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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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Einfalt bis zum achtzehnten Jahre. Unbekannt mit der Welt und von Kindes¬
beinen an gewohnt, den Pfarrer als Herrn und Meister seines Vaters zu respec-
tiren, ward er dem geistlichen Stande gewidmet und in den Kreuzherrenconvent
als Novize aufgenommen, um dort der Welt zu entsagen, die ihm ganz fremd
und unbekannt geblieben war. Das stille, hochumzännte Pfarrgärtchen mit seinem
duftenden Rosmarin, die summenden Bienen und eine dort nistende Grasmücke
waren bis dahin Smetana's Welt gewesen. Der stille Jüngling lebte träumend
in sich herein, und aus dem Grübeln des Einsamen entwickelte sich allmälig ein
forschender, philosophischer Geist. Seine Studien in klösterlicher Zurückgezogen-
heit fortsetzen zu können, erschien ihm als ein Glück; er trat in die theologischen
Studien ein. Allerdings schlugen diese, zumal in der Art, wie sie in der theolo¬
gischen Lehranstalt getrieben werden, den anstrebenden Geist des unerfahrenen
Jünglings in beengende Fesseln. Eine gewisse Ahnung der Zukunft bewog ihn,
sich mit Dr. Exner, damals Professor der Philosophie und eine Autorität für die
Studirenden, zu berathen. Er frug in harmloser Hilflosigkeit ängstlich den Ge¬
lehrten, ob sich wohl die Pflichten eines katholischen Klostergeistlichen mit philo¬
sophischen Forschungen, zu welchen er sich unwiderstehlich hingezogen fühle, irgend
vereinigen ließen. Der Rathgeber war unbedacht genug, dem Jünglinge zu ver¬
sichern, er möge trotz seines Forschungseifers unbedenklich den Priesterstand zum
Lebensberuf wählen.

So wurde Smetana auch von außen bestimmt, seinen verhängnißvollen Weg
zu gehen. Seine wissenschaftliche Richtung wurde dem Ordeusvorstande bald un¬
liebsam kund; und um ihn davou abzuziehen, ward ihm das Kellermeisteramj-
im Kloster zugewiesen: auf diesem Wege hoffte man den zweifelnden Geist zu
ertödten! Doch Smetana überwand alle Schwierigkeiten, welche ihm mit gesuchter
Absichtlichkeit in den Weg gelegt wurden, und erlangte die philosophische Doctor-
würde, welche ihm nnr mit der, gar ungern, ertheilten Genehmigung des Or¬
densvorstandes zuerkannt werdeu durste. Als supplirender Professor der Philosophie
und der classischen Studien erwarb sich Smetana die Liebe seiner jugendlichen
Schüler, und entwickelte eine bedeutsame literarische Thätigkeit. Der Bewahrer
seines literarischen Nachlasses wird diesen nächstens der Oeffentlichkeit übergeben
und eine Biographie Smetana's vorangehen lassen. Wir greifen diesem Unter¬
nehmen nicht vor und wollen hier nur die prägnantesten Momente seiner letzten
Lebenszeit mittheilen.

Das innere Treiben des Klosters, welchem Smetana angehörte, konnte diesem
sittlich reinen Charakter nicht zusagen; er fand sich bitter enttäuscht, denn er fand im
Kloster nicht das gehoffte friedliche Asyl für seiue Studien, sondern eine heimlich
sündige Welt, nach außen abgeschieden durch gleißende, mit Heiligenbildern aus-
staffirte Mauern. Die Existenz in dem Convente ward ihm endlich ein Greuel,
das Leben in dem unbedacht gewählten Berufe ertrug er kaum; sein Lehramt


Einfalt bis zum achtzehnten Jahre. Unbekannt mit der Welt und von Kindes¬
beinen an gewohnt, den Pfarrer als Herrn und Meister seines Vaters zu respec-
tiren, ward er dem geistlichen Stande gewidmet und in den Kreuzherrenconvent
als Novize aufgenommen, um dort der Welt zu entsagen, die ihm ganz fremd
und unbekannt geblieben war. Das stille, hochumzännte Pfarrgärtchen mit seinem
duftenden Rosmarin, die summenden Bienen und eine dort nistende Grasmücke
waren bis dahin Smetana's Welt gewesen. Der stille Jüngling lebte träumend
in sich herein, und aus dem Grübeln des Einsamen entwickelte sich allmälig ein
forschender, philosophischer Geist. Seine Studien in klösterlicher Zurückgezogen-
heit fortsetzen zu können, erschien ihm als ein Glück; er trat in die theologischen
Studien ein. Allerdings schlugen diese, zumal in der Art, wie sie in der theolo¬
gischen Lehranstalt getrieben werden, den anstrebenden Geist des unerfahrenen
Jünglings in beengende Fesseln. Eine gewisse Ahnung der Zukunft bewog ihn,
sich mit Dr. Exner, damals Professor der Philosophie und eine Autorität für die
Studirenden, zu berathen. Er frug in harmloser Hilflosigkeit ängstlich den Ge¬
lehrten, ob sich wohl die Pflichten eines katholischen Klostergeistlichen mit philo¬
sophischen Forschungen, zu welchen er sich unwiderstehlich hingezogen fühle, irgend
vereinigen ließen. Der Rathgeber war unbedacht genug, dem Jünglinge zu ver¬
sichern, er möge trotz seines Forschungseifers unbedenklich den Priesterstand zum
Lebensberuf wählen.

