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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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Schutt und Kohlen, ans denen noch Rauch aufstieg, Entsetzt lies ich näher, Wd
sah meinen Vater sast zerhackt von Säbelhieben an einem Baume hängend, eben so
meine Mutter und meine Maria. Besinnungslos fiel ich zusammen; mitleidige
Nachbarsleute haben mich ausgenommen und in ihre Hütte getragen. Mehrere Tage
habe ich in wildem Fieber dort gelegen, und wie ich wieder zu mir gekommen bin,
haben mir die Nachbarn erzählt, die Kosaken hätten meinen Vater und meine
Mutter getödtet, der Maria Gewalt angethan und sie dann auch getödtet und un¬
ser Haus angezündet. Als ich dies horte, da weinte ich mich aus, und seit jenem
Tage bis hente habe ich nie wieder geweint und nie wieder gelacht. Von dem
Grabe meiner Aeltern und meiner Braut nahm ich dies Säckchen Erde mit, um
stets ans der Brust zu tragen; dann that ich bei ihren Gebeinen den Schwur, so
lange Gott mir das Leben und die Kraft meiner Arme lasse, fort und immer wie¬
der fort gegen die Soldaten des weißen Czaren, oder wer sonst sein Bundesge¬
nosse sei, zu kämpfen, und keinem Officier oder Kosaken je wieder Pardon zu geben.
Und diesen Schwur habe ich bis hente tren gehalten," setzte der alte Pole mit dem
Ausdruck tiesiuncrer Zufriedenheit hinzu. "Als ich wieder hergestellt wurde, trat ich
in mein 4. Regiment zurück, und manchen Russischen Officier und manchen Ko¬
saken hab' ich niedergeschossen oder mit dem Bajvuuett durchstochen; das war
meine einzige Freude, wenn ich gewiß wußte, daß von meiner Hand welche ge¬
fallen Mren. Auch den Adjutanten des Großfürsten Konstantin, der bei ihm
war, als, Dieser mich zuerst sah , nahm ich einst mit einer Patrouille gefangen.
Der bat sehr um sein Leben und sagte, er habe Weib und Kind daheim, und
wolle uns 1000 Ducaten geben, wenn wir ihn freiließen. Ich aber ließ ihn erst
recht winseln und bitten, und stieß ihm dann das Bajonnett durch das Herz,
und wie sein Herzblut mir in das Gesicht spritzte, ward msr wohl zu Muthe.
Mir selbst wurde in diesem Kriege ein Finger der linken Hand abgeschossen, und
ich erhielt einen leichten Lanzenstich in die Seite. Als Polen verloren war,^ gi,u.g
ich nach Frankreich mit vielen andern Kameraden. Wir hofften, die Franzosen
würden Krieg mit dem weißen Czaren anfangen, und uns Polen wieder erobern
helfen. An schönen Worten freilich fehlte es nicht, sonst kam es M Nichts,
und ich trat endlich in die Fremdenlegion zu Algier ein. Hier schlugen wir
uns viel herum, ein Beduine gab mir den Hieb über das Gesicht, und, ich
hatte später Gelegenheit, einen Französischen Obersten ans den Feinden her¬
auszuhauen, wofür ich das Kreuz der Ehrenlegion bekam. Das meines Vaters,
das noch der Kaiser ihm gegeben hatte, war freilich mehr werth. Der König
Louis Philipp sandte uns endlich nach Spanien der Königin Marie Christine
zu Hilfe gegen den Don Carlos. Wie ich hörte, daß der Czar in Peters¬
burg ein Freund des Don Carlos sei und Diesen mit Geld unterstütze,
schoß ich mit viel mehr mehr Vergnügen die Osftciere desselben nieder. Als die
Legion endlich fast ganz aufgerieben nach Frankreich zurückkehrte, war meine


Schutt und Kohlen, ans denen noch Rauch aufstieg, Entsetzt lies ich näher, Wd
sah meinen Vater sast zerhackt von Säbelhieben an einem Baume hängend, eben so
meine Mutter und meine Maria. Besinnungslos fiel ich zusammen; mitleidige
Nachbarsleute haben mich ausgenommen und in ihre Hütte getragen. Mehrere Tage
habe ich in wildem Fieber dort gelegen, und wie ich wieder zu mir gekommen bin,
haben mir die Nachbarn erzählt, die Kosaken hätten meinen Vater und meine
Mutter getödtet, der Maria Gewalt angethan und sie dann auch getödtet und un¬
ser Haus angezündet. Als ich dies horte, da weinte ich mich aus, und seit jenem
Tage bis hente habe ich nie wieder geweint und nie wieder gelacht. Von dem
Grabe meiner Aeltern und meiner Braut nahm ich dies Säckchen Erde mit, um
stets ans der Brust zu tragen; dann that ich bei ihren Gebeinen den Schwur, so
lange Gott mir das Leben und die Kraft meiner Arme lasse, fort und immer wie¬
der fort gegen die Soldaten des weißen Czaren, oder wer sonst sein Bundesge¬
nosse sei, zu kämpfen, und keinem Officier oder Kosaken je wieder Pardon zu geben.
Und diesen Schwur habe ich bis hente tren gehalten," setzte der alte Pole mit dem
Ausdruck tiesiuncrer Zufriedenheit hinzu. „Als ich wieder hergestellt wurde, trat ich
in mein 4. Regiment zurück, und manchen Russischen Officier und manchen Ko¬
saken hab' ich niedergeschossen oder mit dem Bajvuuett durchstochen; das war
meine einzige Freude, wenn ich gewiß wußte, daß von meiner Hand welche ge¬
fallen Mren. Auch den Adjutanten des Großfürsten Konstantin, der bei ihm
war, als, Dieser mich zuerst sah , nahm ich einst mit einer Patrouille gefangen.
Der bat sehr um sein Leben und sagte, er habe Weib und Kind daheim, und
wolle uns 1000 Ducaten geben, wenn wir ihn freiließen. Ich aber ließ ihn erst
recht winseln und bitten, und stieß ihm dann das Bajonnett durch das Herz,
und wie sein Herzblut mir in das Gesicht spritzte, ward msr wohl zu Muthe.
Mir selbst wurde in diesem Kriege ein Finger der linken Hand abgeschossen, und
ich erhielt einen leichten Lanzenstich in die Seite. Als Polen verloren war,^ gi,u.g
ich nach Frankreich mit vielen andern Kameraden. Wir hofften, die Franzosen
würden Krieg mit dem weißen Czaren anfangen, und uns Polen wieder erobern
helfen. An schönen Worten freilich fehlte es nicht, sonst kam es M Nichts,
und ich trat endlich in die Fremdenlegion zu Algier ein. Hier schlugen wir
uns viel herum, ein Beduine gab mir den Hieb über das Gesicht, und, ich
hatte später Gelegenheit, einen Französischen Obersten ans den Feinden her¬
auszuhauen, wofür ich das Kreuz der Ehrenlegion bekam. Das meines Vaters,
das noch der Kaiser ihm gegeben hatte, war freilich mehr werth. Der König
Louis Philipp sandte uns endlich nach Spanien der Königin Marie Christine
zu Hilfe gegen den Don Carlos. Wie ich hörte, daß der Czar in Peters¬
burg ein Freund des Don Carlos sei und Diesen mit Geld unterstütze,
schoß ich mit viel mehr mehr Vergnügen die Osftciere desselben nieder. Als die
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/272>, abgerufen am 01.09.2024.