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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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mit sich brachte, so daß diese voreilig glaubten, sie wäre schon katholisch geworden.
Sie führt es mit einer gewissen Indignation an, daß man ihr nicht mehr ent¬
gegen kam: "Ich hatte allerdings den Versuch gemacht, die ersten Schritte, welche
mich in die katholische Kirche hätten führen können, zu thun, allein man traute
mir wol nicht Ernst und Ausdauer genug zu, oder zu viel Phantasie, d> h. in
diesem Falle Launenhaftigkeit, und der Versuch blieb ohne Erfolg." Die frommen
Männer haben sie besser verstanden, als sie sich selber, wenn sie nnn coquettirt:
"Was ich für Kraft vergeudet habe, das ist ein Jammer, denn vergeudet ist Alles,
was nicht zum Heil der Seele gereicht," "ud wenn sie beschreibt, wie der Vers
desJesaias,: "Mache dich ans, werde Licht, Jerusalem," einen immensen Eindruck
aus sie machte. "Ich stützte den Kopf in, die Hand und blieb so sitzen vor dem
ausgeschlagenen Buch, ich weiß nicht wie lange" ". s. w. u. s. w., ganz wie Herr
vou Lamartine, über dessen komödienhaftes Wesen sie sich mit Recht beschwert,
als er beschloß, ans Frankreich eine Republik zu macheu.

Indessen diese Selbstgeständnisse, wo es sich um individuelle Stimmungen
handelt, sind wenigstens bis zu einem gewissen Grad von Interesse, dagegen sind
ihre Deductionen über die Sache selbst so langweilig als leer. Nur ein Umstand
tritt daraus hervor, daß "änlich die Revolution ihr deutlich gemacht hat, wie
die Parteien sich scharf an einander schließen müssen, und wie das festeste
Schiboleth der unbedingten Reaction die katholische Kirche ist. Sehr richtig sagt
sie darüber, und anch wir wollen uns diesen Grundsatz zu Herzen nehmen: "Ich
habe Nichts dagegen, exclusiv genannt zu werden; ich habe gerade in der Zeit
der Revolution das Vergnügen gehabt, Personen bei mi-r zu scheu, von denen
es mir bis zu dieser Stunde räthselhaft sein würde, weshalb sie mich überhaupt
aufgesucht haben, wenn nicht der allgemeine gallertartige Zustand es erklärte, der
Allen, von welchem Glauben, welcher Partei, welcher Farbe sie sein mochten, eine
energische Begrenzung unmöglich machte. Dazu das Deutsche Vorurtheil, möglichst
vielseitig sein zu müssen, d. h. Alles aufzunehmen und Nichts zu verar¬
beiten, und die bedenkliche Anmaßung, über allen Parteien stehen zu wollen,
"ut die unerquickliche, marklose Zerflossenheit ist nicht sowol erklärt, als erkannt.
Unser Einer täuscht sich kläglich mit dem Wahn, über den Par¬
teien stehen zu wollen; er lebt nnr im Nebel über Alle und Alles,
und deshalb wähnt er ans den Höhen zu leben." --

Indem wir diesen Satz unsrer Heldin, die recht verständig sein kann, wenn
sie sich Mühe gibt, vollständig adoptiren und seine Leherzigung wünschen, gehen
wir zu ihren frühern Schriften über.

Vor ihren bereits angeführten ersten Novellen hat sie in den Jahren -1833
bis 1837 mehrere Gedichtsammlnngen herausgegeben, darunter eine: "Die Vene-
tianischen Nächte." Ihre übrigen Schriften folgten sich: Astralion, 1839; Der
Rechte, 1839; Jenseit der Berge, <"40; (eine Art Reisebeschreibung aus Italien,


mit sich brachte, so daß diese voreilig glaubten, sie wäre schon katholisch geworden.
Sie führt es mit einer gewissen Indignation an, daß man ihr nicht mehr ent¬
gegen kam: „Ich hatte allerdings den Versuch gemacht, die ersten Schritte, welche
mich in die katholische Kirche hätten führen können, zu thun, allein man traute
mir wol nicht Ernst und Ausdauer genug zu, oder zu viel Phantasie, d> h. in
diesem Falle Launenhaftigkeit, und der Versuch blieb ohne Erfolg." Die frommen
Männer haben sie besser verstanden, als sie sich selber, wenn sie nnn coquettirt:
„Was ich für Kraft vergeudet habe, das ist ein Jammer, denn vergeudet ist Alles,
was nicht zum Heil der Seele gereicht," »ud wenn sie beschreibt, wie der Vers
desJesaias,: „Mache dich ans, werde Licht, Jerusalem," einen immensen Eindruck
aus sie machte. „Ich stützte den Kopf in, die Hand und blieb so sitzen vor dem
ausgeschlagenen Buch, ich weiß nicht wie lange" ». s. w. u. s. w., ganz wie Herr
vou Lamartine, über dessen komödienhaftes Wesen sie sich mit Recht beschwert,
als er beschloß, ans Frankreich eine Republik zu macheu.

