Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.leichte, durchsichtige Weise zusammen, und wenn ihr euch harmonisch putzen wollt, Das Publicum nahm diese neuen Sinfonien sehr freundlich auf, vielleicht Die Direction befand sich auch diese" Winter, wie in mehren der vorher¬ Ehe die Gesangsleistungen und die Virtuosen dieser Saison des Gewand¬ Grenzboten. U. Iss1. 8
leichte, durchsichtige Weise zusammen, und wenn ihr euch harmonisch putzen wollt, Das Publicum nahm diese neuen Sinfonien sehr freundlich auf, vielleicht Die Direction befand sich auch diese» Winter, wie in mehren der vorher¬ Ehe die Gesangsleistungen und die Virtuosen dieser Saison des Gewand¬ Grenzboten. U. Iss1. 8
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0069" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/91262"/> <p xml:id="ID_169" prev="#ID_168"> leichte, durchsichtige Weise zusammen, und wenn ihr euch harmonisch putzen wollt,<lb/> so streift nicht über die Grenzen des guten Geschmackes hinaus, daß ihr uicht wie<lb/> verputzte Kinder aussehet. — Taubert repräsentirt in seiner Sinfonie die neue<lb/> Kunst ans dem Abwege, Walter aus Zürich führt uns auf die entgegengesetzte<lb/> Seite, er liebkost mit unsern Großvätern und hat ihnen dann eine Sinfonie<lb/> abgeschwätzt, zu der Haydn einige Liebesgaben verabreichte, Mozart den Haupt¬<lb/> stoff lieferte und Beethoven nur hie und da einige bekräftigende Aeußerungen<lb/> beifügte. Wenn der Componist mit Fleiß die neuen Meister verleugnete, so that<lb/> er daran Unrecht, auch die begabtesten Geister werden nicht im Staude sein, die<lb/> alten Zeiten heraus zu beschwören; wenn er so schrieb aus Unkenntniß, so ist er<lb/> noch härter zu tadeln und es ist ihm nnr Fleiß und Ausdauer zu ernsten Studien<lb/> zu wünschen.</p><lb/> <p xml:id="ID_170"> Das Publicum nahm diese neuen Sinfonien sehr freundlich auf, vielleicht<lb/> aus Dankbarkeit gegen das brave Orchester oder aus freundlicher Rücksicht gegen<lb/> die selbst dirigirenden Componisten. Es wäre wol der Ehre des Instituts an¬<lb/> gemessen gewesen, ein wenig schweigsamer zu verfahren und eine ernstere Kritik<lb/> auszuüben. So verfuhr man in ähnlichen Fällen früher; jetzt haben sich freilich<lb/> die Verhältnisse umgewandelt, seitdem der Concertbesuch zur Mode gehört.</p><lb/> <p xml:id="ID_171"> Die Direction befand sich auch diese» Winter, wie in mehren der vorher¬<lb/> gegangenen, in den Händen des Kapellmeisters Julius Rietz und des Con¬<lb/> certmeisters Ferdinand David. Sie haben das Orchester mit Umsicht und<lb/> Energie geleitet, wie mau das von ihnen mit Recht erwarten darf, und sind des<lb/> Dankes werth, den alle wahren Musikfreunde ihnen zollen. Als zweiter Con¬<lb/> certmeister wurde angestellt Raimund Dreischock, der Bruder des bekannten<lb/> Pianisten. Er debütirte mit dem ^mollconcert für Violine von Molique und<lb/> eiuer Fuge für Violine allein von I. S. Bach, und erwarb sich sogleich den er¬<lb/> sten Abend den reichsten Beifall der Zuhörer. Sein Ton ist voll und glänzend,<lb/> seine Fertigkeit sowol in der linken Hand, als in der Bogenführung eine meister¬<lb/> hafte; die großen Schwierigkeiten des Molique'schen Concerts überwand er mit<lb/> wohlthuender Sicherheit, sein Vortrag war elegant und sein. Nachdem Joachim<lb/> Leipzig verlassen, um nach Weimar zu gehen, dürfen wir uns zu einem solchen<lb/> Nachfolger immer Glück wünschen.