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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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nach seiner Begründung vernachlässigt, und erst Herzog Julius von Wolsenbüttel
suchte deu "alten Mann", wie man die verlassenen Erzgänge nennt, wieder auf.
Er befreite die Bergleute von Steuern, und hoffte nur bei Landesnoth aus dem
guten Willen der Oberharzer eine Znbuße für seinen Schatz. Seitdem regierte
ans dem Oberharze der "Harzkönig", der Berghauptmann, nach eigenen Gesetzen
und einer eigenen Verfassung, Bergfreiheit genannt, die indessen als ein Privile¬
gium größtentheils, auch im Betreff der Steuerfreiheit des Oberharzes, dem Hauunö-
verschen Staatsgrnndgesetze erlegen ist. -1788 hatte Hannover den "Commnnion-
harz" für den Oberharz beseitigt und Wolfenbüttel (Braunschweig) hauptsächlich
mit Wald für deu Rücktritt oren Mitbesitz der dortigen Bergwerke entschä¬
digt. (Die Production des ganzen Hannoverschen Bergbaues im Silberbcrg-
werks-Haushalte betrug im Jahre 1836: 46,907 Mark Silber, 8,869,38" Pfund
Glätte und Blei und 66,480 Pfund Kupfer.) -- Eine Zeit lang hatten mich
die reichen Magdeburger Gewerke (Actionaire) Antheil am Bergbau des Ober-
harzes, und sie wandten um'S Jahr 1329 große Summen für ihn ans. Allein die
Straßenräubereien des dreißigjährigen Krieges und sogar Wolkenbrüche und Pest,
vielleicht auch der Fall von Magdeburg selbst, führten eine völlige Zerrüttung und
Umwälzung der ganzen Bcrgverhältnisse herbei.

In neuerer Zeit hat der Bergbau des Oberharzes hauptsächlich mit dem Wasser¬
mangel zu kämpfen gehabt, der auch die übrigen Gewerbe und selbst die Viehzucht
im Harze uicht zu der Blüthe gelangen läßt, zu der sie in der Nähe der zahllosen
segensreichen Alpeuquellen gelangt. Um demselben für den Oberharz abzuhelfen,
sind mit gutem Erfolg die ungeheuersten Anstrengungen gemacht. 62 Sammel¬
teiche arbeiten ihm allein im Gebiete der Schwesterstädte Clausthal und Zellerfeld
entgegen. Ja, bis zum Brocken hin hat sich das suchende Auge des Bergmanns
gewandt, der den östlichen Eckstein des Oberharzes bildet, und an seiner West¬
seite jenes schwammige, nasse Brockenseld beschützt, das sich an seinen Fuß schmiegt.
Ein merwürdiger Bergrücken, der Brunsberg, beginnt jenseits des Brockenfeldes,
geht, durch kein Thal unterbrochen, vier Stunden lang südlich hinab, krümmt
dann die untere Spitze westlich uach Osterode zu, und theilt so den Oberharz
in zwei fast gleiche Theile. Bis Hieher ist er ohne Bergbau; doch kaum hat
sich eine Bergschlucht zwischen den Brunsberg und den Rehberg eingesenkt, so
nehmen auch die reichen Andreasberger Silbergruben ihren Anfang. Da es
eben diesen im Sommer oft an Wasser fehlte, so begann man in der Nähe des
Forsthauses Oderbrück am Brockenfelde, wo aus vielen kleinen Qnellästen sich die
Oder bildet, eine Wasserleitung für deu Andreasberger Bergbau zu bauen, die
seit 1722 vollendet ist. Quer durch die Enge des Thales -- so berichtet Blnmen-
hagen -- legten sie einen gewaltigen Damm, eine Bastion von 60 Fuß Höhe,
von einem Durchmesser, der von 70 bis 60 Fuß nach oben abläuft und 325 Fuß
in die Länge streicht. Eiserne Klammern mußten die ungeheuren Granitblöcke


