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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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erwarb, daß er, nach der Ernennung des damaligen erzegowinaer Wezirs Hafis-
Pascha zum Wezir von Bosnien, zum Wezir der Erzegowina ernannt wurde.
Er spielte als solcher seine Rolle mit größter Meisterschaft. Als ein Weiser und
als ein toleranter Mann im Lande bekannt, sicherte er sich eiuen großen Einfluß
ans die in der Erzegowina sehr zahlreiche Raja, was noch keinem türkischen
Machthaber jemals gelungen war; zugleich aber galt er bei den Alttürken als ihr
Mann, und genoß auch bei ihnen eines unbedingten Vertrauens. Darauf basirte
nun Ali-Pascha seine Pläne.

Ali-Keditsch, der Kadi Kapitsch von Wranogratsch und Mehmet Pascha von
Tusla, die Führer der Insurgenten in der Krajina und Pohawiua, waren als
Werkzeuge ganz brauchbar, daher wurden sie von Ali-Pascha benutzt und ausge¬
beutet, ohne zu wissen oder zu errathen, daß dieser wichtigere Pläne habe, welche
ihnen verborgen blieben. Ali-Pascha hatte außer seinem Sohne Nafiz-Pascha
keinen Vertrauten, doch diente dessen Korrespondenz dazu, Ali-Paschas Tendenzen
an's Licht zu ziehen. Diese bestanden aber, wie es aus der besagten Correspon-
denz hervorgeht, in nichts Geringerem, als Bosnien und die Erzegowina zu
einem von der Pforte unabhängigen Reiche zu macheu. Ali Pascha
wußte, daß die Pforte weder im Staude sei, täglich frische Armeen nach Bosnien
zu schicken, noch die erforderlichen Geldmittel besitze, um in einer von der Natur
mit unüberwindlichen Bollwerken versehenen und jedem Angriffe trotzenden Lande
wie Bosnien einen voraussichtlich langen Krieg mit Erfolg zu führen. Ali-Pascha
veranstaltete daher, daß die Jnsurrection in Bosnien gleichzeitig in verschiedenen
Gegenden sporadisch losbrechen sollte, um Omer-Paschas ohnehin sehr schwache
Armee zu zerstückeln und desto leichter zu vernichten; das erstere geschah auch,
aber ohne den gehofften Erfolg -- Omer-Pascha wußte die Insurgenten in die
Pohawina zu locken und schlug sie aufs Haupt, wodurch indessen Nichts gewonnen
war, als eine Waffenruhe von einigen Monaten, denn schon im Februar dieses
Jahres brach der Aufstand neuerdings aus.

Ali-Pascha schien im Herbste von dem Gelingen seines Kriegsplans so über¬
zeugt zu sein, daß er auch sein Wezirlük ausstehen ließ. Moskau, die Hauptstadt
der Erzegowina, behauptete sich den gauzeu Winter gegen Omer-Pascha's Unter¬
befehlshaber Muhamed Skanderbcg (ehedem Gras Shelinski) und siel erst An¬
fangs Februar d. I., als Omer-Pascha nach der Erzegowina aufbrach, um dort
Ruhe zu schaffen und freien Rücken zu haben, wenn er gegen die Krajina ope-
riren würde, wo sich, wie gesagt, die Vorboten eines neuen Aufstandes gezeigt
hatten. Der Rajmakam Muhamed Skanderbeg hatte aber noch vor Omer-Pascha's
Ankunft Mostar erobert und den erzegowinaer Reineke Ali-Pascha in seiner Höhle
gefangen. Dieser ließ es ganz ruhig geschehen, denn ein juridisch giltiger
Beweis seiner Schuld liegt nicht vor, und dann durfte er auch der Freundschaft
der stambuler theologischen und historischen Juristenschaar gewiß-sein, so daß es


erwarb, daß er, nach der Ernennung des damaligen erzegowinaer Wezirs Hafis-
Pascha zum Wezir von Bosnien, zum Wezir der Erzegowina ernannt wurde.
Er spielte als solcher seine Rolle mit größter Meisterschaft. Als ein Weiser und
als ein toleranter Mann im Lande bekannt, sicherte er sich eiuen großen Einfluß
ans die in der Erzegowina sehr zahlreiche Raja, was noch keinem türkischen
Machthaber jemals gelungen war; zugleich aber galt er bei den Alttürken als ihr
Mann, und genoß auch bei ihnen eines unbedingten Vertrauens. Darauf basirte
nun Ali-Pascha seine Pläne.

Ali-Keditsch, der Kadi Kapitsch von Wranogratsch und Mehmet Pascha von
Tusla, die Führer der Insurgenten in der Krajina und Pohawiua, waren als
Werkzeuge ganz brauchbar, daher wurden sie von Ali-Pascha benutzt und ausge¬
beutet, ohne zu wissen oder zu errathen, daß dieser wichtigere Pläne habe, welche
ihnen verborgen blieben. Ali-Pascha hatte außer seinem Sohne Nafiz-Pascha
keinen Vertrauten, doch diente dessen Korrespondenz dazu, Ali-Paschas Tendenzen
an's Licht zu ziehen. Diese bestanden aber, wie es aus der besagten Correspon-
denz hervorgeht, in nichts Geringerem, als Bosnien und die Erzegowina zu
einem von der Pforte unabhängigen Reiche zu macheu. Ali Pascha
wußte, daß die Pforte weder im Staude sei, täglich frische Armeen nach Bosnien
zu schicken, noch die erforderlichen Geldmittel besitze, um in einer von der Natur
mit unüberwindlichen Bollwerken versehenen und jedem Angriffe trotzenden Lande
wie Bosnien einen voraussichtlich langen Krieg mit Erfolg zu führen. Ali-Pascha
veranstaltete daher, daß die Jnsurrection in Bosnien gleichzeitig in verschiedenen
Gegenden sporadisch losbrechen sollte, um Omer-Paschas ohnehin sehr schwache
Armee zu zerstückeln und desto leichter zu vernichten; das erstere geschah auch,
aber ohne den gehofften Erfolg — Omer-Pascha wußte die Insurgenten in die
Pohawina zu locken und schlug sie aufs Haupt, wodurch indessen Nichts gewonnen
war, als eine Waffenruhe von einigen Monaten, denn schon im Februar dieses
Jahres brach der Aufstand neuerdings aus.

