Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

hebben?" und als ich dies noch einmal wiederholt hatte, meinte er: "Worum
full ick denn Bangen hebben?" Nachher meinte er: "Dat Leegtste die der ganz
Geschichte wier, dat wir kenn ordentlich Mittagsbrod bekommen hebt un dat mir
mien Bodderpott intweischoten is."

Endlich wurden Hans-Peter die beständigen Fragen und Schmeicheleien
der ihn umringenden Damen, die zu grüßen mancher Lieutenant mehr wie
eine Monatsgage hingegeben hätte, doch zu viel. Er hatte sein Butterbrod jetzt
verzehrt, stand auf und sagte laut zu einem Kameraden: "Wenn dat Tüüg von
all den Fruuenslüüt doch man ut der Schanz herut drüben our, dat schnaatert
nichr wie een ganz Hood Gosse." Mit großer Seelenruhe ging er darauf einige
Schritte aus der Schauze fort, und setzte sich in einer Stellung nieder, die
ein mehr als Niederländisches Bild bot. Als er mit diesem wichtigen Geschäft
in großer Ruhe und Gemüthlichkeit fertig geworden war, hing er seinen Brod-
beutet, den er sich schon wieder straff zu füllen gewußt hatte, um, und ging zu
dem Commandirenden der Schanze nud sagte: "Verlvvbt der Haar un, dat ick
wedder to aime Batterie torückmarschier, dee Dänen war'n fort ierst nich wedder
Hieher kommen, un mien Haar Hauptmann wat mie so schon in Arrest Spunden,
dat ick länger utbläwen bün." Als er die Erlaubniß dazu und auch ein schrift¬
liches Zeugniß, daß er mit großer Tüchtigkeit an dem Kampfe gegen die Dänen
Theil genommen habe, erhalten hatte, sagte er: "Adschüüß" (Adieu), und schritt
ruhig seines Weges fort, um sich seine Batterie wieder zu suchen. Unterwegs
holte ich ihn mit meinem Wagen ein, und ließ ihn einige Stunden mitfahren, so
weit wir gleichen Weg hatten. Diese ganze Zeit saß er ruhig neben dem Bauer,
der meinen Wagen fuhr, rauchte seine Pfeife oder aß ein Butterbrod. Weder
Hans-Peter fand für gut, dem Bauer Etwas von dem heftigen Gefechte, an dem
er gestern Theil genommen hatte, zu erzählen, noch Dieser, ihn viel darum zu fra¬
gen. Große Redfertigkeit ist gerade nicht die Sache der Leute in Schleswig-Hol¬
stein. -- Als ich meinen Hans-Peter zum zweiten Mal wieder erblickte, war es
in dem heftigen Gefecht bei Kvldiug. Die Batterie, bei der er stand, war im
Anfang weit von Kolding entfernt gewesen und hatte eine Meile in raschem Tempo
zurückgelegt, um noch zu rechter Zeit an dem Gefechte Theil zu nehmen. Rasche
Tempo's waren nun gerade nicht nach dem Geschmack von Hans-Peter, und so
saß er denn mit ziemlich griesgrämigem Gesicht ans seinem Protzkasten. Sein un¬
zertrennliches Butterbrod fehlte wieder nicht bei ihm, und trotz daß er auf seinem
stoßenden Sitz auf- und niederhopste, schien er die Zeit wahrnehmen zu wollen,
bis er gegen den Feind käme, um doppelt große Bissen in seinen weit geöffneten
Mund zu stecken. Die Batterie hielt einen Augenblick an, um weitere Befehle
zu erwarten, und diese Zeit benutzte ich, an dieselbe heranzurücken und "Hans-
Peter" wieder zu begrüßen. Aus meine Frage, wie es ihm ginge, meinte er:
"Leeg genog, wenn wir man ierst den Dänen gegenüber wiern, dat dit ver-


hebben?" und als ich dies noch einmal wiederholt hatte, meinte er: „Worum
full ick denn Bangen hebben?" Nachher meinte er: „Dat Leegtste die der ganz
Geschichte wier, dat wir kenn ordentlich Mittagsbrod bekommen hebt un dat mir
mien Bodderpott intweischoten is."

