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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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den Ohren und meinte, die Pfeife wäre zwar sehr hübsch, aber seine Pferde
könnten doch nicht mit Meerschaum gefüttert werden, und da ich. gewiß noch
Etwas draus gezahlt verlangen würde, so sei das Geschäft schon darum unmöglich,
weil er außer Kvssnthuoten kein anderes Geld im Hause habe. Ich war innerlich
sehr erfreut, da ich bereit war die Pfeife für die Fuhre hinzugeben, als Barcsa
vermittelnd auftrat und meinte: ich werde wol ihr zu gefallen den geraden
Tausch eingehen; ich machte natürlich Einwendungen, um nicht hastig zu erscheinen,
und das Ende war, daß unsre Wirthin sich ans einige Augenblicke entfernte,
und als sie wieder in das Zimmer trat, sechs blanke Silberzwanziger ans den
Tisch warf. -- "No" -- sagte sie -- "hier sind noch zwei Gulden Münze, die ich
drauf zahle, aber nnn, hörst Du, Marczi, gehört die Pfeife mir!" Vetter
Marczi schien unter dem Pantoffelregiment zu stehen und willigte in den Handel
seiner Frau, und nachdem die Pferde gefüttert waren, und Barcsa meine Hände
und die erstandene Pfeife zehnmal geküßt hatte, fuhr die Equipage vor das Hans,
wir stiegen in den zweirädrigen Karren, in den ein Pferd nach Art der Drosch¬
ken zwischen zwei Stangen, das andere an die rechte Achse gespannt war, und
gelangten nach fünf Stunden zu den Ketskemiter Weingärten -- eine Strecke von
8 Meilen -- wo wir laut Verabredung abstiege", da kein Fuhrmann damals in
eine Stadt Hineinsahren wollte, wo, wie es allgemein hieß, die Oestreicher jeden
vorfindlichen Wagen requirirten, und oft ans Wochen lang in kaiserliche Dienste
nahmen, ohne den armen Fuhrleuten des Kaisers Gesicht sehen zu lassen.

Dies das Bild des Ungarischen Zigcnners in dem engen Kreise seiner nie¬
drigen Hütte. Aber der Zigeuner ist auch eine öffentliche Person, eine Person,
die im Ungarischen Staatsleben eine Rolle spielte, ja er war eine p-n-s aälnzxa
der Ungarischen Konstitution; allein nur dann, wenn der Fiedelbogen in seiner
Hand, die Klarinette an seinen Lippen, oder die Baßgeige an seiner Seite ist.

Der Olichzigenner auf der Heerstraße, neben seiner jämmerlichen Equipage
herschleudernd, kratzt mit einem Bogen auf einem Ding, das einst vermuthlich
eine Geige war, aber jetzt selten mehr als eine oder höchstens zwei, an zehn
Stellen zusammengeknüpfte Saiten hat, oder bläst in eine Klarinette, an der zwei
Drittheil der Klappen fehlen, und deren Rumpf eine Anzahl Spalten zeigt, die
er sich von dem Buckel der Fran, des Bruders oder des Vaters seines Herrn
geholt hat; allein dies ist nur Dilettantismus oder das Bedürfniß, einige Stunden
eines ganz beschäftigungslosen Lebens auszufüllen. Der eigentliche Musikant lebt
einzig und allein seinem Instrumente, liebt dieses mehr als sein Weib und seine
Kinder, mehr als die eigroßen, silbernen Knöpfe an seiner Jacke, ja mehr als
seine rothe Weste und die Spornen an seinen Stiefeln, und man wird oft bei den
armseligsten, in Lumpen gehüllten und von den tanzenden Bauernburschen mi߬
handelten Zigeunern Instrumente finden, die jedem Künstler Ehre machen, und
einen Werth haben dürften, der das Vermögen einer ganzen Zigeunercolonie übertrifft.


den Ohren und meinte, die Pfeife wäre zwar sehr hübsch, aber seine Pferde
könnten doch nicht mit Meerschaum gefüttert werden, und da ich. gewiß noch
Etwas draus gezahlt verlangen würde, so sei das Geschäft schon darum unmöglich,
weil er außer Kvssnthuoten kein anderes Geld im Hause habe. Ich war innerlich
sehr erfreut, da ich bereit war die Pfeife für die Fuhre hinzugeben, als Barcsa
vermittelnd auftrat und meinte: ich werde wol ihr zu gefallen den geraden
Tausch eingehen; ich machte natürlich Einwendungen, um nicht hastig zu erscheinen,
und das Ende war, daß unsre Wirthin sich ans einige Augenblicke entfernte,
und als sie wieder in das Zimmer trat, sechs blanke Silberzwanziger ans den
Tisch warf. — „No" — sagte sie — „hier sind noch zwei Gulden Münze, die ich
drauf zahle, aber nnn, hörst Du, Marczi, gehört die Pfeife mir!" Vetter
Marczi schien unter dem Pantoffelregiment zu stehen und willigte in den Handel
seiner Frau, und nachdem die Pferde gefüttert waren, und Barcsa meine Hände
und die erstandene Pfeife zehnmal geküßt hatte, fuhr die Equipage vor das Hans,
wir stiegen in den zweirädrigen Karren, in den ein Pferd nach Art der Drosch¬
ken zwischen zwei Stangen, das andere an die rechte Achse gespannt war, und
gelangten nach fünf Stunden zu den Ketskemiter Weingärten — eine Strecke von
8 Meilen — wo wir laut Verabredung abstiege», da kein Fuhrmann damals in
eine Stadt Hineinsahren wollte, wo, wie es allgemein hieß, die Oestreicher jeden
vorfindlichen Wagen requirirten, und oft ans Wochen lang in kaiserliche Dienste
nahmen, ohne den armen Fuhrleuten des Kaisers Gesicht sehen zu lassen.