Ali-Pascha schien im Herbste von dem Gelingen seines Kriegsplans so über¬
zeugt zu sein, daß er auch sein Wezirlük ausstehen ließ. Moskau, die Hauptstadt
der Erzegowina, behauptete sich den gauzeu Winter gegen Omer-Pascha's Unter¬
befehlshaber Muhamed Skanderbcg (ehedem Gras Shelinski) und siel erst An¬
fangs Februar d. I., als Omer-Pascha nach der Erzegowina aufbrach, um dort
Ruhe zu schaffen und freien Rücken zu haben, wenn er gegen die Krajina ope-
riren würde, wo sich, wie gesagt, die Vorboten eines neuen Aufstandes gezeigt
hatten. Der Rajmakam Muhamed Skanderbeg hatte aber noch vor Omer-Pascha's
Ankunft Mostar erobert und den erzegowinaer Reineke Ali-Pascha in seiner Höhle
gefangen. Dieser ließ es ganz ruhig geschehen, denn ein juridisch giltiger
Beweis seiner Schuld liegt nicht vor, und dann durfte er auch der Freundschaft
der stambuler theologischen und historischen Juristenschaar gewiß-sein, so daß es


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[0196] erwarb, daß er, nach der Ernennung des damaligen erzegowinaer Wezirs Hafis- Pascha zum Wezir von Bosnien, zum Wezir der Erzegowina ernannt wurde. Er spielte als solcher seine Rolle mit größter Meisterschaft. Als ein Weiser und als ein toleranter Mann im Lande bekannt, sicherte er sich eiuen großen Einfluß ans die in der Erzegowina sehr zahlreiche Raja, was noch keinem türkischen Machthaber jemals gelungen war; zugleich aber galt er bei den Alttürken als ihr Mann, und genoß auch bei ihnen eines unbedingten Vertrauens. Darauf basirte nun Ali-Pascha seine Pläne. Ali-Keditsch, der Kadi Kapitsch von Wranogratsch und Mehmet Pascha von Tusla, die Führer der Insurgenten in der Krajina und Pohawiua, waren als Werkzeuge ganz brauchbar, daher wurden sie von Ali-Pascha benutzt und ausge¬ beutet, ohne zu wissen oder zu errathen, daß dieser wichtigere Pläne habe, welche ihnen verborgen blieben. Ali-Pascha hatte außer seinem Sohne Nafiz-Pascha keinen Vertrauten, doch diente dessen Korrespondenz dazu, Ali-Paschas Tendenzen an's Licht zu ziehen. Diese bestanden aber, wie es aus der besagten Correspon- denz hervorgeht, in nichts Geringerem, als Bosnien und die Erzegowina zu einem von der Pforte unabhängigen Reiche zu macheu. Ali Pascha wußte, daß die Pforte weder im Staude sei, täglich frische Armeen nach Bosnien zu schicken, noch die erforderlichen Geldmittel besitze, um in einer von der Natur mit unüberwindlichen Bollwerken versehenen und jedem Angriffe trotzenden Lande wie Bosnien einen voraussichtlich langen Krieg mit Erfolg zu führen. Ali-Pascha veranstaltete daher, daß die Jnsurrection in Bosnien gleichzeitig in verschiedenen Gegenden sporadisch losbrechen sollte, um Omer-Paschas ohnehin sehr schwache Armee zu zerstückeln und desto leichter zu vernichten; das erstere geschah auch, aber ohne den gehofften Erfolg — Omer-Pascha wußte die Insurgenten in die Pohawina zu locken und schlug sie aufs Haupt, wodurch indessen Nichts gewonnen war, als eine Waffenruhe von einigen Monaten, denn schon im Februar dieses Jahres brach der Aufstand neuerdings aus. Ali-Pascha schien im Herbste von dem Gelingen seines Kriegsplans so über¬ zeugt zu sein, daß er auch sein Wezirlük ausstehen ließ. Moskau, die Hauptstadt der Erzegowina, behauptete sich den gauzeu Winter gegen Omer-Pascha's Unter¬ befehlshaber Muhamed Skanderbcg (ehedem Gras Shelinski) und siel erst An¬ fangs Februar d. I., als Omer-Pascha nach der Erzegowina aufbrach, um dort Ruhe zu schaffen und freien Rücken zu haben, wenn er gegen die Krajina ope- riren würde, wo sich, wie gesagt, die Vorboten eines neuen Aufstandes gezeigt hatten. Der Rajmakam Muhamed Skanderbeg hatte aber noch vor Omer-Pascha's Ankunft Mostar erobert und den erzegowinaer Reineke Ali-Pascha in seiner Höhle gefangen. Dieser ließ es ganz ruhig geschehen, denn ein juridisch giltiger Beweis seiner Schuld liegt nicht vor, und dann durfte er auch der Freundschaft der stambuler theologischen und historischen Juristenschaar gewiß-sein, so daß es

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/196>, abgerufen am 01.09.2024.