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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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zum Schlagen gegen die Oestreicher, aber es ward nicht viel daraus und nach
einigen kleinen Gefechten siegten leider die Kaiserlichen. Mich nahmen sie gefangen,
ließen mich Gassen laufen, S mal auf und S mal ab, durch 300 Maun, daß mir
das blutige Fleisch in Fetzen vom Rücken hing, und steckten mich dann in ein
Regiment, das in Italien lag. Endlich kam der März 18i8, und anch in Italien
brach es los: ich ging gleich zu den Sardiniern über, ließ mich dort als
Sergeant anstellen, und schoß manche Kugel gegen die Oestreichischen Officiere
ab. Hatte ich doch gehört, daß ihr Kaiser ein guter Freund vom weißen Czaren
in Petersburg sei, und Alles thun müsse, was dieser befehle. Als in Sardinien
im Winter Friede ward, ging ich mit mehrern andern Polen, denen es auch
nicht recht bei den Italienern gefallen wollte, zu Schiff nach Zara, und so
heimlich nach Ungarn. Da ward denn bald ein tüchtiger Krieg, woran mein Herz
sich mehr steilen konnte. Endlich schickte der weiße Czar seinem Freunde Soldaten
zur Hilfe, und nun ging es erst so recht an. Der erste Tag, an dem ich einen
Major der Russen niederschoß, war mir der liebste seit langen Jahren, obgleich
ich selbst einen Säbelhieb über den Kopf dabei bekam. Aber es wurden der
Feinde doch zu viel. Ich war zuletzt mit in Komorn unter dem General Klapka,
und das war mein Glück. Wir erhielten eine Capitulation, und ich dabei einen
Paß, um uach Amerika auszuwandern. Aber nach Amerika wollte ich nicht, denn
da gibt es keinen Krieg mit dem weißen Czaren, und ich wäre meinem Schwüre
untreu geworden. Ich wollte mich nach England einschiffen und sehen, ob es
mir nicht glücken könne, von dort auf Umwegen wieder nach dem Kaukasus zu
kommen, wo der Schamyl noch Krieg führt. In Hamburg hörte ich aber, der
weiße Czar halte es mit den Dänen, und wolle Diesen sogar von seinen Kriegs¬
schiffen welche zur Hilfe schicken. Nun kümmert mich sonst die Sache hier gar
nicht, nud es wäre mir ganz gleich gewesen, ob die Dänen oder die Schleswig-
Holsteiner die Oberhand behalten hätten. Als ich aber vom weißen Czaren seiner
Freundschaft gegen die Dänen hörte, da nahm ich sogleich Dienste in Altona.
Nun ist es bald mit mir ans; ich freue mich darüber, denn meinen Schwur habe
ich treu gehalten, und wenn ich meinen Vater, meine Mutter, und meine Braut
dort oben wieder sehe, werden sie wol zufrieden mit mir sein. Haben Sie
Dank, Herr, daß Sie zu mir gekommen, und schicken Sie mir recht bald noch
einen Pfarrer, daß ich bei ihm beichten kann und er mir das Abendmahl gibt.
Mußte ich anch in Smyrna mich äußerlich an den Türkischen Glauben halten, bin
ich im Herzen doch stets ein guter Christ geblieben." Mit diesen Worten drückte der
alte Soldat mir noch einmal dankend die Hand, und drehte das Gesicht an die
Wand, als wolle er gern sich schweigend seinen Erinnerungen noch überlassen.
Der Pfarrer, den ich rasch aufsuchte, machte es noch möglich, dem immer schwächer
Werdenden das Abendmahl zu reichen. Bei seinen letzten Augenblicken waren
einige Polnische Soldaten gegenwärtig, da er gewünscht hatte, von Lands-


zum Schlagen gegen die Oestreicher, aber es ward nicht viel daraus und nach
einigen kleinen Gefechten siegten leider die Kaiserlichen. Mich nahmen sie gefangen,
ließen mich Gassen laufen, S mal auf und S mal ab, durch 300 Maun, daß mir
das blutige Fleisch in Fetzen vom Rücken hing, und steckten mich dann in ein
Regiment, das in Italien lag. Endlich kam der März 18i8, und anch in Italien
brach es los: ich ging gleich zu den Sardiniern über, ließ mich dort als
Sergeant anstellen, und schoß manche Kugel gegen die Oestreichischen Officiere
ab. Hatte ich doch gehört, daß ihr Kaiser ein guter Freund vom weißen Czaren
in Petersburg sei, und Alles thun müsse, was dieser befehle. Als in Sardinien
im Winter Friede ward, ging ich mit mehrern andern Polen, denen es auch
nicht recht bei den Italienern gefallen wollte, zu Schiff nach Zara, und so
heimlich nach Ungarn. Da ward denn bald ein tüchtiger Krieg, woran mein Herz
sich mehr steilen konnte. Endlich schickte der weiße Czar seinem Freunde Soldaten
zur Hilfe, und nun ging es erst so recht an. Der erste Tag, an dem ich einen
Major der Russen niederschoß, war mir der liebste seit langen Jahren, obgleich
ich selbst einen Säbelhieb über den Kopf dabei bekam. Aber es wurden der
Feinde doch zu viel. Ich war zuletzt mit in Komorn unter dem General Klapka,
und das war mein Glück. Wir erhielten eine Capitulation, und ich dabei einen
Paß, um uach Amerika auszuwandern. Aber nach Amerika wollte ich nicht, denn
da gibt es keinen Krieg mit dem weißen Czaren, und ich wäre meinem Schwüre
untreu geworden. Ich wollte mich nach England einschiffen und sehen, ob es
mir nicht glücken könne, von dort auf Umwegen wieder nach dem Kaukasus zu
kommen, wo der Schamyl noch Krieg führt. In Hamburg hörte ich aber, der
weiße Czar halte es mit den Dänen, und wolle Diesen sogar von seinen Kriegs¬
schiffen welche zur Hilfe schicken. Nun kümmert mich sonst die Sache hier gar
nicht, nud es wäre mir ganz gleich gewesen, ob die Dänen oder die Schleswig-
Holsteiner die Oberhand behalten hätten. Als ich aber vom weißen Czaren seiner
Freundschaft gegen die Dänen hörte, da nahm ich sogleich Dienste in Altona.
Nun ist es bald mit mir ans; ich freue mich darüber, denn meinen Schwur habe
ich treu gehalten, und wenn ich meinen Vater, meine Mutter, und meine Braut
dort oben wieder sehe, werden sie wol zufrieden mit mir sein. Haben Sie
Dank, Herr, daß Sie zu mir gekommen, und schicken Sie mir recht bald noch
einen Pfarrer, daß ich bei ihm beichten kann und er mir das Abendmahl gibt.
Mußte ich anch in Smyrna mich äußerlich an den Türkischen Glauben halten, bin
ich im Herzen doch stets ein guter Christ geblieben." Mit diesen Worten drückte der
alte Soldat mir noch einmal dankend die Hand, und drehte das Gesicht an die
Wand, als wolle er gern sich schweigend seinen Erinnerungen noch überlassen.
Der Pfarrer, den ich rasch aufsuchte, machte es noch möglich, dem immer schwächer
Werdenden das Abendmahl zu reichen. Bei seinen letzten Augenblicken waren
einige Polnische Soldaten gegenwärtig, da er gewünscht hatte, von Lands-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/274>, abgerufen am 27.07.2024.