Dies das Bild des Ungarischen Zigcnners in dem engen Kreise seiner nie¬
drigen Hütte. Aber der Zigeuner ist auch eine öffentliche Person, eine Person,
die im Ungarischen Staatsleben eine Rolle spielte, ja er war eine p-n-s aälnzxa
der Ungarischen Konstitution; allein nur dann, wenn der Fiedelbogen in seiner
Hand, die Klarinette an seinen Lippen, oder die Baßgeige an seiner Seite ist.

Der Olichzigenner auf der Heerstraße, neben seiner jämmerlichen Equipage
herschleudernd, kratzt mit einem Bogen auf einem Ding, das einst vermuthlich
eine Geige war, aber jetzt selten mehr als eine oder höchstens zwei, an zehn
Stellen zusammengeknüpfte Saiten hat, oder bläst in eine Klarinette, an der zwei
Drittheil der Klappen fehlen, und deren Rumpf eine Anzahl Spalten zeigt, die
er sich von dem Buckel der Fran, des Bruders oder des Vaters seines Herrn
geholt hat; allein dies ist nur Dilettantismus oder das Bedürfniß, einige Stunden
eines ganz beschäftigungslosen Lebens auszufüllen. Der eigentliche Musikant lebt
einzig und allein seinem Instrumente, liebt dieses mehr als sein Weib und seine
Kinder, mehr als die eigroßen, silbernen Knöpfe an seiner Jacke, ja mehr als
seine rothe Weste und die Spornen an seinen Stiefeln, und man wird oft bei den
armseligsten, in Lumpen gehüllten und von den tanzenden Bauernburschen mi߬
handelten Zigeunern Instrumente finden, die jedem Künstler Ehre machen, und
einen Werth haben dürften, der das Vermögen einer ganzen Zigeunercolonie übertrifft.


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[0395] den Ohren und meinte, die Pfeife wäre zwar sehr hübsch, aber seine Pferde könnten doch nicht mit Meerschaum gefüttert werden, und da ich. gewiß noch Etwas draus gezahlt verlangen würde, so sei das Geschäft schon darum unmöglich, weil er außer Kvssnthuoten kein anderes Geld im Hause habe. Ich war innerlich sehr erfreut, da ich bereit war die Pfeife für die Fuhre hinzugeben, als Barcsa vermittelnd auftrat und meinte: ich werde wol ihr zu gefallen den geraden Tausch eingehen; ich machte natürlich Einwendungen, um nicht hastig zu erscheinen, und das Ende war, daß unsre Wirthin sich ans einige Augenblicke entfernte, und als sie wieder in das Zimmer trat, sechs blanke Silberzwanziger ans den Tisch warf. — „No" — sagte sie — „hier sind noch zwei Gulden Münze, die ich drauf zahle, aber nnn, hörst Du, Marczi, gehört die Pfeife mir!" Vetter Marczi schien unter dem Pantoffelregiment zu stehen und willigte in den Handel seiner Frau, und nachdem die Pferde gefüttert waren, und Barcsa meine Hände und die erstandene Pfeife zehnmal geküßt hatte, fuhr die Equipage vor das Hans, wir stiegen in den zweirädrigen Karren, in den ein Pferd nach Art der Drosch¬ ken zwischen zwei Stangen, das andere an die rechte Achse gespannt war, und gelangten nach fünf Stunden zu den Ketskemiter Weingärten — eine Strecke von 8 Meilen — wo wir laut Verabredung abstiege», da kein Fuhrmann damals in eine Stadt Hineinsahren wollte, wo, wie es allgemein hieß, die Oestreicher jeden vorfindlichen Wagen requirirten, und oft ans Wochen lang in kaiserliche Dienste nahmen, ohne den armen Fuhrleuten des Kaisers Gesicht sehen zu lassen. Dies das Bild des Ungarischen Zigcnners in dem engen Kreise seiner nie¬ drigen Hütte. Aber der Zigeuner ist auch eine öffentliche Person, eine Person, die im Ungarischen Staatsleben eine Rolle spielte, ja er war eine p-n-s aälnzxa der Ungarischen Konstitution; allein nur dann, wenn der Fiedelbogen in seiner Hand, die Klarinette an seinen Lippen, oder die Baßgeige an seiner Seite ist. Der Olichzigenner auf der Heerstraße, neben seiner jämmerlichen Equipage herschleudernd, kratzt mit einem Bogen auf einem Ding, das einst vermuthlich eine Geige war, aber jetzt selten mehr als eine oder höchstens zwei, an zehn Stellen zusammengeknüpfte Saiten hat, oder bläst in eine Klarinette, an der zwei Drittheil der Klappen fehlen, und deren Rumpf eine Anzahl Spalten zeigt, die er sich von dem Buckel der Fran, des Bruders oder des Vaters seines Herrn geholt hat; allein dies ist nur Dilettantismus oder das Bedürfniß, einige Stunden eines ganz beschäftigungslosen Lebens auszufüllen. Der eigentliche Musikant lebt einzig und allein seinem Instrumente, liebt dieses mehr als sein Weib und seine Kinder, mehr als die eigroßen, silbernen Knöpfe an seiner Jacke, ja mehr als seine rothe Weste und die Spornen an seinen Stiefeln, und man wird oft bei den armseligsten, in Lumpen gehüllten und von den tanzenden Bauernburschen mi߬ handelten Zigeunern Instrumente finden, die jedem Künstler Ehre machen, und einen Werth haben dürften, der das Vermögen einer ganzen Zigeunercolonie übertrifft.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/395>, abgerufen am 01.09.2024.