Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

machte er eine lange Pause und fuhr fort: -- "Es ist die Zunge." -- Ich finde diese
Anekdote bezeichnender für sein Wesen, als viele seiner Schriften. -- Uebrigens
sind seine Predigten unter dem Titel: "Katholische Hauspostille" gesammelt
worden.") Ich bin zu wenig in dieser Art Literatur bewandert, um Vergleiche an¬
stellen zu können, aber ich glaube doch a priori annehmen zu dürfen, daß sie
wenigstens in der Rohheit und Einfältigkeit ihrer Form einzig dasteht. Die Flüche
auf die Ketzer, die Lobpreisungen des heiligen Rosenkranzes und dergleichen,
anch Wendungen wie diese: "Ich lache, und alle vernünftige Christen werden
lachen, wenn diese erbärmlichen, jämmerlichen, elenden, ohnmächtigen Wichte von
der Vaterschaft Gottes plappern"; Ausdrücke, die fast auf jeder Seite wieder¬
kehren, will ich hingehen lassen, weil sie einmal zur Sache gehören, aber diese
Unfähigkeit, irgend einen Gedanken oder auch nur ein Bild festzuhalten, diese
Fieberhaftigkeit, mit der er einen Satz zuerst einige zwanzig Mal wiederholt und
dann plötzlich auf etwas Anderes kommt, was nicht im entferntesten Zusammen¬
hang damit steht, das Alles macht einen wahrhaft erschreckenden Eindruck.

Dieselbe Bewandtnis) hat es auch mit seinen geistlichen Gedichten, deren er
damals eine große Menge verfertigte. Das größte unter denselben ist eine Can-
zone über Raphael, die in der Grimmaischen Ausgabe 30 Seiten engen Drucks
einnimmt; sie ist im höchsten unverständlichsten Schwulst gehalten, dazwischen kom¬
men aber dann Stellen wie diese:



*) In der einzigen vollständigen Ausgabe der Werke Werners: Grimms und Leipzig, BerlagS-
comptvir.

machte er eine lange Pause und fuhr fort: — „Es ist die Zunge." — Ich finde diese
Anekdote bezeichnender für sein Wesen, als viele seiner Schriften. — Uebrigens
sind seine Predigten unter dem Titel: „Katholische Hauspostille" gesammelt
worden.") Ich bin zu wenig in dieser Art Literatur bewandert, um Vergleiche an¬
stellen zu können, aber ich glaube doch a priori annehmen zu dürfen, daß sie
wenigstens in der Rohheit und Einfältigkeit ihrer Form einzig dasteht. Die Flüche
auf die Ketzer, die Lobpreisungen des heiligen Rosenkranzes und dergleichen,
anch Wendungen wie diese: „Ich lache, und alle vernünftige Christen werden
lachen, wenn diese erbärmlichen, jämmerlichen, elenden, ohnmächtigen Wichte von
der Vaterschaft Gottes plappern"; Ausdrücke, die fast auf jeder Seite wieder¬
kehren, will ich hingehen lassen, weil sie einmal zur Sache gehören, aber diese
Unfähigkeit, irgend einen Gedanken oder auch nur ein Bild festzuhalten, diese
Fieberhaftigkeit, mit der er einen Satz zuerst einige zwanzig Mal wiederholt und
dann plötzlich auf etwas Anderes kommt, was nicht im entferntesten Zusammen¬
hang damit steht, das Alles macht einen wahrhaft erschreckenden Eindruck.

Dieselbe Bewandtnis) hat es auch mit seinen geistlichen Gedichten, deren er
damals eine große Menge verfertigte. Das größte unter denselben ist eine Can-
zone über Raphael, die in der Grimmaischen Ausgabe 30 Seiten engen Drucks
einnimmt; sie ist im höchsten unverständlichsten Schwulst gehalten, dazwischen kom¬
men aber dann Stellen wie diese:



