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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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über den in heidnischen Visionen verzückten Sänger; sie dringen mit dein Schwerte
ans ihn ein. Elisabeth wehrt ihnen. Sie fleht für den Verirrten zum Himmel
und rührt durch ihre Frömmigkeit die Herzen der erzürnten Versammlung. Der
Landgraf bannt ihn aus dem Kreise und giebt ihm ans, mit den Pilgern nach
Rom zu wallfahren, um sich bei dem heiligen Stuhle die Vergebung der Sünde
zu holen.

Im dritten Acte das Wartbnrgthal, wie im ersten. Der Tag neigt sich zu
Ende. -- Aus dem kleine" Bergvorsprunge rechts vor dem Marienbilde liegt Eli¬
sabeth betend auf den Knien. Geistig und körperlich gebrochen, kommt sie oft
Hieher um zu beten, und die Pilger aus Rom zu erwarten, unter denen sie den
entsündigten Tannhäuser zu finden hofft. Der Gesang der Pilger ertönt,
Elisabeth späht unter den Vorbeiziehenden nach Tannhäuser, sieht sich aber in
ihrem Hoffen betrogen und kehrt todesbetrübt nach der Wartburg zurück. Die
Nacht bricht ein, Tannhäuser tritt aus in zerrissener Pilgerkleiduug, sei" Antlitz
ist bleich und entstellt, er geht matten Schrittes auf seinen Stab gestützt. Be¬
gegnung mit Wolfram. Er erzählt ihm seine Wallfahrt, und daß ihm der Papst
seine Sünde nicht vergeben. Verzweiflung habe ihn zurückgetrieben; da ihn der
Christen Gott verstoßen, will er zur Venus zurückkehren. Der Hörselberg beginnt
um in rosigem Schein zu erglühen, er erscheint durchsichtig, so daß mau in ihm
tanzende Gestalten erblickt. Tannhäuser, immer glühender erregt, sucht sich von
dem zurückhaltender Wolfram loszureißen, da spricht dieser zum zweiten Male das
verhängnißvolle Wort "Elisabeth". Tannhäuser steht wie vom Schlage gelähmt.
Da ertönt von dem durch Fackellicht erleuchteten Hofe der Wartburg das Tod-
tenglöcklein und erschallt ein Grabgesang: Elisabeth ist an gebrochenem Herzen
gestorben. Tannhäuser sinkt in Wolframs Armen langsam zur Erde: Heilige
Elisabeth, bitte für mich! -- und stirbt, versöhnt mit dem Himmel. Die Pil¬
gerchöre singen ihm das Grablied.

Es ist hier kein Raum vorhanden, um die großen musikalischen Schönheiten
dieses Werkes genauer auszuzeichnen, es sei nur so viel hier angedeutet, daß es
fast die einzige wahre Opernmusik ist, die seit Weber und Marschuer in Deutsch¬
land geschaffen wurde. Sie steht, mit Ausnahme des dritten Acts, in welchem
die Kraft des Buchs und der Musik gleichmäßig sinkt, an Wirksamkeit den so
gesuchten Meyerbeer'schen Opern gleich, und man muß sich mit Verwunderung
fragen, warum unsre Theaterdirectionen es bis jetzt gemieden haben, dieser
Oper den Eintritt aus ihren Bühnen zu gestatten.

In seiner letzten Oper, dem Lohengrin, hat Wagner seine Theorien zu
einer gewissen Abrundung gebracht. Bekanntlich ist die Oper mit vielem Glück
in Weimar ausgeführt worden, wo durch Franz Liszt's Anregung ein neues, sehr
anerkennenswerthes Kunstleben aufblühe. Liszt selber hat in einem größern Auf¬
satz in der Jllustrirten Zeitung eine detaillirte Analyse dieser Oper versucht, um


über den in heidnischen Visionen verzückten Sänger; sie dringen mit dein Schwerte
ans ihn ein. Elisabeth wehrt ihnen. Sie fleht für den Verirrten zum Himmel
und rührt durch ihre Frömmigkeit die Herzen der erzürnten Versammlung. Der
Landgraf bannt ihn aus dem Kreise und giebt ihm ans, mit den Pilgern nach
Rom zu wallfahren, um sich bei dem heiligen Stuhle die Vergebung der Sünde
zu holen.

Im dritten Acte das Wartbnrgthal, wie im ersten. Der Tag neigt sich zu
Ende. — Aus dem kleine» Bergvorsprunge rechts vor dem Marienbilde liegt Eli¬
sabeth betend auf den Knien. Geistig und körperlich gebrochen, kommt sie oft
Hieher um zu beten, und die Pilger aus Rom zu erwarten, unter denen sie den
entsündigten Tannhäuser zu finden hofft. Der Gesang der Pilger ertönt,
Elisabeth späht unter den Vorbeiziehenden nach Tannhäuser, sieht sich aber in
ihrem Hoffen betrogen und kehrt todesbetrübt nach der Wartburg zurück. Die
Nacht bricht ein, Tannhäuser tritt aus in zerrissener Pilgerkleiduug, sei» Antlitz
ist bleich und entstellt, er geht matten Schrittes auf seinen Stab gestützt. Be¬
gegnung mit Wolfram. Er erzählt ihm seine Wallfahrt, und daß ihm der Papst
seine Sünde nicht vergeben. Verzweiflung habe ihn zurückgetrieben; da ihn der
Christen Gott verstoßen, will er zur Venus zurückkehren. Der Hörselberg beginnt
um in rosigem Schein zu erglühen, er erscheint durchsichtig, so daß mau in ihm
tanzende Gestalten erblickt. Tannhäuser, immer glühender erregt, sucht sich von
dem zurückhaltender Wolfram loszureißen, da spricht dieser zum zweiten Male das
verhängnißvolle Wort „Elisabeth". Tannhäuser steht wie vom Schlage gelähmt.
Da ertönt von dem durch Fackellicht erleuchteten Hofe der Wartburg das Tod-
tenglöcklein und erschallt ein Grabgesang: Elisabeth ist an gebrochenem Herzen
gestorben. Tannhäuser sinkt in Wolframs Armen langsam zur Erde: Heilige
Elisabeth, bitte für mich! — und stirbt, versöhnt mit dem Himmel. Die Pil¬
gerchöre singen ihm das Grablied.

