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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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6jährige Dienstzeit vorbey und obgleich ich Officier werden sollte, hatte ich doch
nicht Lust weiter in derselben fortzndienen. Es trieb mich zu sehr, mit den Russen
selbst wieder zu fechten. Ueber Constantinopel gelaugte ich mit Mühe" und Ge¬
fahren aller Art endlich an den Kaukasus zu den Tschetscheuzen. Die nähme"
mich im Anfang schlecht ans, wollten mich als Sclaven behandeln und nicht mit
gegen die Moskowiter fechten lassen. Aber endlich sahen sie, daß mir wol zu
trauen war, und ich Diese "och mehr haßte wie sie selbst, und so gaben sie mir
ein Gewehr und ließen mich mit in den Krieg ziehen. Seit ich ans Polen fort
war, hatte ich die erste Freude, wie ich wieder die Colonnen des weißen Czaren
sah, und seine Officiere ihm niederschießen konnte. An S Jahre habe ich so im
Kaukasus gefochten, und mancher Russische Officier und mancher Kosak ist vmz
meiner Kugel getroffe" worden. Endlich erhielt ich einen Schuß in deu linken Fuß,
konnte nicht mehr mit fort und ward gefangen. Die Moskowiter wollten meine
Wunde erst Heilen; daun sollte ich gber 100 Streiche mit der Knute erhalten,
und auf Lebenszeit in die Bergwerke von Sibirien geschickt werden, weil ich als
Pole gegen den weißen Czaren gefochten hatte. Als ich so ziemlich wieder her¬
gestellt war, sperrte man mich in einem Thurme ein, der am Schwarzen Meere"
lag. In einer Nacht brach ich die morschen Gitter des Fensters durch, und sprang
in dus Meer. Ich wollte sehen, ob ich mit meinem guten Schwimmen, das ich
an der Weichsel als Knabe gelernt hatte, mich eines Kahnes bemächtigen könnte,
od, er, sonst lieber im Wasser ertrinken, als mich von deu Russen knuten lassen.
Das Glück wollte mir wohl, ich fand am Strande einen leeren Fischerkahn, in dem
>?in betrunkener Kosak lag nud schlief. Deu band ich leise an Hände" n"d Füßen,
warf ihn dann in'S Wasser und segelte ins Meer hinein. Drei Tage trieb ich
so in demselben herum, ohne in der ganzen Zeit etwas Anderes zu genießen, als
einen alten todten Fisch, der noch im Kahne lag. Schon war ich dem Verhungern
nahe, da nahm mich ein Türkischer Schmuggler, der Sclavinnen nach Constan-
tinopel brachte, an Bord auf; die Türken behandelten mich als Sclaven und
verkauften mich in Smyrna an einen reichen Mann, der mich als Knecht in seinen
Ställen anstellte. Nach einigen Monaten lief ich ihm davon, ließ mich zum
Mttselmgnn machen und bei deu Soldaten annehmen, und so war ich von der
Sclaverei frei. Hoffte ich doch immer, der Großpascha der Türken würde wieder mit
dem weißen Czaren Krieg anfangen und ich so etwas Gutes thun können. Mehrere
Jahre war ich im Türkischen Dienst, da sagte eines Tags ein Polnischer Officier,
der auch hier diente, ich sollte mich fertig mache", es würde bald in Polen wieder
losgehen. Und wie ich dgs hörte, da freute ich mich, und wanderte mit noch
zwei andern Landsleuten mit vieler Mühe und Gefahr durch die Bukowina nach
Galizien. Hier trat ich bei einen: reichen Edelmann ein, half dessen Jäger und
Dienstleute einexerciren, und betete alle Tage zu Gott, daß ich noch erleben möge,
daß Polen wieder groß und frei würde. Endlich, im Frühling 1846, kam es


6jährige Dienstzeit vorbey und obgleich ich Officier werden sollte, hatte ich doch
nicht Lust weiter in derselben fortzndienen. Es trieb mich zu sehr, mit den Russen
selbst wieder zu fechten. Ueber Constantinopel gelaugte ich mit Mühe» und Ge¬
fahren aller Art endlich an den Kaukasus zu den Tschetscheuzen. Die nähme»
mich im Anfang schlecht ans, wollten mich als Sclaven behandeln und nicht mit
gegen die Moskowiter fechten lassen. Aber endlich sahen sie, daß mir wol zu
trauen war, und ich Diese »och mehr haßte wie sie selbst, und so gaben sie mir
ein Gewehr und ließen mich mit in den Krieg ziehen. Seit ich ans Polen fort
war, hatte ich die erste Freude, wie ich wieder die Colonnen des weißen Czaren
sah, und seine Officiere ihm niederschießen konnte. An S Jahre habe ich so im
Kaukasus gefochten, und mancher Russische Officier und mancher Kosak ist vmz
meiner Kugel getroffe» worden. Endlich erhielt ich einen Schuß in deu linken Fuß,
konnte nicht mehr mit fort und ward gefangen. Die Moskowiter wollten meine
Wunde erst Heilen; daun sollte ich gber 100 Streiche mit der Knute erhalten,
und auf Lebenszeit in die Bergwerke von Sibirien geschickt werden, weil ich als
Pole gegen den weißen Czaren gefochten hatte. Als ich so ziemlich wieder her¬
gestellt war, sperrte man mich in einem Thurme ein, der am Schwarzen Meere"
lag. In einer Nacht brach ich die morschen Gitter des Fensters durch, und sprang
in dus Meer. Ich wollte sehen, ob ich mit meinem guten Schwimmen, das ich
an der Weichsel als Knabe gelernt hatte, mich eines Kahnes bemächtigen könnte,
od, er, sonst lieber im Wasser ertrinken, als mich von deu Russen knuten lassen.
Das Glück wollte mir wohl, ich fand am Strande einen leeren Fischerkahn, in dem
>?in betrunkener Kosak lag nud schlief. Deu band ich leise an Hände» n»d Füßen,
warf ihn dann in'S Wasser und segelte ins Meer hinein. Drei Tage trieb ich
so in demselben herum, ohne in der ganzen Zeit etwas Anderes zu genießen, als
einen alten todten Fisch, der noch im Kahne lag. Schon war ich dem Verhungern
nahe, da nahm mich ein Türkischer Schmuggler, der Sclavinnen nach Constan-
tinopel brachte, an Bord auf; die Türken behandelten mich als Sclaven und
verkauften mich in Smyrna an einen reichen Mann, der mich als Knecht in seinen
Ställen anstellte. Nach einigen Monaten lief ich ihm davon, ließ mich zum
Mttselmgnn machen und bei deu Soldaten annehmen, und so war ich von der
Sclaverei frei. Hoffte ich doch immer, der Großpascha der Türken würde wieder mit
dem weißen Czaren Krieg anfangen und ich so etwas Gutes thun können. Mehrere
Jahre war ich im Türkischen Dienst, da sagte eines Tags ein Polnischer Officier,
der auch hier diente, ich sollte mich fertig mache», es würde bald in Polen wieder
losgehen. Und wie ich dgs hörte, da freute ich mich, und wanderte mit noch
zwei andern Landsleuten mit vieler Mühe und Gefahr durch die Bukowina nach
Galizien. Hier trat ich bei einen: reichen Edelmann ein, half dessen Jäger und
Dienstleute einexerciren, und betete alle Tage zu Gott, daß ich noch erleben möge,
daß Polen wieder groß und frei würde. Endlich, im Frühling 1846, kam es


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/273>, abgerufen am 01.09.2024.