Endlich wurden Hans-Peter die beständigen Fragen und Schmeicheleien
der ihn umringenden Damen, die zu grüßen mancher Lieutenant mehr wie
eine Monatsgage hingegeben hätte, doch zu viel. Er hatte sein Butterbrod jetzt
verzehrt, stand auf und sagte laut zu einem Kameraden: „Wenn dat Tüüg von
all den Fruuenslüüt doch man ut der Schanz herut drüben our, dat schnaatert
nichr wie een ganz Hood Gosse." Mit großer Seelenruhe ging er darauf einige
Schritte aus der Schauze fort, und setzte sich in einer Stellung nieder, die
ein mehr als Niederländisches Bild bot. Als er mit diesem wichtigen Geschäft
in großer Ruhe und Gemüthlichkeit fertig geworden war, hing er seinen Brod-
beutet, den er sich schon wieder straff zu füllen gewußt hatte, um, und ging zu
dem Commandirenden der Schanze nud sagte: „Verlvvbt der Haar un, dat ick
wedder to aime Batterie torückmarschier, dee Dänen war'n fort ierst nich wedder
Hieher kommen, un mien Haar Hauptmann wat mie so schon in Arrest Spunden,
dat ick länger utbläwen bün." Als er die Erlaubniß dazu und auch ein schrift¬
liches Zeugniß, daß er mit großer Tüchtigkeit an dem Kampfe gegen die Dänen
Theil genommen habe, erhalten hatte, sagte er: „Adschüüß" (Adieu), und schritt
ruhig seines Weges fort, um sich seine Batterie wieder zu suchen. Unterwegs
holte ich ihn mit meinem Wagen ein, und ließ ihn einige Stunden mitfahren, so
weit wir gleichen Weg hatten. Diese ganze Zeit saß er ruhig neben dem Bauer,
der meinen Wagen fuhr, rauchte seine Pfeife oder aß ein Butterbrod. Weder
Hans-Peter fand für gut, dem Bauer Etwas von dem heftigen Gefechte, an dem
er gestern Theil genommen hatte, zu erzählen, noch Dieser, ihn viel darum zu fra¬
gen. Große Redfertigkeit ist gerade nicht die Sache der Leute in Schleswig-Hol¬
stein. — Als ich meinen Hans-Peter zum zweiten Mal wieder erblickte, war es
in dem heftigen Gefecht bei Kvldiug. Die Batterie, bei der er stand, war im
Anfang weit von Kolding entfernt gewesen und hatte eine Meile in raschem Tempo
zurückgelegt, um noch zu rechter Zeit an dem Gefechte Theil zu nehmen. Rasche
Tempo's waren nun gerade nicht nach dem Geschmack von Hans-Peter, und so
saß er denn mit ziemlich griesgrämigem Gesicht ans seinem Protzkasten. Sein un¬
zertrennliches Butterbrod fehlte wieder nicht bei ihm, und trotz daß er auf seinem
stoßenden Sitz auf- und niederhopste, schien er die Zeit wahrnehmen zu wollen,
bis er gegen den Feind käme, um doppelt große Bissen in seinen weit geöffneten
Mund zu stecken. Die Batterie hielt einen Augenblick an, um weitere Befehle
zu erwarten, und diese Zeit benutzte ich, an dieselbe heranzurücken und „Hans-
Peter" wieder zu begrüßen. Aus meine Frage, wie es ihm ginge, meinte er:
„Leeg genog, wenn wir man ierst den Dänen gegenüber wiern, dat dit ver-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0240" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/91433"/>
          <p xml:id="ID_666" prev="#ID_665"> hebben?" und als ich dies noch einmal wiederholt hatte, meinte er: &#x201E;Worum<lb/>
full ick denn Bangen hebben?" Nachher meinte er: &#x201E;Dat Leegtste die der ganz<lb/>
Geschichte wier, dat wir kenn ordentlich Mittagsbrod bekommen hebt un dat mir<lb/>
