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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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Bögen, welche sich in einen sonderbar winkelig gebauten Raum öffnen. Durch
die Fenster desselben erblickt man an den Wänden des zweiten Hofes einen von
dem hier lebenden Bildhauer Schievelbein gearbeiteten Fries. Der eigentliche
Standpunkt für die Betrachtung dieses Sculpturwerkeö scheint ans der Gallerte
des Hofes gedacht zu sein. Wir haben Gelegenheit gehabt, die Composition des
Frieses auf der letzten großen Kunstausstellung näher in das Auge zu fassen. Er
stellt deu Untergang Pompejis durch die furchtbaren Naturgewalten dar, eine für
die plastische Kunst höchst schwierige Aufgabe. Man sieht Helios niederfahren,
während Selene heraufsteigt. Poseidon scheint von dem unterirdischen Hephästos
emporgetragen, die überfluthenden Gewässer des Meeres durch den Ausbruch des
vulcanischen Fenerelements herangetrieben zu werden. Die lebensvolle Darstellung
in manchen schönen und kräftigen Gruppen zeugt von dem ernsten Studium des
Künstlers.

Zwölf Säulen tragen in zwei Reihen die Decke des nächsten Saales, thei¬
len ihn in drei gleiche Längenabschnitte, und stehen durch je drei Bogen unter
sich und mit den Seitenwänden in Verbindung. Sieben Deckengemälde verbild¬
lichen die erzeugenden nud plastischen Gewerbe und Künste des Menschen. Von
jenseits eröffnen Viehzucht, Unterhalt und Weinbau auf dem ersten Bilde den
Reigen, auf dem zweiten leert die Glücksgöttin ein Füllhorn geschnittener und
geprägter Münzen, ans dem dritten zeigen sich Sculpwr und Malerei, auf dem
vierten die Baukunst, auf dem fünften die Goldschmiedekunst, auf dem sechsten
die Eisenschmiede- ans dein siebenten die Maschinenbaukunst. Dieser Saal wird
Abgüsse der besten Werke des Mittelalters und neuerer Zeit aufnehmen. Ich sah
bereits darin einen Gypsabguß einer der berühmten Bronzethüren von San
Giovanni in Florenz, die biblische Geschichte darstellend. Er wird vermuthlich
uoch die Bronzefarbe des Originals erhalten.

Treten wir nun wieder hinaus auf die erste Gallerie des Treppenhauses und
steigen eine.der beiden Obertreppen hinauf zu dem Karyatidentempel, so haben
wir links den nach Norden zu belegenen Flügel des Gebäudes, welcher in aus¬
gedehnten, und einfacher Eleganz ausgestatteten Räumen das Kupferstichcabinet
enthält: zwei lauge Säle für die Kupferstiche und sonstigen Kunstdrucke, einen
kleineren für die Handzeichnungen, ein Zimmer für den Director und ein Biblio¬
thekzimmer. Der Professor Schorn bekleidet jetzt die Stelle des Directors.
Durch die mancherlei Holztäfeluugen, die blanken Holzschränke und namentlich
die nach der Badmeyer'sehen patentirter Erfindung zusammengefügten eichenen
Parquetfußbödeu, welche sich durch das ganze dritte Geschoß erstrecken, versetzen
diese Räume den Besucher in eine behagliche Stimmung. Da gerade das Stu¬
dium von Kupferstichen und Handzeichnungen für künstlerische und historische Zwecke
von umfassender Wichtigkeit ist, so hat man hier in zweckmäßiger Weise eine Ab-


Bögen, welche sich in einen sonderbar winkelig gebauten Raum öffnen. Durch
die Fenster desselben erblickt man an den Wänden des zweiten Hofes einen von
dem hier lebenden Bildhauer Schievelbein gearbeiteten Fries. Der eigentliche
Standpunkt für die Betrachtung dieses Sculpturwerkeö scheint ans der Gallerte
des Hofes gedacht zu sein. Wir haben Gelegenheit gehabt, die Composition des
Frieses auf der letzten großen Kunstausstellung näher in das Auge zu fassen. Er
stellt deu Untergang Pompejis durch die furchtbaren Naturgewalten dar, eine für
die plastische Kunst höchst schwierige Aufgabe. Man sieht Helios niederfahren,
während Selene heraufsteigt. Poseidon scheint von dem unterirdischen Hephästos
emporgetragen, die überfluthenden Gewässer des Meeres durch den Ausbruch des
vulcanischen Fenerelements herangetrieben zu werden. Die lebensvolle Darstellung
in manchen schönen und kräftigen Gruppen zeugt von dem ernsten Studium des
Künstlers.

Zwölf Säulen tragen in zwei Reihen die Decke des nächsten Saales, thei¬
len ihn in drei gleiche Längenabschnitte, und stehen durch je drei Bogen unter
sich und mit den Seitenwänden in Verbindung. Sieben Deckengemälde verbild¬
lichen die erzeugenden nud plastischen Gewerbe und Künste des Menschen. Von
jenseits eröffnen Viehzucht, Unterhalt und Weinbau auf dem ersten Bilde den
Reigen, auf dem zweiten leert die Glücksgöttin ein Füllhorn geschnittener und
geprägter Münzen, ans dem dritten zeigen sich Sculpwr und Malerei, auf dem
vierten die Baukunst, auf dem fünften die Goldschmiedekunst, auf dem sechsten
die Eisenschmiede- ans dein siebenten die Maschinenbaukunst. Dieser Saal wird
Abgüsse der besten Werke des Mittelalters und neuerer Zeit aufnehmen. Ich sah
bereits darin einen Gypsabguß einer der berühmten Bronzethüren von San
Giovanni in Florenz, die biblische Geschichte darstellend. Er wird vermuthlich
uoch die Bronzefarbe des Originals erhalten.