Es ist hier kein Raum vorhanden, um die großen musikalischen Schönheiten
dieses Werkes genauer auszuzeichnen, es sei nur so viel hier angedeutet, daß es
fast die einzige wahre Opernmusik ist, die seit Weber und Marschuer in Deutsch¬
land geschaffen wurde. Sie steht, mit Ausnahme des dritten Acts, in welchem
die Kraft des Buchs und der Musik gleichmäßig sinkt, an Wirksamkeit den so
gesuchten Meyerbeer'schen Opern gleich, und man muß sich mit Verwunderung
fragen, warum unsre Theaterdirectionen es bis jetzt gemieden haben, dieser
Oper den Eintritt aus ihren Bühnen zu gestatten.

In seiner letzten Oper, dem Lohengrin, hat Wagner seine Theorien zu
einer gewissen Abrundung gebracht. Bekanntlich ist die Oper mit vielem Glück
in Weimar ausgeführt worden, wo durch Franz Liszt's Anregung ein neues, sehr
anerkennenswerthes Kunstleben aufblühe. Liszt selber hat in einem größern Auf¬
satz in der Jllustrirten Zeitung eine detaillirte Analyse dieser Oper versucht, um


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[0424] über den in heidnischen Visionen verzückten Sänger; sie dringen mit dein Schwerte ans ihn ein. Elisabeth wehrt ihnen. Sie fleht für den Verirrten zum Himmel und rührt durch ihre Frömmigkeit die Herzen der erzürnten Versammlung. Der Landgraf bannt ihn aus dem Kreise und giebt ihm ans, mit den Pilgern nach Rom zu wallfahren, um sich bei dem heiligen Stuhle die Vergebung der Sünde zu holen. Im dritten Acte das Wartbnrgthal, wie im ersten. Der Tag neigt sich zu Ende. — Aus dem kleine» Bergvorsprunge rechts vor dem Marienbilde liegt Eli¬ sabeth betend auf den Knien. Geistig und körperlich gebrochen, kommt sie oft Hieher um zu beten, und die Pilger aus Rom zu erwarten, unter denen sie den entsündigten Tannhäuser zu finden hofft. Der Gesang der Pilger ertönt, Elisabeth späht unter den Vorbeiziehenden nach Tannhäuser, sieht sich aber in ihrem Hoffen betrogen und kehrt todesbetrübt nach der Wartburg zurück. Die Nacht bricht ein, Tannhäuser tritt aus in zerrissener Pilgerkleiduug, sei» Antlitz ist bleich und entstellt, er geht matten Schrittes auf seinen Stab gestützt. Be¬ gegnung mit Wolfram. Er erzählt ihm seine Wallfahrt, und daß ihm der Papst seine Sünde nicht vergeben. Verzweiflung habe ihn zurückgetrieben; da ihn der Christen Gott verstoßen, will er zur Venus zurückkehren. Der Hörselberg beginnt um in rosigem Schein zu erglühen, er erscheint durchsichtig, so daß mau in ihm tanzende Gestalten erblickt. Tannhäuser, immer glühender erregt, sucht sich von dem zurückhaltender Wolfram loszureißen, da spricht dieser zum zweiten Male das verhängnißvolle Wort „Elisabeth". Tannhäuser steht wie vom Schlage gelähmt. Da ertönt von dem durch Fackellicht erleuchteten Hofe der Wartburg das Tod- tenglöcklein und erschallt ein Grabgesang: Elisabeth ist an gebrochenem Herzen gestorben. Tannhäuser sinkt in Wolframs Armen langsam zur Erde: Heilige Elisabeth, bitte für mich! — und stirbt, versöhnt mit dem Himmel. Die Pil¬ gerchöre singen ihm das Grablied. Es ist hier kein Raum vorhanden, um die großen musikalischen Schönheiten dieses Werkes genauer auszuzeichnen, es sei nur so viel hier angedeutet, daß es fast die einzige wahre Opernmusik ist, die seit Weber und Marschuer in Deutsch¬ land geschaffen wurde. Sie steht, mit Ausnahme des dritten Acts, in welchem die Kraft des Buchs und der Musik gleichmäßig sinkt, an Wirksamkeit den so gesuchten Meyerbeer'schen Opern gleich, und man muß sich mit Verwunderung fragen, warum unsre Theaterdirectionen es bis jetzt gemieden haben, dieser Oper den Eintritt aus ihren Bühnen zu gestatten. In seiner letzten Oper, dem Lohengrin, hat Wagner seine Theorien zu einer gewissen Abrundung gebracht. Bekanntlich ist die Oper mit vielem Glück in Weimar ausgeführt worden, wo durch Franz Liszt's Anregung ein neues, sehr anerkennenswerthes Kunstleben aufblühe. Liszt selber hat in einem größern Auf¬ satz in der Jllustrirten Zeitung eine detaillirte Analyse dieser Oper versucht, um

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/424>, abgerufen am 01.09.2024.