*) In der einzigen vollständigen Ausgabe der Werke Werners: Grimms und Leipzig, BerlagS-
comptvir.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0516" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/91709"/>
          <p xml:id="ID_1387" prev="#ID_1386"> machte er eine lange Pause und fuhr fort: &#x2014; &#x201E;Es ist die Zunge." &#x2014; Ich finde diese<lb/>
Anekdote bezeichnender für sein Wesen, als viele seiner Schriften. &#x2014; Uebrigens<lb/>
sind seine Predigten unter dem Titel: &#x201E;Katholische Hauspostille" gesammelt<lb/>
worden.") Ich bin zu wenig in dieser Art Literatur bewandert, um Vergleiche an¬<lb/>
stellen zu können, aber ich glaube doch a priori annehmen zu dürfen, daß sie<lb/>
wenigstens in der Rohheit und Einfältigkeit ihrer Form einzig dasteht. Die Flüche<lb/>
auf die Ketzer, die Lobpreisungen des heiligen Rosenkranzes und dergleichen,<lb/>
anch Wendungen wie diese: &#x201E;Ich lache, und alle vernünftige Christen werden<lb/>
lachen, wenn diese erbärmlichen, jämmerlichen, elenden, ohnmächtigen Wichte von<lb/>
der Vaterschaft Gottes plappern"; Ausdrücke, die fast auf jeder Seite wieder¬<lb/>
kehren, will ich hingehen lassen, weil sie einmal zur Sache gehören, aber diese<lb/>
Unfähigkeit, irgend einen Gedanken oder auch nur ein Bild festzuhalten, diese<lb/>
Fieberhaftigkeit, mit der er einen Satz zuerst einige zwanzig Mal wiederholt und<lb/>
dann plötzlich auf etwas Anderes kommt, was nicht im entferntesten Zusammen¬<lb/>
hang damit steht, das Alles macht einen wahrhaft erschreckenden Eindruck.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1388"> Dieselbe Bewandtnis) hat es auch mit seinen geistlichen Gedichten, deren er<lb/>
damals eine große Menge verfertigte. Das größte unter denselben ist eine Can-<lb/>
zone über Raphael, die in der Grimmaischen Ausgabe 30 Seiten engen Drucks<lb/>
einnimmt; sie ist im höchsten unverständlichsten Schwulst gehalten, dazwischen kom¬<lb/>
men aber dann Stellen wie diese:</p><lb/>
          <lg xml:id="POEMID_38" type="poem">
            <l/>
          </lg><lb/>
          <note xml:id="FID_22" place="foot"> *) In der einzigen vollständigen Ausgabe der Werke Werners: Grimms und Leipzig, BerlagS-<lb/>
comptvir.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0516] machte er eine lange Pause und fuhr fort: — „Es ist die Zunge." — Ich finde diese Anekdote bezeichnender für sein Wesen, als viele seiner Schriften. — Uebrigens sind seine Predigten unter dem Titel: „Katholische Hauspostille" gesammelt worden.") Ich bin zu wenig in dieser Art Literatur bewandert, um Vergleiche an¬ stellen zu können, aber ich glaube doch a priori annehmen zu dürfen, daß sie wenigstens in der Rohheit und Einfältigkeit ihrer Form einzig dasteht. Die Flüche auf die Ketzer, die Lobpreisungen des heiligen Rosenkranzes und dergleichen, anch Wendungen wie diese: „Ich lache, und alle vernünftige Christen werden lachen, wenn diese erbärmlichen, jämmerlichen, elenden, ohnmächtigen Wichte von der Vaterschaft Gottes plappern"; Ausdrücke, die fast auf jeder Seite wieder¬ kehren, will ich hingehen lassen, weil sie einmal zur Sache gehören, aber diese Unfähigkeit, irgend einen Gedanken oder auch nur ein Bild festzuhalten, diese Fieberhaftigkeit, mit der er einen Satz zuerst einige zwanzig Mal wiederholt und dann plötzlich auf etwas Anderes kommt, was nicht im entferntesten Zusammen¬ hang damit steht, das Alles macht einen wahrhaft erschreckenden Eindruck. Dieselbe Bewandtnis) hat es auch mit seinen geistlichen Gedichten, deren er damals eine große Menge verfertigte. Das größte unter denselben ist eine Can- zone über Raphael, die in der Grimmaischen Ausgabe 30 Seiten engen Drucks einnimmt; sie ist im höchsten unverständlichsten Schwulst gehalten, dazwischen kom¬ men aber dann Stellen wie diese: *) In der einzigen vollständigen Ausgabe der Werke Werners: Grimms und Leipzig, BerlagS- comptvir.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/516
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/516>, abgerufen am 01.09.2024.