</p><lb/> <p xml:id="ID_172" next="#ID_173"> Ehe die Gesangsleistungen und die Virtuosen dieser Saison des Gewand¬<lb/> hauses näher berührt werden, wird es zuvor nöthig, einen kurzen Blick aus die Con¬<lb/> certe des Mufikvereins Euterpe zu werfen, dessen Leistungen ihre Stärke nur<lb/> in den Jnstrnmentalaufführungen suchen können, da die geringen Mittel des<lb/> Vereins und das zu niedrig gestellte Abonnement jede kostspielige Anwerbung von<lb/> theuern Sängerinnen und Virtuosen verbieten. Die Theilnahme des Publicums<lb/> war auch in diesem Jahre eine bedeutende und gestaltete sich am Ende des Win¬<lb/> ters, immer inniger und aufmunternder. Die Leitung hatte wie im vorigen Jahre</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. U. Iss1. 8</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0069]
leichte, durchsichtige Weise zusammen, und wenn ihr euch harmonisch putzen wollt,
so streift nicht über die Grenzen des guten Geschmackes hinaus, daß ihr uicht wie
verputzte Kinder aussehet. — Taubert repräsentirt in seiner Sinfonie die neue
Kunst ans dem Abwege, Walter aus Zürich führt uns auf die entgegengesetzte
Seite, er liebkost mit unsern Großvätern und hat ihnen dann eine Sinfonie
abgeschwätzt, zu der Haydn einige Liebesgaben verabreichte, Mozart den Haupt¬
stoff lieferte und Beethoven nur hie und da einige bekräftigende Aeußerungen
beifügte. Wenn der Componist mit Fleiß die neuen Meister verleugnete, so that
er daran Unrecht, auch die begabtesten Geister werden nicht im Staude sein, die
alten Zeiten heraus zu beschwören; wenn er so schrieb aus Unkenntniß, so ist er
noch härter zu tadeln und es ist ihm nnr Fleiß und Ausdauer zu ernsten Studien
zu wünschen.
Das Publicum nahm diese neuen Sinfonien sehr freundlich auf, vielleicht
aus Dankbarkeit gegen das brave Orchester oder aus freundlicher Rücksicht gegen
die selbst dirigirenden Componisten. Es wäre wol der Ehre des Instituts an¬
gemessen gewesen, ein wenig schweigsamer zu verfahren und eine ernstere Kritik
auszuüben. So verfuhr man in ähnlichen Fällen früher; jetzt haben sich freilich
die Verhältnisse umgewandelt, seitdem der Concertbesuch zur Mode gehört.
Die Direction befand sich auch diese» Winter, wie in mehren der vorher¬
gegangenen, in den Händen des Kapellmeisters Julius Rietz und des Con¬
certmeisters Ferdinand David. Sie haben das Orchester mit Umsicht und
Energie geleitet, wie mau das von ihnen mit Recht erwarten darf, und sind des
Dankes werth, den alle wahren Musikfreunde ihnen zollen. Als zweiter Con¬
certmeister wurde angestellt Raimund Dreischock, der Bruder des bekannten
Pianisten. Er debütirte mit dem ^mollconcert für Violine von Molique und
eiuer Fuge für Violine allein von I. S. Bach, und erwarb sich sogleich den er¬
sten Abend den reichsten Beifall der Zuhörer. Sein Ton ist voll und glänzend,
seine Fertigkeit sowol in der linken Hand, als in der Bogenführung eine meister¬
hafte; die großen Schwierigkeiten des Molique'schen Concerts überwand er mit
wohlthuender Sicherheit, sein Vortrag war elegant und sein. Nachdem Joachim
Leipzig verlassen, um nach Weimar zu gehen, dürfen wir uns zu einem solchen
Nachfolger immer Glück wünschen.
Ehe die Gesangsleistungen und die Virtuosen dieser Saison des Gewand¬
hauses näher berührt werden, wird es zuvor nöthig, einen kurzen Blick aus die Con¬
certe des Mufikvereins Euterpe zu werfen, dessen Leistungen ihre Stärke nur
in den Jnstrnmentalaufführungen suchen können, da die geringen Mittel des
Vereins und das zu niedrig gestellte Abonnement jede kostspielige Anwerbung von
theuern Sängerinnen und Virtuosen verbieten. Die Theilnahme des Publicums
war auch in diesem Jahre eine bedeutende und gestaltete sich am Ende des Win¬
ters, immer inniger und aufmunternder. Die Leitung hatte wie im vorigen Jahre
Grenzboten. U. Iss1. 8
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