzung durch die Preußen sah, wollte diesen<lb/> Dienst der Preußen nicht dulden, und hat theilweise seinen Willen durchgesetzt.<lb/> So weit ist es jetzt mit dem preußischen Einstich hier oben in Norddeutschland<lb/> gediehen!</p><lb/> <p xml:id="ID_991" next="#ID_992"> Die Anwesenheit unsrer östreichischen Gäste ist übrigens unterhaltend genug,<lb/> wenn man es über sich gewinnen kann, auch diesem Unglück, wie der ganzen<lb/> deutschen Politik, die komische Seite abzugewinnen. Unzählige Anekdoten laufen<lb/> über die östreichische Einquartierung von Mund zu Mund. Am kläglichsten<lb/> benimmt sich der größte Theil des mecklenburgischen Landadels. Als diese Junker<lb/> im Sommer 1848 fürchteten, nnr einen Theil ihrer Privilegien, mit denen sie ans<lb/> Kosten der allgemeinen Wohlfahrt so überreichlich bedacht sind, ausgeben zu müssen,<lb/> waren sie im Geheimen — denn öffentlich wagten sie oft vor kläglicher Furcht<lb/> kaum die Augen aufzuschlagen — voll der reactionärsten Wünsche. „Wenn nnr die<lb/> Kosaken erst im' Lande wären; hundert Flaschen Champagner soll der erste<lb/> haben." Jetzt, wo sie theilweise starke östreichische Einquartierung auf ihren Gütern<lb/> erhalten, und oft an 20—30 hungerige czechische Mägen füllen und eben so viel<lb/> k. k. Pferde ausfüttern müssen, wollen sie von fremder Soldatenherrschaft nichts<lb/> mehr wissen. Die politischen Gesinnungen Oestreichs lieben sie wohl noch, die<lb/> Mägen seiner Soldaten mögen sie aber nicht mehr. Trotz des beständigen Geschreies<lb/> von Ritterlichkeit und adeliger Gesinnung, das sie so laut im Munde führen,<lb/> sind die meisten doch, wenn es auf das Juteresse ihrer Geldbeutel ankommt, eben<lb/> so plebejisch, wie die oft verhöhnten „Krämerseelen." Auch sind manchen unserer<lb/> Edelfrauen die östreichischen Officiere nicht vornehm genug und uicht für den<lb/> Salon gebildet, und sie beklagen sich bitter, jetzt mit Bürgerlichen an einem Tische<lb/> essen zu müssen, ein Fall, der sollst unerhört bei ihnen war. Eine charakteristische<lb/> Geschichte dieser Art ist bei einer sehr ahnenstolzen Frau v. — (der Großvater<lb/> ihres Mannes war ein reicher Lieferant in: Kriege, der sich den Adel für 2(100<lb/> Thaler kaufte) vorgekommen. Ein östreichischer Officier, ein schon bejahrter Mann,<lb/> war nebst 20 Soldaten als Einquartierung auf dem Gute und daher anch zur<lb/> Tafel gezogen, obschon das ungezwungene, nichts weniger als vornehme Wesen<lb/> desselben der gnädigen Fran nicht sonderlich behagen wollte. „Andere Sitten als<lb/> bei uns", dachte sie, „ein preußischer Gardeosficier würde mehr Tournüre haben;<lb/> doch der süddeutsche Adel soll sich ja leider über Manches hinwegsetzen." Bei</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0316]
die Elbe Passiren könnten. Preußische Soldaten mußten ungarischen Regimentern
Oestreichs den Weg ebnen, damit diese sich bequem in die Ostseeländer
hineinsehen tonnen! Was wohl der alte Fritz zu solcher Verwendung seiner
Soldaten gesagt hätte? Die Preußen, welche hierzu beordert wäre», schienen
das Unwürdige ihres Auftrages auch recht zu fühlen; sie sahen verzweifelt mürrisch
und niedergeschlagen ans, vielen Spott, sogar der mecklenburgischen Bauern,
ertragen zu müssen. Aber der Boitzeuburger Fährpächter, der eine Beeinträchtigung
seines Gewerbes in dieser Uebersetzung durch die Preußen sah, wollte diesen
Dienst der Preußen nicht dulden, und hat theilweise seinen Willen durchgesetzt.
So weit ist es jetzt mit dem preußischen Einstich hier oben in Norddeutschland
gediehen!
Die Anwesenheit unsrer östreichischen Gäste ist übrigens unterhaltend genug,
wenn man es über sich gewinnen kann, auch diesem Unglück, wie der ganzen
deutschen Politik, die komische Seite abzugewinnen. Unzählige Anekdoten laufen
über die östreichische Einquartierung von Mund zu Mund. Am kläglichsten
benimmt sich der größte Theil des mecklenburgischen Landadels. Als diese Junker
im Sommer 1848 fürchteten, nnr einen Theil ihrer Privilegien, mit denen sie ans
Kosten der allgemeinen Wohlfahrt so überreichlich bedacht sind, ausgeben zu müssen,
waren sie im Geheimen — denn öffentlich wagten sie oft vor kläglicher Furcht
kaum die Augen aufzuschlagen — voll der reactionärsten Wünsche. „Wenn nnr die
Kosaken erst im' Lande wären; hundert Flaschen Champagner soll der erste
haben." Jetzt, wo sie theilweise starke östreichische Einquartierung auf ihren Gütern
erhalten, und oft an 20—30 hungerige czechische Mägen füllen und eben so viel
k. k. Pferde ausfüttern müssen, wollen sie von fremder Soldatenherrschaft nichts
mehr wissen. Die politischen Gesinnungen Oestreichs lieben sie wohl noch, die
Mägen seiner Soldaten mögen sie aber nicht mehr. Trotz des beständigen Geschreies
von Ritterlichkeit und adeliger Gesinnung, das sie so laut im Munde führen,
sind die meisten doch, wenn es auf das Juteresse ihrer Geldbeutel ankommt, eben
so plebejisch, wie die oft verhöhnten „Krämerseelen." Auch sind manchen unserer
Edelfrauen die östreichischen Officiere nicht vornehm genug und uicht für den
Salon gebildet, und sie beklagen sich bitter, jetzt mit Bürgerlichen an einem Tische
essen zu müssen, ein Fall, der sollst unerhört bei ihnen war. Eine charakteristische
Geschichte dieser Art ist bei einer sehr ahnenstolzen Frau v. — (der Großvater
ihres Mannes war ein reicher Lieferant in: Kriege, der sich den Adel für 2(100
Thaler kaufte) vorgekommen. Ein östreichischer Officier, ein schon bejahrter Mann,
war nebst 20 Soldaten als Einquartierung auf dem Gute und daher anch zur
Tafel gezogen, obschon das ungezwungene, nichts weniger als vornehme Wesen
desselben der gnädigen Fran nicht sonderlich behagen wollte. „Andere Sitten als
bei uns", dachte sie, „ein preußischer Gardeosficier würde mehr Tournüre haben;
doch der süddeutsche Adel soll sich ja leider über Manches hinwegsetzen." Bei
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