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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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ihm nicht leicht aufs Haupt gehen dürste. Einstweilen ist jedoch Ali-Pascha ab¬
gesetzt und soll, wenn ihn seine Krajinaer Freunde nicht befreien, als Staats¬
gefangner uach Stambul gebracht werden*); die Erzegowina ist aber durch einen
großherrlichen Firman mit Bosnien zu einem einzigen Wezirlik verbunden und
Hajiveddim-Pascha untergeordnet worden.

Während nun Omer-Pascha nach der Erzegowina eilte und daselbst die
Ruhe temporair herstellte, machten die krajinaer Türken uuter Ali-Kaditsch und
Kapitsch Eroberungen in der Krajina, und gewannen eine Position am Flusse
Wrbas, welche sie zu Herren des ganzen nördlichen Bosniens machte. Omer-
Pascha hatte die Absicht, von der Erzegowina aus, längs der dalmatiner Grenze,
über das Sehatorgebirge in die Krajina zu dringen und den Insurgenten in den
Rücken zu fallen; Diese aber erriethen den Plan, und besetzten die wenigen gang¬
baren Pässe zwischen der Krajina und der Erzegowina, so daß die Krajina nun¬
mehr vom Süden und Osten ganz unangreifbar war. Omer-Pascha mußte sich
daher von Linao nach Osten wenden, an die Wrbaserlime zu nehmen.

Ali-Keditsch ist gegenwärtig das erklärte Haupt der Jnsurrection und trat
als solches positiv auf; er organisirte die Krajina, setzte Behörden ein und ließ
ein zweites Truppenausgebot stellen. Er sagte in Banjaluka zu seinen Truppen:
"sie mögen sich ans einen Kampf vorbereiten, wie ihn Bosnien noch nie gesehen,
denn er werde die Waffen nicht niederlegen, bis er sein Volk von der Tyrannei
des Dschaur-Sultans werde befreit haben." Da dies die ersten Worte sind, in
denen von der Befreiung Bosniens gesprochen wird, so.waren Kcditsch's Schaaren
aufs Höchste sanatistrt und wollten von einer Aussöhnung mit der Pforte Nichts
mehr hören. "Die Bosra soll frei werden," sagten sie, "und wenn darob der
letzte Mann von uns untergeht." Allein die Handlungen der Insurgenten ent¬
sprachen diesem hohen Tone bisher gar nicht. Sie sind freilich kühne, muthige
Streiter, und die Pforte hat schon mehr als einmal den Arm der böhmischen Türken
schwer genug empfunden; allein ihre Kriegskunst kann sich unmöglich gegen die
Tactik Omer-Paschas dauernd behaupten. Dieser war bereits am 18. mit etwa
7000 Mann Nisami-Dschadid bei Jeiza, dem Schlüssel zur Wrbaser Linie, ange¬
langt und sein Unterbesehlshaber Derwisch-Pascha schlug bei dem Dorfe Gül-
Hassar einen sehr zahlreichen Jnsurgentenhaufen; Omer-Pascha stürmte zweimal
Jaiza, eroberte es am 22. und gewann den Insurgenten die so hochwichtige
Position am Wrbas ab. Gegenwärtig dürste Omer-Pascha auch schon Banjaluka
genommen und die Insurgenten aus ein sehr enges Terrain eingeschränkt haben.
Die eigentliche Krajina ist aber von allen Seiten so geschützt, daß sich der Auf¬
stand daselbst wol noch längere Zeit halten kann; aber die Aussichten auf Erfolg
sind aufs Minimum reducirt. Man bemerkt, daß die frühere Leitung der Jnsur-



*) So eben erhalte ich die Nachricht von seinem Tode.
Grenzliotcn. II. 1851.24

ihm nicht leicht aufs Haupt gehen dürste. Einstweilen ist jedoch Ali-Pascha ab¬
gesetzt und soll, wenn ihn seine Krajinaer Freunde nicht befreien, als Staats¬
gefangner uach Stambul gebracht werden*); die Erzegowina ist aber durch einen
großherrlichen Firman mit Bosnien zu einem einzigen Wezirlik verbunden und
Hajiveddim-Pascha untergeordnet worden.

Während nun Omer-Pascha nach der Erzegowina eilte und daselbst die
Ruhe temporair herstellte, machten die krajinaer Türken uuter Ali-Kaditsch und
Kapitsch Eroberungen in der Krajina, und gewannen eine Position am Flusse
Wrbas, welche sie zu Herren des ganzen nördlichen Bosniens machte. Omer-
Pascha hatte die Absicht, von der Erzegowina aus, längs der dalmatiner Grenze,
über das Sehatorgebirge in die Krajina zu dringen und den Insurgenten in den
Rücken zu fallen; Diese aber erriethen den Plan, und besetzten die wenigen gang¬
baren Pässe zwischen der Krajina und der Erzegowina, so daß die Krajina nun¬
mehr vom Süden und Osten ganz unangreifbar war. Omer-Pascha mußte sich
daher von Linao nach Osten wenden, an die Wrbaserlime zu nehmen.

