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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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der russischen Herrschaft oft sehr geneigt erwiesen -- an der Spitze jener Con-
föderation, welche Polen den letzten Stoß gab, standen die Potocki's, und der
Angeber der großen Verschwörung des Krzyzanowski im Jahre lW war ein
Fürst Jablonowski.

Unter den Kindern des Fürsten war die jüngere Tochter Anastasia sein
Liebling. Sie ist seit einem Jahre an den Husarenrittmeister Fürsten Romanow,
einen "schönen" Mann, vermählt, eine blutjunge Gattin, die noch nicht einmal
von ihrer Gouvernante verlassen werden kann. Doch spielt sie die Rolle einer
Dame gut. Eine überaus reizende Erscheinung, mit kindlicher Unbefangenheit im
Auge und Wesen. Ihr Körperbau ist sehr zart, ihre Taille fast zu umspannen,
die Formen noch in der Entwickelung, die Züge fein, ihr Wuchs elfenhaft klein,
die Bewegungen sanft, fast langsam, wie ihre Sprache.

Das neugierige Warschau hat sie oft auf dem Schooße ihres Vaters fitzen und
den Papa fröhlich und kindisch mit ihr scherzen sehen und in Warschau entstand
das Sprichwort: "wende dich an den Fürsten; er hat heute seine Anastasia auf
dem Schooße".

Dem jungen Fürsten Romanow, dem Gemahl der Elfin, ist das Glück nicht
beschieden, sich ein gleich großes Stück von dem Herzen des Fürsten zu erwerben.
Das Verhältniß zwischen ihm und dem Fürst Statthalter, obschon anfangs sehr
freundlich, wurde schon nach kurzer Zeit ziemlich kalt, ja fast ärgerlich. Der
junge Romanow ist ein echter Russe und dazu ein echt moskowitischer Aristokrat.
Beides ist Paskiewicz nicht. Und wenn es auch nie zu einem lauten Ausbruch
kam, so wurde doch die Ungleichartig^ so fühlbar, daß Fürst Romanow für
verständig hielt, sich von Warschau zurückzuziehen. Er lebt seit einiger Zeit mit
seiner Gemahlin auf seinen reichen Gütern in Rußland, und gedenkt sie schwerlich
zu verlassen, außer auf Befehl.-

Dadurch ist dem Fürsten Paskiewicz ein Theil seines Vaterglnckes verloren.
Sein Sohn Theodor ersetzt ihm seine kleine Anastasia nicht, wenngleich das
Verhältniß zum Vater ein herzliches ist.. Der junge Mann, mit der Charge
eines Obersten geschmückt, beweist durch viele leichte Streiche, daß er noch nicht
einmal zwanzig Jahre alt ist, und verursacht seinem Vater dadurch manchen Ver¬
druß, wenngleich dieser schwerlich allzu strengen Grundsätzen huldigt. Seine Er¬
nennung zum Obersten machte in der Gesellschaft Aufsehen. Die russischen Offt-
ciere nahmen dieses Ereigniß als Russen hin, d. h. sie urtheilten nicht darüber
und machten ihre beglnckwüuschendeu Auswartuugeu bei dem Herrn Obersten ohne
Bart. In ihren Kreisen wurde daher auch das Avancement mit der üblichen
Pietät aufgenommen. Bei den Gutgesinnten wurde es als eine Belohnung seines
Vaters betrachtet und für verständig gehalten, von den Böswilligen wurde es
belacht.

Kleine Anecdoten über deu jungen Obersten erfüllen die Salons und die Stadt,


der russischen Herrschaft oft sehr geneigt erwiesen — an der Spitze jener Con-
föderation, welche Polen den letzten Stoß gab, standen die Potocki's, und der
Angeber der großen Verschwörung des Krzyzanowski im Jahre lW war ein
Fürst Jablonowski.

Unter den Kindern des Fürsten war die jüngere Tochter Anastasia sein
Liebling. Sie ist seit einem Jahre an den Husarenrittmeister Fürsten Romanow,
einen „schönen" Mann, vermählt, eine blutjunge Gattin, die noch nicht einmal
von ihrer Gouvernante verlassen werden kann. Doch spielt sie die Rolle einer
Dame gut. Eine überaus reizende Erscheinung, mit kindlicher Unbefangenheit im
Auge und Wesen. Ihr Körperbau ist sehr zart, ihre Taille fast zu umspannen,
die Formen noch in der Entwickelung, die Züge fein, ihr Wuchs elfenhaft klein,
die Bewegungen sanft, fast langsam, wie ihre Sprache.

Das neugierige Warschau hat sie oft auf dem Schooße ihres Vaters fitzen und
den Papa fröhlich und kindisch mit ihr scherzen sehen und in Warschau entstand
das Sprichwort: „wende dich an den Fürsten; er hat heute seine Anastasia auf
dem Schooße".

