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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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Handelsbeziehungen der Staaten ist es nicht viel anders, als beim Geschäft der
Einzelnen. Hannover mit seinen Bundesgenossen weiß, daß Preußen ihm jetzt
kommen muß, und wird darnach seiue Bedingungen stellen.

Am meisten demüthigend aber für uns ist der Umstand, daß der ganze durch
Oestreich betriebene Zolleinigungsplau nichts Anderes als eine Chimäre ist, mit
großem Leichtsinn und in dem Wunsche, etwas Jmponirendes und Neues auf
den Markt zu bringen, entworfen. Der östreichische Handelsminister hat bis jetzt
weder seinem Staat, noch den Angen des Auslandes so genügende Proben seiner
soliden Kenntnisse gegeben, daß ihm ein großer Kreis von Anhängern vertrauen
könnte; der Geschäftsmann aber, welcher den Entwurf vom Standpunkte seines
Jndustriezweiges prüft, wird sich eiues gewissen Unwillens nicht enthalten können.
Zwar ist bei den Zollsätzen mit großer Gewandtheit der preußische Tarifeutwurf
von der Heydt's benutzt wordeu, aber die Verwendung dieser Aden für die
Zwecke der östreichischen Regierung vermag die Flüchtigkeit und Abenteuerlichkeit,
welche ans dem ganzen Entwürfe herausblickt, uicht zu verringern. Es ist bei
dem Mangel aller Vorarbeiten und statistischen Notizen in Oestreich auch für den
intelligentesten Oestreicher uoch unmöglich, die Wirkungen, welche die totale Aen¬
derung des bisherigen Handelssystems auch für Oestreich haben muß, zu über¬
sehen. Aber das unterliegt keinem Zweifel, daß bei der gegenwärtigen Lage des
Kaiserstaates im Interesse seiner Bürger eine jede plötzliche Aenderung der alten
Bahn, in welchen sich Handel und Industrie bis jetzt bewegt haben, vermieden
werden müßte. Das erkennt man in Oestreich anch sehr gut. Die Opposition
gegen die Pläne des Herrn v. Bruck gewinnt fortwährend an Energie, und der
erfahrene, industrielle Oestreicher verurtheilt sie als unsolid und unausführbar.

Und doch ist das politische Parteitreiben der Gegenwart so klein, und die
realen Interessen der Völker bedeuten unseren Diplomaten so wenig, daß das bloße
Einbringen eines Projects durch Oestreich hinreicht, der solidesten Verbindung
der deutschen Staaten unter einander verderblich zu werden.

Das ist sehr demüthigend für uns Alle! Die gegenwärtige Krisis unserer
Handels- und Verkehrsinteressen wird so anch ein Symptom der verhängniß-
vollen Lage, in welcher wir uns befinden.




Handelsbeziehungen der Staaten ist es nicht viel anders, als beim Geschäft der
Einzelnen. Hannover mit seinen Bundesgenossen weiß, daß Preußen ihm jetzt
kommen muß, und wird darnach seiue Bedingungen stellen.

Am meisten demüthigend aber für uns ist der Umstand, daß der ganze durch
Oestreich betriebene Zolleinigungsplau nichts Anderes als eine Chimäre ist, mit
großem Leichtsinn und in dem Wunsche, etwas Jmponirendes und Neues auf
den Markt zu bringen, entworfen. Der östreichische Handelsminister hat bis jetzt
weder seinem Staat, noch den Angen des Auslandes so genügende Proben seiner
soliden Kenntnisse gegeben, daß ihm ein großer Kreis von Anhängern vertrauen
könnte; der Geschäftsmann aber, welcher den Entwurf vom Standpunkte seines
Jndustriezweiges prüft, wird sich eiues gewissen Unwillens nicht enthalten können.
Zwar ist bei den Zollsätzen mit großer Gewandtheit der preußische Tarifeutwurf
von der Heydt's benutzt wordeu, aber die Verwendung dieser Aden für die
Zwecke der östreichischen Regierung vermag die Flüchtigkeit und Abenteuerlichkeit,
welche ans dem ganzen Entwürfe herausblickt, uicht zu verringern. Es ist bei
dem Mangel aller Vorarbeiten und statistischen Notizen in Oestreich auch für den
intelligentesten Oestreicher uoch unmöglich, die Wirkungen, welche die totale Aen¬
derung des bisherigen Handelssystems auch für Oestreich haben muß, zu über¬
sehen. Aber das unterliegt keinem Zweifel, daß bei der gegenwärtigen Lage des
Kaiserstaates im Interesse seiner Bürger eine jede plötzliche Aenderung der alten
Bahn, in welchen sich Handel und Industrie bis jetzt bewegt haben, vermieden
werden müßte. Das erkennt man in Oestreich anch sehr gut. Die Opposition
gegen die Pläne des Herrn v. Bruck gewinnt fortwährend an Energie, und der
erfahrene, industrielle Oestreicher verurtheilt sie als unsolid und unausführbar.

