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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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Letzteren durch eine geschickte Intrigue zu vereiteln weiß , räsonnirt zu kaltblütig,
um als dramatische Figur zu interesstren.

In seinem dritten Stück : l'^voriturisi-s, kehrte Angler wieder in das Gebiet
des Phantastischen zurück. Die Scene spielt in Padua, d. h. in jener unbe¬
stimmten romantischen Welt, welche Shakespeare in seinen Lustspielen darstellt.
Das Stück zerfällt in zwei sehr ungleiche Hälften; die erste ist reines Lustspiel,
und stellt die Possen dar, welche Cloriude, die abentheuernde Courtisane, mit einem
alten Crösus, Mucarade, treibt, dem sie einbildet, sie sei in seine schönen
Angen verliebt; dieser Theil ist von einer liebenswürdigen Heiterkeit. In der
zweiten Hälfte dagegen fällt der Dichter ans dem Ton; Clorinde faßt eine ernst¬
liche Liebe zu einem jungen Mann, der sie verschmäht, und wir finden uns
mitten im Drama. Die Ungleichheit des Tones wird durch die eingestreuten
komischen Partien, namentlich die meisterhaft ausgeführte Betrunkenheit eines
Don Annibal, des Renommisten der alten Komödie, nur theilweise gehoben:
dennoch hat die graciöse Frische des Stücks seinen Erfolg gesichert.

Ju dem folgenden: Gabrielle, finden wir uus wieder in der Pariser
Gesellschaft. Es behandelt das beliebte Thema des Ehebruchs, und zwar vom
moralischen Standpunkt, wie es jetzt, da die Gesellschaft durch alle finstern Kräfte
der Natur bedroht wird, bei den Lnstspieldichtern Mode geworden ist. Gabriele
hat in Julien zwar einen sehr ehrenwerthen Ehemann, der aber alle Pflichten
erfüllt zu haben glaubt, wenn er den Haushalt in Ordnung hält. Ihr Geist
bleibt unbeschäftigt, sie sehnt sich nach sorgfältig ausgearbeiteten Liebesempfin¬
dungen, und so hat sie in dem jungen romantischen Stephan einen sehr gefähr¬
lichen Hausfreund, da ihr braver Mann nichts hört und sieht, und einmal sogar
den guten Stephan, welcher der Gefahr, die seiner Tugend droht, entfliehen will,
selbst mit Gewalt zurückhält.

Endlich merkt er doch etwas, und nun ist sein Vertrauen in Stephans
Ehrlichkeit so groß, daß er ihm den Auftrag gibt, seiue Frau von ihrer thörichten
Leidenschaft zu heilen. Es folgt eine sehr komische Scene, in der von beiden
Seiten viel halsbrechende Versuchungen und Proben angestellt werden, und die,
wie natürlich, mit dem Plan einer heimlichen Entführung endigt. Die Sache
wird dadurch in's Gleiche gebracht, daß Julien, der verständige Mann, den
sämmtlichen Betheiligten auseinandersetzt, daß die Ehe ein sittliches Institut sei,
und daß es im allseitigen Interesse liege, wenn die Frau mit ihrem Manne lebt,
und nicht mit einem Liebhaber durchgeht. -- Ju dieser Effectscene, von der man
übrigens nicht auf die Haltung des übrigen Stücks schließen darf, hat das
Publicum mehr die Moral, als die Poesie beklatscht. --

Der Flötenspieler, das neueste seiner Werke, spielt wieder in Griechen¬
land. Es behandelt eine Episode aus der Geschichte der schönen Lauf, welche
Athenäus im veixuosoxd. Lid. 13, eax. 6-4. 45. erzählt. Der Dichter hat sich


Letzteren durch eine geschickte Intrigue zu vereiteln weiß , räsonnirt zu kaltblütig,
um als dramatische Figur zu interesstren.

In seinem dritten Stück : l'^voriturisi-s, kehrte Angler wieder in das Gebiet
des Phantastischen zurück. Die Scene spielt in Padua, d. h. in jener unbe¬
stimmten romantischen Welt, welche Shakespeare in seinen Lustspielen darstellt.
Das Stück zerfällt in zwei sehr ungleiche Hälften; die erste ist reines Lustspiel,
und stellt die Possen dar, welche Cloriude, die abentheuernde Courtisane, mit einem
alten Crösus, Mucarade, treibt, dem sie einbildet, sie sei in seine schönen
Angen verliebt; dieser Theil ist von einer liebenswürdigen Heiterkeit. In der
zweiten Hälfte dagegen fällt der Dichter ans dem Ton; Clorinde faßt eine ernst¬
liche Liebe zu einem jungen Mann, der sie verschmäht, und wir finden uns
mitten im Drama. Die Ungleichheit des Tones wird durch die eingestreuten
komischen Partien, namentlich die meisterhaft ausgeführte Betrunkenheit eines
Don Annibal, des Renommisten der alten Komödie, nur theilweise gehoben:
dennoch hat die graciöse Frische des Stücks seinen Erfolg gesichert.

Ju dem folgenden: Gabrielle, finden wir uus wieder in der Pariser
Gesellschaft. Es behandelt das beliebte Thema des Ehebruchs, und zwar vom
moralischen Standpunkt, wie es jetzt, da die Gesellschaft durch alle finstern Kräfte
der Natur bedroht wird, bei den Lnstspieldichtern Mode geworden ist. Gabriele
hat in Julien zwar einen sehr ehrenwerthen Ehemann, der aber alle Pflichten
erfüllt zu haben glaubt, wenn er den Haushalt in Ordnung hält. Ihr Geist
bleibt unbeschäftigt, sie sehnt sich nach sorgfältig ausgearbeiteten Liebesempfin¬
dungen, und so hat sie in dem jungen romantischen Stephan einen sehr gefähr¬
lichen Hausfreund, da ihr braver Mann nichts hört und sieht, und einmal sogar
den guten Stephan, welcher der Gefahr, die seiner Tugend droht, entfliehen will,
selbst mit Gewalt zurückhält.

Endlich merkt er doch etwas, und nun ist sein Vertrauen in Stephans
Ehrlichkeit so groß, daß er ihm den Auftrag gibt, seiue Frau von ihrer thörichten
Leidenschaft zu heilen. Es folgt eine sehr komische Scene, in der von beiden
Seiten viel halsbrechende Versuchungen und Proben angestellt werden, und die,
wie natürlich, mit dem Plan einer heimlichen Entführung endigt. Die Sache
wird dadurch in's Gleiche gebracht, daß Julien, der verständige Mann, den
sämmtlichen Betheiligten auseinandersetzt, daß die Ehe ein sittliches Institut sei,
und daß es im allseitigen Interesse liege, wenn die Frau mit ihrem Manne lebt,
und nicht mit einem Liebhaber durchgeht. — Ju dieser Effectscene, von der man
übrigens nicht auf die Haltung des übrigen Stücks schließen darf, hat das
Publicum mehr die Moral, als die Poesie beklatscht. --

Der Flötenspieler, das neueste seiner Werke, spielt wieder in Griechen¬
land. Es behandelt eine Episode aus der Geschichte der schönen Lauf, welche
Athenäus im veixuosoxd. Lid. 13, eax. 6-4. 45. erzählt. Der Dichter hat sich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/186>, abgerufen am 24.07.2024.