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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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leicht sein Loos beneiden, -- mißgönnen wird ihm seine Ruhe Keiner, der ihn liebte
und wie er denkt und fühlt. Möge er denn sanft ruhen, sein Geist aber lebe
unter uns fort, ein leuchtendes Vorbild der Charakterfestigkeit, der Gewissen¬
haftigkeit und Vaterlandsliebe!




Wir knüpfen an diese Darstellung eines parlamentarischen Freundes einige
Aufzeichnungen von der Hand eines Kriegskameraden, indem wir beiläufig bemer¬
ken, daß Raumer der Sohn des Erlanger Professors und Neffe des Berliner
Historikers war.




Als gewöhnlicher Freiwilliger trat er Anfang Mai 1849 in das 1. schleswig¬
holsteinische Jägercorps, welches Fnedericia gegenüber lag, ein. Als gemeiner
Soldat, schlief er mit seinen Kameraden wochenlang auf dem Stroh der engen
Lagerhütten, führte täglich viele Stunden das Grabscheit, um Schanzen mit auf¬
werfen zu helfen, oder karrte Erde mit dem Schiebkarren dazu, ließ sich mit dem
unbeholfensten Rekruten zusammen die Handgriffe einüben, stellte sich unter den
Befehl des rohsten Unterofficiers oder des aufgeblasensten jungen Lieutenants.
Der Oberanführer' der Schleswig-holsteinischen Armee wollte Raumer gleich zum
Stäbe commandiren, dieser aber bat, daß man ihn bei seinem Corps lassen möge,
damit er den Dienst von unten aus in allen seinen Stufen gründlich kennen
lernen könne. Das zwar unglückliche, aber wenigstens für die Schleswig-Holstei¬
ner ehrenvolle Treffen von Fnedericia machte v. Raumer im heftigsten Feuer mit,
und gab wiederholt dabei Beweise seines ruhigen Muthes und großer Kaltblütig¬
keit. Wegen dieser und wegen seines sonstigen musterhaften Benehmens im Dienst
rückte er bald durch alle verschiedenen militärischen Stufen vor und ward gegen
das Ende des Jahres 1849, nachdem er circa 7 Monate in Reih und Glied ge¬
dient hatte, zum Lieutenant im 1. Jägercorps befördert. Als solcher lag er wäh¬
rend des Winters. 1849--59 mit seinem Corps in Altona und Itzehoe in Gar¬
nison, dort jede Gelegenheit eifrig benutzend, sich auch theoretisch sür seinen neuen
Stand immer mehr und mehr auszubilden. Geueral von Willisen, der nach des
Generals von Bouin Abgang den Oberbefehl der kleinen Schleswig-holsteinischen
Armee antrat, wußte seine Fähigkeiten dadurch zu würdigen, daß er ihn zum
Stäbe mitnahm und als seinen Adjutanten anstellte. Seine Kenntniß des Lan¬
des, die er sich durch den jährigen Aufenthalt in demselben schon erworben hatte,
dazu seine große geistige Bildung, treffliche Gewandtheit, die Feder zu führen,
festes, ruhiges und dabei doch sehr bescheidenes Wesen machten ihn zu dieser
Stelle geeignet.

Gerade in dem beständigen Verkehr mit den vielen fremden wie einheimischen
Officieren aller Grade und der großen Anzahl von Bittenden jeglichen Standes,
denen er als Ordonnanz-Adjutant ausgesetzt war, wußte er die vielfachen Vor-


leicht sein Loos beneiden, — mißgönnen wird ihm seine Ruhe Keiner, der ihn liebte
und wie er denkt und fühlt. Möge er denn sanft ruhen, sein Geist aber lebe
unter uns fort, ein leuchtendes Vorbild der Charakterfestigkeit, der Gewissen¬
haftigkeit und Vaterlandsliebe!




Wir knüpfen an diese Darstellung eines parlamentarischen Freundes einige
Aufzeichnungen von der Hand eines Kriegskameraden, indem wir beiläufig bemer¬
ken, daß Raumer der Sohn des Erlanger Professors und Neffe des Berliner
Historikers war.




