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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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manu" nicht uninteressant sein dürste, die Bekanntschaft seines wilden College zu
machen, so wollen wir über Denselben hier einige Notizen geben.

Garaschanin war früher Handelsmann und hat die gewöhnliche Bildung eines
serbischen Bürgers; aber Talent, ein fleckenloser Charakter, Energie und Libe¬
ralität der Gesinnung machten ihn bald zur Seele der serbischen Regierung. Als
im Jahre 4 848 der Kampf der Ungarischen Serben gegen die Magyaren aus¬
brach, und das serbische Volk in Masse seinen Brüdern in Ungarn zu Hilfe
zog, wußte Garaschauiu die Neutralität der serbischen Regierung zu behaupten,
ja Kossuth suchte dieselbe um Vermittelung in jenem Kämpfe an. Dies ging
ebenso wenig an, als es möglich gewesen wäre, die Serben von dem Frei-
schaarenzuge nach Ungarn abzuhalten: hätte dies die serbische Regierung ver¬
sucht, so wäre sie rettungslos verloren gewesen; denn der Kampf der Serben
gegen die Magyaren war eine Nationalsache, und Garaschanin zeigte einen echt
staatsmännischen Blick, als er seinen Freund, den Staatsrath und General
Knitschanin, nach Ungarn schickte, um die serbische Bewegung in diesem Sinne
zu leiten. Freilich war Alles verdorben, als sich die Kroaten nud ihr Ban in die
serbischen Verhältnisse einzumischen begannen; der Kroatische Krieg war ein un¬
sinniges Product des Jllyrismns, der an den Magyaren sein Müthchen kühlen
wollte, und trotzdem, daß die banale Revolution von der Camarilla patentirt und
legitimirt wurde, ein eclatantes Fiasco machte -- doch dies ist ein langes Capitel,
auf welches wir bei einer andern Gelegenheit zurückkommen werden. Daß man
bei Garaschauiu keine Oestreichischen dynastischen Sympathien zu suchen habe,
zeigt die Antwort, mit welcher er das große Band des Leopoldordens der Oest-
reichischen Regierung zurücksandte. "Was ich in Ungarn gethan habe," schrieb
er, "habe ich für meine Brüder gethan, nicht für Oestreich. Daher könnte ich
eine Belohnung der Art auch dann nicht annehmen, wenn ich für solchen Flitter
Sinn und Geschmack hätte." Es ist überhaupt nothwendig, zwischen den serbi¬
schen und den Kroatischeu Zerwürfnissen mit Ungarn genauer zu unterscheiden, sonst
käme man zu ganz falschen Resultaten, namentlich in Bezug auf die fürstlich
serbische Regierung.

Das System Garaschanin's ist, bei liberalem Fortschritte uach Innen, auf
die strengste Neutralität nach Außen hin berechnet; obwol nun die serbische Re¬
gierung zu den beiden^Schntzmächten in bestem Verhältnisse steht, ist aus innern
Gründen der Sache eine Hinneigung derselben zur Pforte, oder eigentlicher zu
Reschid-Pascha's System begreiflich und erklärlich. Da Rußland gegenwärtig das
größte Interesse hat, die slawisch-christlichen Provinzen des Osmanischen Reiches
ruhig zu wissen, macht es sich wenig Scrupel über diese Richtung; aber das
Volk, welches auf eigene Art Diplomatie treibt, findet an derselben kein beson¬
deres Gefallen, denn es will nicht begreifen, wie man seinen Erbfeind, die Türken,
jetzt noch schonen könne. Daher ist Garaschanin, bei aller persönlichen Achtung,


manu" nicht uninteressant sein dürste, die Bekanntschaft seines wilden College zu
machen, so wollen wir über Denselben hier einige Notizen geben.

Garaschanin war früher Handelsmann und hat die gewöhnliche Bildung eines
serbischen Bürgers; aber Talent, ein fleckenloser Charakter, Energie und Libe¬
ralität der Gesinnung machten ihn bald zur Seele der serbischen Regierung. Als
im Jahre 4 848 der Kampf der Ungarischen Serben gegen die Magyaren aus¬
brach, und das serbische Volk in Masse seinen Brüdern in Ungarn zu Hilfe
zog, wußte Garaschauiu die Neutralität der serbischen Regierung zu behaupten,
ja Kossuth suchte dieselbe um Vermittelung in jenem Kämpfe an. Dies ging
ebenso wenig an, als es möglich gewesen wäre, die Serben von dem Frei-
schaarenzuge nach Ungarn abzuhalten: hätte dies die serbische Regierung ver¬
sucht, so wäre sie rettungslos verloren gewesen; denn der Kampf der Serben
gegen die Magyaren war eine Nationalsache, und Garaschanin zeigte einen echt
staatsmännischen Blick, als er seinen Freund, den Staatsrath und General
Knitschanin, nach Ungarn schickte, um die serbische Bewegung in diesem Sinne
zu leiten. Freilich war Alles verdorben, als sich die Kroaten nud ihr Ban in die
serbischen Verhältnisse einzumischen begannen; der Kroatische Krieg war ein un¬
sinniges Product des Jllyrismns, der an den Magyaren sein Müthchen kühlen
wollte, und trotzdem, daß die banale Revolution von der Camarilla patentirt und
legitimirt wurde, ein eclatantes Fiasco machte — doch dies ist ein langes Capitel,
auf welches wir bei einer andern Gelegenheit zurückkommen werden. Daß man
bei Garaschauiu keine Oestreichischen dynastischen Sympathien zu suchen habe,
zeigt die Antwort, mit welcher er das große Band des Leopoldordens der Oest-
reichischen Regierung zurücksandte. „Was ich in Ungarn gethan habe," schrieb
er, „habe ich für meine Brüder gethan, nicht für Oestreich. Daher könnte ich
eine Belohnung der Art auch dann nicht annehmen, wenn ich für solchen Flitter
Sinn und Geschmack hätte." Es ist überhaupt nothwendig, zwischen den serbi¬
schen und den Kroatischeu Zerwürfnissen mit Ungarn genauer zu unterscheiden, sonst
käme man zu ganz falschen Resultaten, namentlich in Bezug auf die fürstlich
serbische Regierung.

Das System Garaschanin's ist, bei liberalem Fortschritte uach Innen, auf
die strengste Neutralität nach Außen hin berechnet; obwol nun die serbische Re¬
gierung zu den beiden^Schntzmächten in bestem Verhältnisse steht, ist aus innern
Gründen der Sache eine Hinneigung derselben zur Pforte, oder eigentlicher zu
Reschid-Pascha's System begreiflich und erklärlich. Da Rußland gegenwärtig das
größte Interesse hat, die slawisch-christlichen Provinzen des Osmanischen Reiches
ruhig zu wissen, macht es sich wenig Scrupel über diese Richtung; aber das
Volk, welches auf eigene Art Diplomatie treibt, findet an derselben kein beson¬
deres Gefallen, denn es will nicht begreifen, wie man seinen Erbfeind, die Türken,
jetzt noch schonen könne. Daher ist Garaschanin, bei aller persönlichen Achtung,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/235>, abgerufen am 27.07.2024.