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nach seiner Begründung vernachlässigt, und erst Herzog Julius von Wolsenbüttel
suchte deu „alten Mann", wie man die verlassenen Erzgänge nennt, wieder auf.
Er befreite die Bergleute von Steuern, und hoffte nur bei Landesnoth aus dem
guten Willen der Oberharzer eine Znbuße für seinen Schatz. Seitdem regierte
ans dem Oberharze der „Harzkönig", der Berghauptmann, nach eigenen Gesetzen
und einer eigenen Verfassung, Bergfreiheit genannt, die indessen als ein Privile¬
gium größtentheils, auch im Betreff der Steuerfreiheit des Oberharzes, dem Hauunö-
verschen Staatsgrnndgesetze erlegen ist. -1788 hatte Hannover den „Commnnion-
harz" für den Oberharz beseitigt und Wolfenbüttel (Braunschweig) hauptsächlich
mit Wald für deu Rücktritt oren Mitbesitz der dortigen Bergwerke entschä¬
digt. (Die Production des ganzen Hannoverschen Bergbaues im Silberbcrg-
werks-Haushalte betrug im Jahre 1836: 46,907 Mark Silber, 8,869,38« Pfund
Glätte und Blei und 66,480 Pfund Kupfer.) — Eine Zeit lang hatten mich
die reichen Magdeburger Gewerke (Actionaire) Antheil am Bergbau des Ober-
harzes, und sie wandten um'S Jahr 1329 große Summen für ihn ans. Allein die
Straßenräubereien des dreißigjährigen Krieges und sogar Wolkenbrüche und Pest,
vielleicht auch der Fall von Magdeburg selbst, führten eine völlige Zerrüttung und
Umwälzung der ganzen Bcrgverhältnisse herbei.

In neuerer Zeit hat der Bergbau des Oberharzes hauptsächlich mit dem Wasser¬
mangel zu kämpfen gehabt, der auch die übrigen Gewerbe und selbst die Viehzucht
im Harze uicht zu der Blüthe gelangen läßt, zu der sie in der Nähe der zahllosen
segensreichen Alpeuquellen gelangt. Um demselben für den Oberharz abzuhelfen,
sind mit gutem Erfolg die ungeheuersten Anstrengungen gemacht. 62 Sammel¬
teiche arbeiten ihm allein im Gebiete der Schwesterstädte Clausthal und Zellerfeld
entgegen. Ja, bis zum Brocken hin hat sich das suchende Auge des Bergmanns
gewandt, der den östlichen Eckstein des Oberharzes bildet, und an seiner West¬
seite jenes schwammige, nasse Brockenseld beschützt, das sich an seinen Fuß schmiegt.
Ein merwürdiger Bergrücken, der Brunsberg, beginnt jenseits des Brockenfeldes,
geht, durch kein Thal unterbrochen, vier Stunden lang südlich hinab, krümmt
dann die untere Spitze westlich uach Osterode zu, und theilt so den Oberharz
in zwei fast gleiche Theile. Bis Hieher ist er ohne Bergbau; doch kaum hat
sich eine Bergschlucht zwischen den Brunsberg und den Rehberg eingesenkt, so
nehmen auch die reichen Andreasberger Silbergruben ihren Anfang. Da es
eben diesen im Sommer oft an Wasser fehlte, so begann man in der Nähe des
Forsthauses Oderbrück am Brockenfelde, wo aus vielen kleinen Qnellästen sich die
Oder bildet, eine Wasserleitung für deu Andreasberger Bergbau zu bauen, die
seit 1722 vollendet ist. Quer durch die Enge des Thales — so berichtet Blnmen-
hagen — legten sie einen gewaltigen Damm, eine Bastion von 60 Fuß Höhe,
von einem Durchmesser, der von 70 bis 60 Fuß nach oben abläuft und 325 Fuß
in die Länge streicht. Eiserne Klammern mußten die ungeheuren Granitblöcke


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/503>, abgerufen am 01.09.2024.