Dem jungen Fürsten Romanow, dem Gemahl der Elfin, ist das Glück nicht
beschieden, sich ein gleich großes Stück von dem Herzen des Fürsten zu erwerben.
Das Verhältniß zwischen ihm und dem Fürst Statthalter, obschon anfangs sehr
freundlich, wurde schon nach kurzer Zeit ziemlich kalt, ja fast ärgerlich. Der
junge Romanow ist ein echter Russe und dazu ein echt moskowitischer Aristokrat.
Beides ist Paskiewicz nicht. Und wenn es auch nie zu einem lauten Ausbruch
kam, so wurde doch die Ungleichartig^ so fühlbar, daß Fürst Romanow für
verständig hielt, sich von Warschau zurückzuziehen. Er lebt seit einiger Zeit mit
seiner Gemahlin auf seinen reichen Gütern in Rußland, und gedenkt sie schwerlich
zu verlassen, außer auf Befehl.-

Dadurch ist dem Fürsten Paskiewicz ein Theil seines Vaterglnckes verloren.
Sein Sohn Theodor ersetzt ihm seine kleine Anastasia nicht, wenngleich das
Verhältniß zum Vater ein herzliches ist.. Der junge Mann, mit der Charge
eines Obersten geschmückt, beweist durch viele leichte Streiche, daß er noch nicht
einmal zwanzig Jahre alt ist, und verursacht seinem Vater dadurch manchen Ver¬
druß, wenngleich dieser schwerlich allzu strengen Grundsätzen huldigt. Seine Er¬
nennung zum Obersten machte in der Gesellschaft Aufsehen. Die russischen Offt-
ciere nahmen dieses Ereigniß als Russen hin, d. h. sie urtheilten nicht darüber
und machten ihre beglnckwüuschendeu Auswartuugeu bei dem Herrn Obersten ohne
Bart. In ihren Kreisen wurde daher auch das Avancement mit der üblichen
Pietät aufgenommen. Bei den Gutgesinnten wurde es als eine Belohnung seines
Vaters betrachtet und für verständig gehalten, von den Böswilligen wurde es
belacht.

Kleine Anecdoten über deu jungen Obersten erfüllen die Salons und die Stadt,


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[0190] der russischen Herrschaft oft sehr geneigt erwiesen — an der Spitze jener Con- föderation, welche Polen den letzten Stoß gab, standen die Potocki's, und der Angeber der großen Verschwörung des Krzyzanowski im Jahre lW war ein Fürst Jablonowski. Unter den Kindern des Fürsten war die jüngere Tochter Anastasia sein Liebling. Sie ist seit einem Jahre an den Husarenrittmeister Fürsten Romanow, einen „schönen" Mann, vermählt, eine blutjunge Gattin, die noch nicht einmal von ihrer Gouvernante verlassen werden kann. Doch spielt sie die Rolle einer Dame gut. Eine überaus reizende Erscheinung, mit kindlicher Unbefangenheit im Auge und Wesen. Ihr Körperbau ist sehr zart, ihre Taille fast zu umspannen, die Formen noch in der Entwickelung, die Züge fein, ihr Wuchs elfenhaft klein, die Bewegungen sanft, fast langsam, wie ihre Sprache. Das neugierige Warschau hat sie oft auf dem Schooße ihres Vaters fitzen und den Papa fröhlich und kindisch mit ihr scherzen sehen und in Warschau entstand das Sprichwort: „wende dich an den Fürsten; er hat heute seine Anastasia auf dem Schooße". Dem jungen Fürsten Romanow, dem Gemahl der Elfin, ist das Glück nicht beschieden, sich ein gleich großes Stück von dem Herzen des Fürsten zu erwerben. Das Verhältniß zwischen ihm und dem Fürst Statthalter, obschon anfangs sehr freundlich, wurde schon nach kurzer Zeit ziemlich kalt, ja fast ärgerlich. Der junge Romanow ist ein echter Russe und dazu ein echt moskowitischer Aristokrat. Beides ist Paskiewicz nicht. Und wenn es auch nie zu einem lauten Ausbruch kam, so wurde doch die Ungleichartig^ so fühlbar, daß Fürst Romanow für verständig hielt, sich von Warschau zurückzuziehen. Er lebt seit einiger Zeit mit seiner Gemahlin auf seinen reichen Gütern in Rußland, und gedenkt sie schwerlich zu verlassen, außer auf Befehl.- Dadurch ist dem Fürsten Paskiewicz ein Theil seines Vaterglnckes verloren. Sein Sohn Theodor ersetzt ihm seine kleine Anastasia nicht, wenngleich das Verhältniß zum Vater ein herzliches ist.. Der junge Mann, mit der Charge eines Obersten geschmückt, beweist durch viele leichte Streiche, daß er noch nicht einmal zwanzig Jahre alt ist, und verursacht seinem Vater dadurch manchen Ver¬ druß, wenngleich dieser schwerlich allzu strengen Grundsätzen huldigt. Seine Er¬ nennung zum Obersten machte in der Gesellschaft Aufsehen. Die russischen Offt- ciere nahmen dieses Ereigniß als Russen hin, d. h. sie urtheilten nicht darüber und machten ihre beglnckwüuschendeu Auswartuugeu bei dem Herrn Obersten ohne Bart. In ihren Kreisen wurde daher auch das Avancement mit der üblichen Pietät aufgenommen. Bei den Gutgesinnten wurde es als eine Belohnung seines Vaters betrachtet und für verständig gehalten, von den Böswilligen wurde es belacht. Kleine Anecdoten über deu jungen Obersten erfüllen die Salons und die Stadt,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/190>, abgerufen am 24.07.2024.