Indessen diese Selbstgeständnisse, wo es sich um individuelle Stimmungen
handelt, sind wenigstens bis zu einem gewissen Grad von Interesse, dagegen sind
ihre Deductionen über die Sache selbst so langweilig als leer. Nur ein Umstand
tritt daraus hervor, daß »änlich die Revolution ihr deutlich gemacht hat, wie
die Parteien sich scharf an einander schließen müssen, und wie das festeste
Schiboleth der unbedingten Reaction die katholische Kirche ist. Sehr richtig sagt
sie darüber, und anch wir wollen uns diesen Grundsatz zu Herzen nehmen: „Ich
habe Nichts dagegen, exclusiv genannt zu werden; ich habe gerade in der Zeit
der Revolution das Vergnügen gehabt, Personen bei mi-r zu scheu, von denen
es mir bis zu dieser Stunde räthselhaft sein würde, weshalb sie mich überhaupt
aufgesucht haben, wenn nicht der allgemeine gallertartige Zustand es erklärte, der
Allen, von welchem Glauben, welcher Partei, welcher Farbe sie sein mochten, eine
energische Begrenzung unmöglich machte. Dazu das Deutsche Vorurtheil, möglichst
vielseitig sein zu müssen, d. h. Alles aufzunehmen und Nichts zu verar¬
beiten, und die bedenkliche Anmaßung, über allen Parteien stehen zu wollen,
»ut die unerquickliche, marklose Zerflossenheit ist nicht sowol erklärt, als erkannt.
Unser Einer täuscht sich kläglich mit dem Wahn, über den Par¬
teien stehen zu wollen; er lebt nnr im Nebel über Alle und Alles,
und deshalb wähnt er ans den Höhen zu leben." —

Indem wir diesen Satz unsrer Heldin, die recht verständig sein kann, wenn
sie sich Mühe gibt, vollständig adoptiren und seine Leherzigung wünschen, gehen
wir zu ihren frühern Schriften über.

Vor ihren bereits angeführten ersten Novellen hat sie in den Jahren -1833
bis 1837 mehrere Gedichtsammlnngen herausgegeben, darunter eine: „Die Vene-
tianischen Nächte." Ihre übrigen Schriften folgten sich: Astralion, 1839; Der
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[0308] mit sich brachte, so daß diese voreilig glaubten, sie wäre schon katholisch geworden. Sie führt es mit einer gewissen Indignation an, daß man ihr nicht mehr ent¬ gegen kam: „Ich hatte allerdings den Versuch gemacht, die ersten Schritte, welche mich in die katholische Kirche hätten führen können, zu thun, allein man traute mir wol nicht Ernst und Ausdauer genug zu, oder zu viel Phantasie, d> h. in diesem Falle Launenhaftigkeit, und der Versuch blieb ohne Erfolg." Die frommen Männer haben sie besser verstanden, als sie sich selber, wenn sie nnn coquettirt: „Was ich für Kraft vergeudet habe, das ist ein Jammer, denn vergeudet ist Alles, was nicht zum Heil der Seele gereicht," »ud wenn sie beschreibt, wie der Vers desJesaias,: „Mache dich ans, werde Licht, Jerusalem," einen immensen Eindruck aus sie machte. „Ich stützte den Kopf in, die Hand und blieb so sitzen vor dem ausgeschlagenen Buch, ich weiß nicht wie lange" ». s. w. u. s. w., ganz wie Herr vou Lamartine, über dessen komödienhaftes Wesen sie sich mit Recht beschwert, als er beschloß, ans Frankreich eine Republik zu macheu. Indessen diese Selbstgeständnisse, wo es sich um individuelle Stimmungen handelt, sind wenigstens bis zu einem gewissen Grad von Interesse, dagegen sind ihre Deductionen über die Sache selbst so langweilig als leer. Nur ein Umstand tritt daraus hervor, daß »änlich die Revolution ihr deutlich gemacht hat, wie die Parteien sich scharf an einander schließen müssen, und wie das festeste Schiboleth der unbedingten Reaction die katholische Kirche ist. Sehr richtig sagt sie darüber, und anch wir wollen uns diesen Grundsatz zu Herzen nehmen: „Ich habe Nichts dagegen, exclusiv genannt zu werden; ich habe gerade in der Zeit der Revolution das Vergnügen gehabt, Personen bei mi-r zu scheu, von denen es mir bis zu dieser Stunde räthselhaft sein würde, weshalb sie mich überhaupt aufgesucht haben, wenn nicht der allgemeine gallertartige Zustand es erklärte, der Allen, von welchem Glauben, welcher Partei, welcher Farbe sie sein mochten, eine energische Begrenzung unmöglich machte. Dazu das Deutsche Vorurtheil, möglichst vielseitig sein zu müssen, d. h. Alles aufzunehmen und Nichts zu verar¬ beiten, und die bedenkliche Anmaßung, über allen Parteien stehen zu wollen, »ut die unerquickliche, marklose Zerflossenheit ist nicht sowol erklärt, als erkannt. Unser Einer täuscht sich kläglich mit dem Wahn, über den Par¬ teien stehen zu wollen; er lebt nnr im Nebel über Alle und Alles, und deshalb wähnt er ans den Höhen zu leben." — Indem wir diesen Satz unsrer Heldin, die recht verständig sein kann, wenn sie sich Mühe gibt, vollständig adoptiren und seine Leherzigung wünschen, gehen wir zu ihren frühern Schriften über. Vor ihren bereits angeführten ersten Novellen hat sie in den Jahren -1833 bis 1837 mehrere Gedichtsammlnngen herausgegeben, darunter eine: „Die Vene- tianischen Nächte." Ihre übrigen Schriften folgten sich: Astralion, 1839; Der Rechte, 1839; Jenseit der Berge, <«40; (eine Art Reisebeschreibung aus Italien,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/308>, abgerufen am 28.07.2024.