So wurde Smetana auch von außen bestimmt, seinen verhängnißvollen Weg
zu gehen. Seine wissenschaftliche Richtung wurde dem Ordeusvorstande bald un¬
liebsam kund; und um ihn davou abzuziehen, ward ihm das Kellermeisteramj-
im Kloster zugewiesen: auf diesem Wege hoffte man den zweifelnden Geist zu
ertödten! Doch Smetana überwand alle Schwierigkeiten, welche ihm mit gesuchter
Absichtlichkeit in den Weg gelegt wurden, und erlangte die philosophische Doctor-
würde, welche ihm nnr mit der, gar ungern, ertheilten Genehmigung des Or¬
densvorstandes zuerkannt werdeu durste. Als supplirender Professor der Philosophie
und der classischen Studien erwarb sich Smetana die Liebe seiner jugendlichen
Schüler, und entwickelte eine bedeutsame literarische Thätigkeit. Der Bewahrer
seines literarischen Nachlasses wird diesen nächstens der Oeffentlichkeit übergeben
und eine Biographie Smetana's vorangehen lassen. Wir greifen diesem Unter¬
nehmen nicht vor und wollen hier nur die prägnantesten Momente seiner letzten
Lebenszeit mittheilen.

Das innere Treiben des Klosters, welchem Smetana angehörte, konnte diesem
sittlich reinen Charakter nicht zusagen; er fand sich bitter enttäuscht, denn er fand im
Kloster nicht das gehoffte friedliche Asyl für seiue Studien, sondern eine heimlich
sündige Welt, nach außen abgeschieden durch gleißende, mit Heiligenbildern aus-
staffirte Mauern. Die Existenz in dem Convente ward ihm endlich ein Greuel,
das Leben in dem unbedacht gewählten Berufe ertrug er kaum; sein Lehramt


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[0242] Einfalt bis zum achtzehnten Jahre. Unbekannt mit der Welt und von Kindes¬ beinen an gewohnt, den Pfarrer als Herrn und Meister seines Vaters zu respec- tiren, ward er dem geistlichen Stande gewidmet und in den Kreuzherrenconvent als Novize aufgenommen, um dort der Welt zu entsagen, die ihm ganz fremd und unbekannt geblieben war. Das stille, hochumzännte Pfarrgärtchen mit seinem duftenden Rosmarin, die summenden Bienen und eine dort nistende Grasmücke waren bis dahin Smetana's Welt gewesen. Der stille Jüngling lebte träumend in sich herein, und aus dem Grübeln des Einsamen entwickelte sich allmälig ein forschender, philosophischer Geist. Seine Studien in klösterlicher Zurückgezogen- heit fortsetzen zu können, erschien ihm als ein Glück; er trat in die theologischen Studien ein. Allerdings schlugen diese, zumal in der Art, wie sie in der theolo¬ gischen Lehranstalt getrieben werden, den anstrebenden Geist des unerfahrenen Jünglings in beengende Fesseln. Eine gewisse Ahnung der Zukunft bewog ihn, sich mit Dr. Exner, damals Professor der Philosophie und eine Autorität für die Studirenden, zu berathen. Er frug in harmloser Hilflosigkeit ängstlich den Ge¬ lehrten, ob sich wohl die Pflichten eines katholischen Klostergeistlichen mit philo¬ sophischen Forschungen, zu welchen er sich unwiderstehlich hingezogen fühle, irgend vereinigen ließen. Der Rathgeber war unbedacht genug, dem Jünglinge zu ver¬ sichern, er möge trotz seines Forschungseifers unbedenklich den Priesterstand zum Lebensberuf wählen. So wurde Smetana auch von außen bestimmt, seinen verhängnißvollen Weg zu gehen. Seine wissenschaftliche Richtung wurde dem Ordeusvorstande bald un¬ liebsam kund; und um ihn davou abzuziehen, ward ihm das Kellermeisteramj- im Kloster zugewiesen: auf diesem Wege hoffte man den zweifelnden Geist zu ertödten! Doch Smetana überwand alle Schwierigkeiten, welche ihm mit gesuchter Absichtlichkeit in den Weg gelegt wurden, und erlangte die philosophische Doctor- würde, welche ihm nnr mit der, gar ungern, ertheilten Genehmigung des Or¬ densvorstandes zuerkannt werdeu durste. Als supplirender Professor der Philosophie und der classischen Studien erwarb sich Smetana die Liebe seiner jugendlichen Schüler, und entwickelte eine bedeutsame literarische Thätigkeit. Der Bewahrer seines literarischen Nachlasses wird diesen nächstens der Oeffentlichkeit übergeben und eine Biographie Smetana's vorangehen lassen. Wir greifen diesem Unter¬ nehmen nicht vor und wollen hier nur die prägnantesten Momente seiner letzten Lebenszeit mittheilen. Das innere Treiben des Klosters, welchem Smetana angehörte, konnte diesem sittlich reinen Charakter nicht zusagen; er fand sich bitter enttäuscht, denn er fand im Kloster nicht das gehoffte friedliche Asyl für seiue Studien, sondern eine heimlich sündige Welt, nach außen abgeschieden durch gleißende, mit Heiligenbildern aus- staffirte Mauern. Die Existenz in dem Convente ward ihm endlich ein Greuel, das Leben in dem unbedacht gewählten Berufe ertrug er kaum; sein Lehramt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/242>, abgerufen am 24.07.2024.