Ali-Keditsch ist gegenwärtig das erklärte Haupt der Jnsurrection und trat
als solches positiv auf; er organisirte die Krajina, setzte Behörden ein und ließ
ein zweites Truppenausgebot stellen. Er sagte in Banjaluka zu seinen Truppen:
„sie mögen sich ans einen Kampf vorbereiten, wie ihn Bosnien noch nie gesehen,
denn er werde die Waffen nicht niederlegen, bis er sein Volk von der Tyrannei
des Dschaur-Sultans werde befreit haben." Da dies die ersten Worte sind, in
denen von der Befreiung Bosniens gesprochen wird, so.waren Kcditsch's Schaaren
aufs Höchste sanatistrt und wollten von einer Aussöhnung mit der Pforte Nichts
mehr hören. „Die Bosra soll frei werden," sagten sie, „und wenn darob der
letzte Mann von uns untergeht." Allein die Handlungen der Insurgenten ent¬
sprachen diesem hohen Tone bisher gar nicht. Sie sind freilich kühne, muthige
Streiter, und die Pforte hat schon mehr als einmal den Arm der böhmischen Türken
schwer genug empfunden; allein ihre Kriegskunst kann sich unmöglich gegen die
Tactik Omer-Paschas dauernd behaupten. Dieser war bereits am 18. mit etwa
7000 Mann Nisami-Dschadid bei Jeiza, dem Schlüssel zur Wrbaser Linie, ange¬
langt und sein Unterbesehlshaber Derwisch-Pascha schlug bei dem Dorfe Gül-
Hassar einen sehr zahlreichen Jnsurgentenhaufen; Omer-Pascha stürmte zweimal
Jaiza, eroberte es am 22. und gewann den Insurgenten die so hochwichtige
Position am Wrbas ab. Gegenwärtig dürste Omer-Pascha auch schon Banjaluka
genommen und die Insurgenten aus ein sehr enges Terrain eingeschränkt haben.
Die eigentliche Krajina ist aber von allen Seiten so geschützt, daß sich der Auf¬
stand daselbst wol noch längere Zeit halten kann; aber die Aussichten auf Erfolg
sind aufs Minimum reducirt. Man bemerkt, daß die frühere Leitung der Jnsur-



*) So eben erhalte ich die Nachricht von seinem Tode.
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[0197] ihm nicht leicht aufs Haupt gehen dürste. Einstweilen ist jedoch Ali-Pascha ab¬ gesetzt und soll, wenn ihn seine Krajinaer Freunde nicht befreien, als Staats¬ gefangner uach Stambul gebracht werden*); die Erzegowina ist aber durch einen großherrlichen Firman mit Bosnien zu einem einzigen Wezirlik verbunden und Hajiveddim-Pascha untergeordnet worden. Während nun Omer-Pascha nach der Erzegowina eilte und daselbst die Ruhe temporair herstellte, machten die krajinaer Türken uuter Ali-Kaditsch und Kapitsch Eroberungen in der Krajina, und gewannen eine Position am Flusse Wrbas, welche sie zu Herren des ganzen nördlichen Bosniens machte. Omer- Pascha hatte die Absicht, von der Erzegowina aus, längs der dalmatiner Grenze, über das Sehatorgebirge in die Krajina zu dringen und den Insurgenten in den Rücken zu fallen; Diese aber erriethen den Plan, und besetzten die wenigen gang¬ baren Pässe zwischen der Krajina und der Erzegowina, so daß die Krajina nun¬ mehr vom Süden und Osten ganz unangreifbar war. Omer-Pascha mußte sich daher von Linao nach Osten wenden, an die Wrbaserlime zu nehmen. Ali-Keditsch ist gegenwärtig das erklärte Haupt der Jnsurrection und trat als solches positiv auf; er organisirte die Krajina, setzte Behörden ein und ließ ein zweites Truppenausgebot stellen. Er sagte in Banjaluka zu seinen Truppen: „sie mögen sich ans einen Kampf vorbereiten, wie ihn Bosnien noch nie gesehen, denn er werde die Waffen nicht niederlegen, bis er sein Volk von der Tyrannei des Dschaur-Sultans werde befreit haben." Da dies die ersten Worte sind, in denen von der Befreiung Bosniens gesprochen wird, so.waren Kcditsch's Schaaren aufs Höchste sanatistrt und wollten von einer Aussöhnung mit der Pforte Nichts mehr hören. „Die Bosra soll frei werden," sagten sie, „und wenn darob der letzte Mann von uns untergeht." Allein die Handlungen der Insurgenten ent¬ sprachen diesem hohen Tone bisher gar nicht. Sie sind freilich kühne, muthige Streiter, und die Pforte hat schon mehr als einmal den Arm der böhmischen Türken schwer genug empfunden; allein ihre Kriegskunst kann sich unmöglich gegen die Tactik Omer-Paschas dauernd behaupten. Dieser war bereits am 18. mit etwa 7000 Mann Nisami-Dschadid bei Jeiza, dem Schlüssel zur Wrbaser Linie, ange¬ langt und sein Unterbesehlshaber Derwisch-Pascha schlug bei dem Dorfe Gül- Hassar einen sehr zahlreichen Jnsurgentenhaufen; Omer-Pascha stürmte zweimal Jaiza, eroberte es am 22. und gewann den Insurgenten die so hochwichtige Position am Wrbas ab. Gegenwärtig dürste Omer-Pascha auch schon Banjaluka genommen und die Insurgenten aus ein sehr enges Terrain eingeschränkt haben. Die eigentliche Krajina ist aber von allen Seiten so geschützt, daß sich der Auf¬ stand daselbst wol noch längere Zeit halten kann; aber die Aussichten auf Erfolg sind aufs Minimum reducirt. Man bemerkt, daß die frühere Leitung der Jnsur- *) So eben erhalte ich die Nachricht von seinem Tode. Grenzliotcn. II. 1851.24

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/197>, abgerufen am 01.09.2024.