Treten wir nun wieder hinaus auf die erste Gallerie des Treppenhauses und
steigen eine.der beiden Obertreppen hinauf zu dem Karyatidentempel, so haben
wir links den nach Norden zu belegenen Flügel des Gebäudes, welcher in aus¬
gedehnten, und einfacher Eleganz ausgestatteten Räumen das Kupferstichcabinet
enthält: zwei lauge Säle für die Kupferstiche und sonstigen Kunstdrucke, einen
kleineren für die Handzeichnungen, ein Zimmer für den Director und ein Biblio¬
thekzimmer. Der Professor Schorn bekleidet jetzt die Stelle des Directors.
Durch die mancherlei Holztäfeluugen, die blanken Holzschränke und namentlich
die nach der Badmeyer'sehen patentirter Erfindung zusammengefügten eichenen
Parquetfußbödeu, welche sich durch das ganze dritte Geschoß erstrecken, versetzen
diese Räume den Besucher in eine behagliche Stimmung. Da gerade das Stu¬
dium von Kupferstichen und Handzeichnungen für künstlerische und historische Zwecke
von umfassender Wichtigkeit ist, so hat man hier in zweckmäßiger Weise eine Ab-


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[0304] Bögen, welche sich in einen sonderbar winkelig gebauten Raum öffnen. Durch die Fenster desselben erblickt man an den Wänden des zweiten Hofes einen von dem hier lebenden Bildhauer Schievelbein gearbeiteten Fries. Der eigentliche Standpunkt für die Betrachtung dieses Sculpturwerkeö scheint ans der Gallerte des Hofes gedacht zu sein. Wir haben Gelegenheit gehabt, die Composition des Frieses auf der letzten großen Kunstausstellung näher in das Auge zu fassen. Er stellt deu Untergang Pompejis durch die furchtbaren Naturgewalten dar, eine für die plastische Kunst höchst schwierige Aufgabe. Man sieht Helios niederfahren, während Selene heraufsteigt. Poseidon scheint von dem unterirdischen Hephästos emporgetragen, die überfluthenden Gewässer des Meeres durch den Ausbruch des vulcanischen Fenerelements herangetrieben zu werden. Die lebensvolle Darstellung in manchen schönen und kräftigen Gruppen zeugt von dem ernsten Studium des Künstlers. Zwölf Säulen tragen in zwei Reihen die Decke des nächsten Saales, thei¬ len ihn in drei gleiche Längenabschnitte, und stehen durch je drei Bogen unter sich und mit den Seitenwänden in Verbindung. Sieben Deckengemälde verbild¬ lichen die erzeugenden nud plastischen Gewerbe und Künste des Menschen. Von jenseits eröffnen Viehzucht, Unterhalt und Weinbau auf dem ersten Bilde den Reigen, auf dem zweiten leert die Glücksgöttin ein Füllhorn geschnittener und geprägter Münzen, ans dem dritten zeigen sich Sculpwr und Malerei, auf dem vierten die Baukunst, auf dem fünften die Goldschmiedekunst, auf dem sechsten die Eisenschmiede- ans dein siebenten die Maschinenbaukunst. Dieser Saal wird Abgüsse der besten Werke des Mittelalters und neuerer Zeit aufnehmen. Ich sah bereits darin einen Gypsabguß einer der berühmten Bronzethüren von San Giovanni in Florenz, die biblische Geschichte darstellend. Er wird vermuthlich uoch die Bronzefarbe des Originals erhalten. Treten wir nun wieder hinaus auf die erste Gallerie des Treppenhauses und steigen eine.der beiden Obertreppen hinauf zu dem Karyatidentempel, so haben wir links den nach Norden zu belegenen Flügel des Gebäudes, welcher in aus¬ gedehnten, und einfacher Eleganz ausgestatteten Räumen das Kupferstichcabinet enthält: zwei lauge Säle für die Kupferstiche und sonstigen Kunstdrucke, einen kleineren für die Handzeichnungen, ein Zimmer für den Director und ein Biblio¬ thekzimmer. Der Professor Schorn bekleidet jetzt die Stelle des Directors. Durch die mancherlei Holztäfeluugen, die blanken Holzschränke und namentlich die nach der Badmeyer'sehen patentirter Erfindung zusammengefügten eichenen Parquetfußbödeu, welche sich durch das ganze dritte Geschoß erstrecken, versetzen diese Räume den Besucher in eine behagliche Stimmung. Da gerade das Stu¬ dium von Kupferstichen und Handzeichnungen für künstlerische und historische Zwecke von umfassender Wichtigkeit ist, so hat man hier in zweckmäßiger Weise eine Ab-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/304>, abgerufen am 24.07.2024.