mien Bodderpott intweischoten is."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_667" next="#ID_668"> Endlich wurden Hans-Peter die beständigen Fragen und Schmeicheleien<lb/>
der ihn umringenden Damen, die zu grüßen mancher Lieutenant mehr wie<lb/>
eine Monatsgage hingegeben hätte, doch zu viel. Er hatte sein Butterbrod jetzt<lb/>
verzehrt, stand auf und sagte laut zu einem Kameraden: &#x201E;Wenn dat Tüüg von<lb/>
all den Fruuenslüüt doch man ut der Schanz herut drüben our, dat schnaatert<lb/>
nichr wie een ganz Hood Gosse." Mit großer Seelenruhe ging er darauf einige<lb/>
Schritte aus der Schauze fort, und setzte sich in einer Stellung nieder, die<lb/>
ein mehr als Niederländisches Bild bot. Als er mit diesem wichtigen Geschäft<lb/>
in großer Ruhe und Gemüthlichkeit fertig geworden war, hing er seinen Brod-<lb/>
beutet, den er sich schon wieder straff zu füllen gewußt hatte, um, und ging zu<lb/>
dem Commandirenden der Schanze nud sagte: &#x201E;Verlvvbt der Haar un, dat ick<lb/>
wedder to aime Batterie torückmarschier, dee Dänen war'n fort ierst nich wedder<lb/>
Hieher kommen, un mien Haar Hauptmann wat mie so schon in Arrest Spunden,<lb/>
dat ick länger utbläwen bün." Als er die Erlaubniß dazu und auch ein schrift¬<lb/>
liches Zeugniß, daß er mit großer Tüchtigkeit an dem Kampfe gegen die Dänen<lb/>
Theil genommen habe, erhalten hatte, sagte er: &#x201E;Adschüüß" (Adieu), und schritt<lb/>
ruhig seines Weges fort, um sich seine Batterie wieder zu suchen. Unterwegs<lb/>
holte ich ihn mit meinem Wagen ein, und ließ ihn einige Stunden mitfahren, so<lb/>
weit wir gleichen Weg hatten. Diese ganze Zeit saß er ruhig neben dem Bauer,<lb/>
der meinen Wagen fuhr, rauchte seine Pfeife oder aß ein Butterbrod. Weder<lb/>
Hans-Peter fand für gut, dem Bauer Etwas von dem heftigen Gefechte, an dem<lb/>
er gestern Theil genommen hatte, zu erzählen, noch Dieser, ihn viel darum zu fra¬<lb/>
gen. Große Redfertigkeit ist gerade nicht die Sache der Leute in Schleswig-Hol¬<lb/>
stein. &#x2014; Als ich meinen Hans-Peter zum zweiten Mal wieder erblickte, war es<lb/>
in dem heftigen Gefecht bei Kvldiug. Die Batterie, bei der er stand, war im<lb/>
Anfang weit von Kolding entfernt gewesen und hatte eine Meile in raschem Tempo<lb/>
zurückgelegt, um noch zu rechter Zeit an dem Gefechte Theil zu nehmen. Rasche<lb/>
Tempo's waren nun gerade nicht nach dem Geschmack von Hans-Peter, und so<lb/>
saß er denn mit ziemlich griesgrämigem Gesicht ans seinem Protzkasten. Sein un¬<lb/>
zertrennliches Butterbrod fehlte wieder nicht bei ihm, und trotz daß er auf seinem<lb/>
stoßenden Sitz auf- und niederhopste, schien er die Zeit wahrnehmen zu wollen,<lb/>
bis er gegen den Feind käme, um doppelt große Bissen in seinen weit geöffneten<lb/>
Mund zu stecken. Die Batterie hielt einen Augenblick an, um weitere Befehle<lb/>
zu erwarten, und diese Zeit benutzte ich, an dieselbe heranzurücken und &#x201E;Hans-<lb/>
Peter" wieder zu begrüßen. Aus meine Frage, wie es ihm ginge, meinte er:<lb/>