Als gewöhnlicher Freiwilliger trat er Anfang Mai 1849 in das 1. schleswig¬
holsteinische Jägercorps, welches Fnedericia gegenüber lag, ein. Als gemeiner
Soldat, schlief er mit seinen Kameraden wochenlang auf dem Stroh der engen
Lagerhütten, führte täglich viele Stunden das Grabscheit, um Schanzen mit auf¬
werfen zu helfen, oder karrte Erde mit dem Schiebkarren dazu, ließ sich mit dem
unbeholfensten Rekruten zusammen die Handgriffe einüben, stellte sich unter den
Befehl des rohsten Unterofficiers oder des aufgeblasensten jungen Lieutenants.
Der Oberanführer' der Schleswig-holsteinischen Armee wollte Raumer gleich zum
Stäbe commandiren, dieser aber bat, daß man ihn bei seinem Corps lassen möge,
damit er den Dienst von unten aus in allen seinen Stufen gründlich kennen
lernen könne. Das zwar unglückliche, aber wenigstens für die Schleswig-Holstei¬
ner ehrenvolle Treffen von Fnedericia machte v. Raumer im heftigsten Feuer mit,
und gab wiederholt dabei Beweise seines ruhigen Muthes und großer Kaltblütig¬
keit. Wegen dieser und wegen seines sonstigen musterhaften Benehmens im Dienst
rückte er bald durch alle verschiedenen militärischen Stufen vor und ward gegen
das Ende des Jahres 1849, nachdem er circa 7 Monate in Reih und Glied ge¬
dient hatte, zum Lieutenant im 1. Jägercorps befördert. Als solcher lag er wäh¬
rend des Winters. 1849—59 mit seinem Corps in Altona und Itzehoe in Gar¬
nison, dort jede Gelegenheit eifrig benutzend, sich auch theoretisch sür seinen neuen
Stand immer mehr und mehr auszubilden. Geueral von Willisen, der nach des
Generals von Bouin Abgang den Oberbefehl der kleinen Schleswig-holsteinischen
Armee antrat, wußte seine Fähigkeiten dadurch zu würdigen, daß er ihn zum
Stäbe mitnahm und als seinen Adjutanten anstellte. Seine Kenntniß des Lan¬
des, die er sich durch den jährigen Aufenthalt in demselben schon erworben hatte,
dazu seine große geistige Bildung, treffliche Gewandtheit, die Feder zu führen,
festes, ruhiges und dabei doch sehr bescheidenes Wesen machten ihn zu dieser
Stelle geeignet.

Gerade in dem beständigen Verkehr mit den vielen fremden wie einheimischen
Officieren aller Grade und der großen Anzahl von Bittenden jeglichen Standes,
denen er als Ordonnanz-Adjutant ausgesetzt war, wußte er die vielfachen Vor-


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[0084] leicht sein Loos beneiden, — mißgönnen wird ihm seine Ruhe Keiner, der ihn liebte und wie er denkt und fühlt. Möge er denn sanft ruhen, sein Geist aber lebe unter uns fort, ein leuchtendes Vorbild der Charakterfestigkeit, der Gewissen¬ haftigkeit und Vaterlandsliebe! Wir knüpfen an diese Darstellung eines parlamentarischen Freundes einige Aufzeichnungen von der Hand eines Kriegskameraden, indem wir beiläufig bemer¬ ken, daß Raumer der Sohn des Erlanger Professors und Neffe des Berliner Historikers war. Als gewöhnlicher Freiwilliger trat er Anfang Mai 1849 in das 1. schleswig¬ holsteinische Jägercorps, welches Fnedericia gegenüber lag, ein. Als gemeiner Soldat, schlief er mit seinen Kameraden wochenlang auf dem Stroh der engen Lagerhütten, führte täglich viele Stunden das Grabscheit, um Schanzen mit auf¬ werfen zu helfen, oder karrte Erde mit dem Schiebkarren dazu, ließ sich mit dem unbeholfensten Rekruten zusammen die Handgriffe einüben, stellte sich unter den Befehl des rohsten Unterofficiers oder des aufgeblasensten jungen Lieutenants. Der Oberanführer' der Schleswig-holsteinischen Armee wollte Raumer gleich zum Stäbe commandiren, dieser aber bat, daß man ihn bei seinem Corps lassen möge, damit er den Dienst von unten aus in allen seinen Stufen gründlich kennen lernen könne. Das zwar unglückliche, aber wenigstens für die Schleswig-Holstei¬ ner ehrenvolle Treffen von Fnedericia machte v. Raumer im heftigsten Feuer mit, und gab wiederholt dabei Beweise seines ruhigen Muthes und großer Kaltblütig¬ keit. Wegen dieser und wegen seines sonstigen musterhaften Benehmens im Dienst rückte er bald durch alle verschiedenen militärischen Stufen vor und ward gegen das Ende des Jahres 1849, nachdem er circa 7 Monate in Reih und Glied ge¬ dient hatte, zum Lieutenant im 1. Jägercorps befördert. Als solcher lag er wäh¬ rend des Winters. 1849—59 mit seinem Corps in Altona und Itzehoe in Gar¬ nison, dort jede Gelegenheit eifrig benutzend, sich auch theoretisch sür seinen neuen Stand immer mehr und mehr auszubilden. Geueral von Willisen, der nach des Generals von Bouin Abgang den Oberbefehl der kleinen Schleswig-holsteinischen Armee antrat, wußte seine Fähigkeiten dadurch zu würdigen, daß er ihn zum Stäbe mitnahm und als seinen Adjutanten anstellte. Seine Kenntniß des Lan¬ des, die er sich durch den jährigen Aufenthalt in demselben schon erworben hatte, dazu seine große geistige Bildung, treffliche Gewandtheit, die Feder zu führen, festes, ruhiges und dabei doch sehr bescheidenes Wesen machten ihn zu dieser Stelle geeignet. Gerade in dem beständigen Verkehr mit den vielen fremden wie einheimischen Officieren aller Grade und der großen Anzahl von Bittenden jeglichen Standes, denen er als Ordonnanz-Adjutant ausgesetzt war, wußte er die vielfachen Vor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/84>, abgerufen am 01.09.2024.