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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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grenze verpflanzt, die wenig zu den dortigen Einrichtungen passen. Der längere
Aufenthalt in Italien soll in dieser Hinsicht einen für die f. k. Regierung nicbt
angenehmen Einfluß auf die Grenztruppen gezeigt baben. Bei den letzten Rüstungen
gegen Preußen ist ein Theil der Mannschaft nnr um Widerwillen marschirt. Das
Versprechen einer reichen Bente mußte locken. Wir hörten vor kurzer Zeit Grenz¬
soldaten eiues Regiments, die in Böhmen standen, über Oestreichs Herr-
schaft und das Loos, welches ihnen vou dieser bereitet würde, in eiuer Weise
sprechen, die uns wahrhaft in Erstaunen versetzte, so sehr wich sie von dem ab,
was wir sonst von diesen Leuten gewöhnt waren. -- Ebenso verschieden wie die
Abstammung der Grenzer sind auch ihre militärischen Eigenschaften. Die besten
sind entschieden die Szekler, die muthigsten Soldaten der Welt, dann kommen die
Serben, die schlechtesten sind die Walachen, denen kein Ueberfluß an Muth, da¬
gegen viel Grausamkeit nud Tücke innewohnt. Die Croaten und Slavonier siud
sehr gut im kleinen Krieg, der viel Ausdauer und Wachsamkeit, List, Ertragung'
von Strapatzeu und Entbehrungen aller Art und scharfe Sinne erfordert, dagegen
in großer offener Feldschlacht grade nicht sonderlich brauchbar. Gegen feindliche
Batterien haben im letzten Kriege in Italien die arvalischen Truppen sich größtentheils
sehr mäßig geschlagen; sie siud weit hinter alleu andern Regimentern der Armee zu¬
rückgeblieben. Auch sonst will man sie in Italien, selbst im Heere, nicht recht
loben, und der Marschall Radetzky soll stets gewünscht haben, statt der Grenztruppen
andere Linie zu erhalten. Trotz der harten Strafen und der beständigen Anwen-
dung des Stockes ist die Disciplin in deu arvalischen und walachischen Regimen¬
tern nicht vorzüglich, und die Officiere haben ans dem Marsch oft einen schweren
Stand. Namentlich ist das Mausen eine so unbezwingliche Neigung, daß sie
dnrch keine Strafen abgehalten werden können. Auch siud sie meistens dem
Trunke ergeben und sehr unreinlich und unordentlich. Wenn sie nicht gereizt
oder berauscht siud, zeigen die Meisten große Gutmüthigkeit, Gefälligkeit, Zuthu-
lichkeit und besonders eine merkwürdige Liebe zu Kindern. Ist ihre Wuth
aber aufgestachelt, so siud sie oft uicht Meuscheu, souderu wilde Bestien. Noch
wilder und roher als die Croaten und Slavonier siud die Serben und Szekler,
obgleich Letztere wieder manche gute moralische Eigenschaften haben, die Ersteren
fehlen.

Die Officiere der Grenzregimenter stammen meistentheils ans den Distrikten
nud siud zur großen Hälfte wieder Sohne vou Greuzofficiereu. Für andere
Officiere ist der Dienst in deu Grenztruppen wegen der mancherlei Eigenthüm¬
lichkeiten derselben nicht leicht und angenehm und anch bei dem Aufenthalt auf
deu von aller Civilisation entlegenen einsamen Dörfern, in denen außer in .Kriegs¬
zeiten die meisten Grenzofficie.e Jahr aus Jahr ein leben, uicht beliebt. Da
übrigeus jeder Greuzofsicier eine eigene Wohnung und Feldbau hat, die meisten
Lebensmittel anch sehr wohlfeil siud, und eine Familie uicht viel Ausgaben macht,


Grenzboten. >. 1851. 2-5

grenze verpflanzt, die wenig zu den dortigen Einrichtungen passen. Der längere
Aufenthalt in Italien soll in dieser Hinsicht einen für die f. k. Regierung nicbt
angenehmen Einfluß auf die Grenztruppen gezeigt baben. Bei den letzten Rüstungen
gegen Preußen ist ein Theil der Mannschaft nnr um Widerwillen marschirt. Das
Versprechen einer reichen Bente mußte locken. Wir hörten vor kurzer Zeit Grenz¬
soldaten eiues Regiments, die in Böhmen standen, über Oestreichs Herr-
schaft und das Loos, welches ihnen vou dieser bereitet würde, in eiuer Weise
sprechen, die uns wahrhaft in Erstaunen versetzte, so sehr wich sie von dem ab,
was wir sonst von diesen Leuten gewöhnt waren. — Ebenso verschieden wie die
Abstammung der Grenzer sind auch ihre militärischen Eigenschaften. Die besten
sind entschieden die Szekler, die muthigsten Soldaten der Welt, dann kommen die
Serben, die schlechtesten sind die Walachen, denen kein Ueberfluß an Muth, da¬
gegen viel Grausamkeit nud Tücke innewohnt. Die Croaten und Slavonier siud
sehr gut im kleinen Krieg, der viel Ausdauer und Wachsamkeit, List, Ertragung'
von Strapatzeu und Entbehrungen aller Art und scharfe Sinne erfordert, dagegen
in großer offener Feldschlacht grade nicht sonderlich brauchbar. Gegen feindliche
Batterien haben im letzten Kriege in Italien die arvalischen Truppen sich größtentheils
sehr mäßig geschlagen; sie siud weit hinter alleu andern Regimentern der Armee zu¬
rückgeblieben. Auch sonst will man sie in Italien, selbst im Heere, nicht recht
loben, und der Marschall Radetzky soll stets gewünscht haben, statt der Grenztruppen
andere Linie zu erhalten. Trotz der harten Strafen und der beständigen Anwen-
dung des Stockes ist die Disciplin in deu arvalischen und walachischen Regimen¬
tern nicht vorzüglich, und die Officiere haben ans dem Marsch oft einen schweren
Stand. Namentlich ist das Mausen eine so unbezwingliche Neigung, daß sie
dnrch keine Strafen abgehalten werden können. Auch siud sie meistens dem
Trunke ergeben und sehr unreinlich und unordentlich. Wenn sie nicht gereizt
oder berauscht siud, zeigen die Meisten große Gutmüthigkeit, Gefälligkeit, Zuthu-
lichkeit und besonders eine merkwürdige Liebe zu Kindern. Ist ihre Wuth
aber aufgestachelt, so siud sie oft uicht Meuscheu, souderu wilde Bestien. Noch
wilder und roher als die Croaten und Slavonier siud die Serben und Szekler,
obgleich Letztere wieder manche gute moralische Eigenschaften haben, die Ersteren
fehlen.

Die Officiere der Grenzregimenter stammen meistentheils ans den Distrikten
nud siud zur großen Hälfte wieder Sohne vou Greuzofficiereu. Für andere
Officiere ist der Dienst in deu Grenztruppen wegen der mancherlei Eigenthüm¬
lichkeiten derselben nicht leicht und angenehm und anch bei dem Aufenthalt auf
deu von aller Civilisation entlegenen einsamen Dörfern, in denen außer in .Kriegs¬
zeiten die meisten Grenzofficie.e Jahr aus Jahr ein leben, uicht beliebt. Da
übrigeus jeder Greuzofsicier eine eigene Wohnung und Feldbau hat, die meisten
Lebensmittel anch sehr wohlfeil siud, und eine Familie uicht viel Ausgaben macht,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/197>, abgerufen am 04.07.2024.