Und doch ist das politische Parteitreiben der Gegenwart so klein, und die
realen Interessen der Völker bedeuten unseren Diplomaten so wenig, daß das bloße
Einbringen eines Projects durch Oestreich hinreicht, der solidesten Verbindung
der deutschen Staaten unter einander verderblich zu werden.

Das ist sehr demüthigend für uns Alle! Die gegenwärtige Krisis unserer
Handels- und Verkehrsinteressen wird so anch ein Symptom der verhängniß-
vollen Lage, in welcher wir uns befinden.




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[0156] Handelsbeziehungen der Staaten ist es nicht viel anders, als beim Geschäft der Einzelnen. Hannover mit seinen Bundesgenossen weiß, daß Preußen ihm jetzt kommen muß, und wird darnach seiue Bedingungen stellen. Am meisten demüthigend aber für uns ist der Umstand, daß der ganze durch Oestreich betriebene Zolleinigungsplau nichts Anderes als eine Chimäre ist, mit großem Leichtsinn und in dem Wunsche, etwas Jmponirendes und Neues auf den Markt zu bringen, entworfen. Der östreichische Handelsminister hat bis jetzt weder seinem Staat, noch den Angen des Auslandes so genügende Proben seiner soliden Kenntnisse gegeben, daß ihm ein großer Kreis von Anhängern vertrauen könnte; der Geschäftsmann aber, welcher den Entwurf vom Standpunkte seines Jndustriezweiges prüft, wird sich eiues gewissen Unwillens nicht enthalten können. Zwar ist bei den Zollsätzen mit großer Gewandtheit der preußische Tarifeutwurf von der Heydt's benutzt wordeu, aber die Verwendung dieser Aden für die Zwecke der östreichischen Regierung vermag die Flüchtigkeit und Abenteuerlichkeit, welche ans dem ganzen Entwürfe herausblickt, uicht zu verringern. Es ist bei dem Mangel aller Vorarbeiten und statistischen Notizen in Oestreich auch für den intelligentesten Oestreicher uoch unmöglich, die Wirkungen, welche die totale Aen¬ derung des bisherigen Handelssystems auch für Oestreich haben muß, zu über¬ sehen. Aber das unterliegt keinem Zweifel, daß bei der gegenwärtigen Lage des Kaiserstaates im Interesse seiner Bürger eine jede plötzliche Aenderung der alten Bahn, in welchen sich Handel und Industrie bis jetzt bewegt haben, vermieden werden müßte. Das erkennt man in Oestreich anch sehr gut. Die Opposition gegen die Pläne des Herrn v. Bruck gewinnt fortwährend an Energie, und der erfahrene, industrielle Oestreicher verurtheilt sie als unsolid und unausführbar. Und doch ist das politische Parteitreiben der Gegenwart so klein, und die realen Interessen der Völker bedeuten unseren Diplomaten so wenig, daß das bloße Einbringen eines Projects durch Oestreich hinreicht, der solidesten Verbindung der deutschen Staaten unter einander verderblich zu werden. Das ist sehr demüthigend für uns Alle! Die gegenwärtige Krisis unserer Handels- und Verkehrsinteressen wird so anch ein Symptom der verhängniß- vollen Lage, in welcher wir uns befinden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/156>, abgerufen am 24.07.2024.