&#x201E;Leeg genog, wenn wir man ierst den Dänen gegenüber wiern, dat dit ver-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0240] hebben?" und als ich dies noch einmal wiederholt hatte, meinte er: „Worum full ick denn Bangen hebben?" Nachher meinte er: „Dat Leegtste die der ganz Geschichte wier, dat wir kenn ordentlich Mittagsbrod bekommen hebt un dat mir mien Bodderpott intweischoten is." Endlich wurden Hans-Peter die beständigen Fragen und Schmeicheleien der ihn umringenden Damen, die zu grüßen mancher Lieutenant mehr wie eine Monatsgage hingegeben hätte, doch zu viel. Er hatte sein Butterbrod jetzt verzehrt, stand auf und sagte laut zu einem Kameraden: „Wenn dat Tüüg von all den Fruuenslüüt doch man ut der Schanz herut drüben our, dat schnaatert nichr wie een ganz Hood Gosse." Mit großer Seelenruhe ging er darauf einige Schritte aus der Schauze fort, und setzte sich in einer Stellung nieder, die ein mehr als Niederländisches Bild bot. Als er mit diesem wichtigen Geschäft in großer Ruhe und Gemüthlichkeit fertig geworden war, hing er seinen Brod- beutet, den er sich schon wieder straff zu füllen gewußt hatte, um, und ging zu dem Commandirenden der Schanze nud sagte: „Verlvvbt der Haar un, dat ick wedder to aime Batterie torückmarschier, dee Dänen war'n fort ierst nich wedder Hieher kommen, un mien Haar Hauptmann wat mie so schon in Arrest Spunden, dat ick länger utbläwen bün." Als er die Erlaubniß dazu und auch ein schrift¬ liches Zeugniß, daß er mit großer Tüchtigkeit an dem Kampfe gegen die Dänen Theil genommen habe, erhalten hatte, sagte er: „Adschüüß" (Adieu), und schritt ruhig seines Weges fort, um sich seine Batterie wieder zu suchen. Unterwegs holte ich ihn mit meinem Wagen ein, und ließ ihn einige Stunden mitfahren, so weit wir gleichen Weg hatten. Diese ganze Zeit saß er ruhig neben dem Bauer, der meinen Wagen fuhr, rauchte seine Pfeife oder aß ein Butterbrod. Weder Hans-Peter fand für gut, dem Bauer Etwas von dem heftigen Gefechte, an dem er gestern Theil genommen hatte, zu erzählen, noch Dieser, ihn viel darum zu fra¬ gen. Große Redfertigkeit ist gerade nicht die Sache der Leute in Schleswig-Hol¬ stein. — Als ich meinen Hans-Peter zum zweiten Mal wieder erblickte, war es in dem heftigen Gefecht bei Kvldiug. Die Batterie, bei der er stand, war im Anfang weit von Kolding entfernt gewesen und hatte eine Meile in raschem Tempo zurückgelegt, um noch zu rechter Zeit an dem Gefechte Theil zu nehmen. Rasche Tempo's waren nun gerade nicht nach dem Geschmack von Hans-Peter, und so saß er denn mit ziemlich griesgrämigem Gesicht ans seinem Protzkasten. Sein un¬ zertrennliches Butterbrod fehlte wieder nicht bei ihm, und trotz daß er auf seinem stoßenden Sitz auf- und niederhopste, schien er die Zeit wahrnehmen zu wollen, bis er gegen den Feind käme, um doppelt große Bissen in seinen weit geöffneten Mund zu stecken. Die Batterie hielt einen Augenblick an, um weitere Befehle zu erwarten, und diese Zeit benutzte ich, an dieselbe heranzurücken und „Hans- Peter" wieder zu begrüßen. Aus meine Frage, wie es ihm ginge, meinte er: „Leeg genog, wenn wir man ierst den Dänen gegenüber wiern, dat dit ver-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/240
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/240>, abgerufen am 01.09.2024.