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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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waren, obgleich das preußische Heer vielfach aushalf, bei den kriegerischen Aspectcn
des Jahres sehr schwer zu bekommen, und man mußte nothgedrungen zu Wahlen
schreiten, die sich später als ganz ungenügend erwiesen. Dazu kam, daß die
damals in Deutschland noch mächtige demokratische Partei ein Hauptaugenmerk
auf das Schleswig-holsteinische Heer geworfen hatte und eifrig bemüht war, durch
ihre wunderlichen Theorien Zuchtlosigkeit und Jndisciplin in den Reihen desselben
zu verbreiten. General Bonin mußte seine ganze Energie aufbieten und sehr
strenge Exempel statuiren, worüber freilich die demokratische Presse ein wüstes
Geschrei erhob, die aber dringend nothwendig waren, um die Zuchtlosigkeit gleich
bei ihrem Entstehen niederzudrücken. Es ist ihm dies geglückt; der Geist
militärischer Disciplin wurde in dem jungen Heere fest gegründet, und
unter allen den verschiedenen deutschen Truppen, die im Sommer 1849 in
Schleswig fechten sollten, war mit Ausnahme der Preußen und Hannoveraner
die Disciplin nirgend so streng wie bei dem Heere des Landes. Was
General Bonin nicht selbst zu schaffen vermochte, das leistete der ausgezeichnete
Chef seines Stabes, Hauptmann Delius ans Berlin, der mit dem tüchtigen Oberst
Se. Paul in den Laufgräben vor Friedericia den Heldentod fand, ein ganz
unersetzlicher Verlust für Schleswig-Holstein! Grade hierin bestand nämlich ein
Hauptvei dienst des Obergenerals, daß er ohne Neid und Eifersucht ausgezeichnete
Fähigkeiten bei anderen Officieren erkannte, ja denselben vor seinen eigenen den
Vorrang einräumte. Daß Delius ein glänzendes militärisches Genie war,
wie es wenige gibt, erkannte General Bonin sogleich, fügte sich oft willig den
höheren Fähigkeiten dieses außerordentlichen Mannes und machte ihn zur Seele
seines Geueralstabeö, zum Hauptleiter aller Geschäfte. -- Ob große Feldherrntalente,
geniale Kraft, besondere theoretische Bildung charakteristische Vorzüge des Generals
von Bonin sind , weiß ich nicht, zuverlässig aber ist er ein tüchtiger praktischer
Kopf, ein grader, fester, ehrlicher Charakter. Bei den Soldaten der von ihm
geschaffenen Armee war er fast ohne Ausnahme sehr beliebt; sein schlichtes
nnstudirteS und männliches Wesen paßte trefflich zu dem Wesen des holsteinischen
Volkes. Alle Soldaten hatten eine aufrichtige Freude, wenn der General in
ihre Mitte trat, und das kräftige "Guten Morgen, Excellenz," womit sie ihn
stets begrüßten, war keine eingeübte Formel.

Kaltblütigkeit und persönliche Bravour besitzt Bonin in hohem Grade; er
hat dies 1848 bei Schleswig und 1849 in den Gefechten bei Kolding, Gndsee
und Friedericia bewiesen, soll auch schon als junger preußischer Officier in den
französischen Kriegen sich ausgezeichnet haben. An der Schlacht von Friedericia
ist Unvorsichtigkeit und Mißachtung der Feinde -- bis vor Jdstedt ein Haupt¬
fehler der ganzen Armee -- Schuld, das Unglück hätte bei größerer Vorsicht
Bonin's wohl vermieden werden können. Der Tod von Hauptmann Delius und
Oberst Se. Paul wurde von da an oft recht fühlbar. Im Allgemeinen aber


waren, obgleich das preußische Heer vielfach aushalf, bei den kriegerischen Aspectcn
des Jahres sehr schwer zu bekommen, und man mußte nothgedrungen zu Wahlen
schreiten, die sich später als ganz ungenügend erwiesen. Dazu kam, daß die
damals in Deutschland noch mächtige demokratische Partei ein Hauptaugenmerk
auf das Schleswig-holsteinische Heer geworfen hatte und eifrig bemüht war, durch
ihre wunderlichen Theorien Zuchtlosigkeit und Jndisciplin in den Reihen desselben
zu verbreiten. General Bonin mußte seine ganze Energie aufbieten und sehr
strenge Exempel statuiren, worüber freilich die demokratische Presse ein wüstes
Geschrei erhob, die aber dringend nothwendig waren, um die Zuchtlosigkeit gleich
bei ihrem Entstehen niederzudrücken. Es ist ihm dies geglückt; der Geist
militärischer Disciplin wurde in dem jungen Heere fest gegründet, und
unter allen den verschiedenen deutschen Truppen, die im Sommer 1849 in
Schleswig fechten sollten, war mit Ausnahme der Preußen und Hannoveraner
die Disciplin nirgend so streng wie bei dem Heere des Landes. Was
General Bonin nicht selbst zu schaffen vermochte, das leistete der ausgezeichnete
Chef seines Stabes, Hauptmann Delius ans Berlin, der mit dem tüchtigen Oberst
Se. Paul in den Laufgräben vor Friedericia den Heldentod fand, ein ganz
unersetzlicher Verlust für Schleswig-Holstein! Grade hierin bestand nämlich ein
Hauptvei dienst des Obergenerals, daß er ohne Neid und Eifersucht ausgezeichnete
Fähigkeiten bei anderen Officieren erkannte, ja denselben vor seinen eigenen den
Vorrang einräumte. Daß Delius ein glänzendes militärisches Genie war,
wie es wenige gibt, erkannte General Bonin sogleich, fügte sich oft willig den
höheren Fähigkeiten dieses außerordentlichen Mannes und machte ihn zur Seele
seines Geueralstabeö, zum Hauptleiter aller Geschäfte. — Ob große Feldherrntalente,
geniale Kraft, besondere theoretische Bildung charakteristische Vorzüge des Generals
von Bonin sind , weiß ich nicht, zuverlässig aber ist er ein tüchtiger praktischer
Kopf, ein grader, fester, ehrlicher Charakter. Bei den Soldaten der von ihm
geschaffenen Armee war er fast ohne Ausnahme sehr beliebt; sein schlichtes
nnstudirteS und männliches Wesen paßte trefflich zu dem Wesen des holsteinischen
Volkes. Alle Soldaten hatten eine aufrichtige Freude, wenn der General in
ihre Mitte trat, und das kräftige „Guten Morgen, Excellenz," womit sie ihn
stets begrüßten, war keine eingeübte Formel.

Kaltblütigkeit und persönliche Bravour besitzt Bonin in hohem Grade; er
hat dies 1848 bei Schleswig und 1849 in den Gefechten bei Kolding, Gndsee
und Friedericia bewiesen, soll auch schon als junger preußischer Officier in den
französischen Kriegen sich ausgezeichnet haben. An der Schlacht von Friedericia
ist Unvorsichtigkeit und Mißachtung der Feinde — bis vor Jdstedt ein Haupt¬
fehler der ganzen Armee — Schuld, das Unglück hätte bei größerer Vorsicht
Bonin's wohl vermieden werden können. Der Tod von Hauptmann Delius und
Oberst Se. Paul wurde von da an oft recht fühlbar. Im Allgemeinen aber


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/25>, abgerufen am 04.07.2024.