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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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Frnchtfolge und Wirthschastssystem finden bei der polnischen Landwirthschaft
eigentlich gar nicht statt. Die polnische Wirthschaft duldet keinen Schulzwang
und keine Systeme. Es ist ein wilder, launenhafter und höchst roher Wirth¬
schaftsbetrieb, der mechanisch nach altem Herkommen fortgetrieben wird. Die
frühere einfache deutsche Dreifelderwirthschaft stimmt mit dem slavischen Brauch,
der gewiß uralt ist, doch nicht üvereiu, trotz mancher Aehnlichkeit. Zwar folgt
aus Wintergetreide auch in Polen in der Regel Sommergetreide, aber damit ist
die Frnchtfolge zu Ende, denn auf die Sommersaat folgt wieder ein- oder mehr¬
jährige Bräche, ohne jede Bestellung des Feldes, so daß der
Grundcharakter der polnischen Wirthschaften eine sehr einfache Zweifelderwirth¬
schaft ist. Die Regelmäßigkeit, Ordnung und Starrheit des uralten deut¬
schen Dreifeldersystems kennt der Pole nicht. Auch darin liegt ein charakteristi¬
scher Unterschied zwischen Slaven und Germanen.

Die Form der Dreiheit ist in Vielem, was der Slave geschaffen, wenig ent¬
wickelt. Es wird dem Stamme schwer, Gegensätze zu binden, zu vermitteln und
zu überwinden. Auch ihr Staatsleben blieb im Gegensatz zwischen Edelmannn und
Bauer stecken, sogar in ihren alten Liedern ist der dritte Theil des strophischen
Baues nicht entwickelt. Wogegen die Deutschen sich als logische Starrköpfe in
einer sehr systematischen doctrinairen Ausbildung der Dreiheit seit Urzeiten er¬
wiesen haben; Dreifelder: Winterung, Sommerung, Brachcultnr; drei Stände;
Adel, Bauer, Bürgerz drei Würdcnstnfen in Ritterthum, Handwerk, Landbau;
Wissenschaft: Meister, LehUing, Gesell; auch drei Sätze im Kunstlied des Mittel¬
alters, nicht weniger in der Volksmusik u. f. w. u. f. w.*)

Der lehmige und humose Thonboden in Großpolen, dem Gubernium Krakau
und dem Gubernium Augustvw hat den polnischen Weizen zu einer europäischen



Für Fandwirthc wöge hier ein Schema der Fruchtfolgc stehen, welche man in Polen
national nennen kann, obgleich Laune der Gutsherren und der Verwalter oder die Eigen¬
thümlichkeiten des Boden" unzählige Abweichungen bewirken.
Bräche
oft vicljcihrigeS Weideland, darauf ohne Dung.
Roggen
I. Jahr Weizen (ohne Dung oder mit starkem Dung auf den nahen Feldern)
S. Jahr Hafer Buchweizen, Sommerroggen, Gerste, Hackfrüchte,
Hülscnfrüch te.
B räche
oft mehrjähriges Weideland, dann wieder Weizen, Roggen
u. s. w.
Eigenthümlichkeiten der polnischen Zwcifelderwirthschaft sind: Heilighalten der Bräche;
Bevorzugung des Has-rS vor der Gerste; Gerste in frischem Dung; die Hackfrüchte nicht im
Brach-, sondern im gedüngten Sommerfeld ; endlich ein abgesondertes jährlich frisch gedüngtes
Feldstück für Hackfrüchte, Hülscnftüchte, Lein, Oelsacit, Gartengemüse.

Frnchtfolge und Wirthschastssystem finden bei der polnischen Landwirthschaft
eigentlich gar nicht statt. Die polnische Wirthschaft duldet keinen Schulzwang
und keine Systeme. Es ist ein wilder, launenhafter und höchst roher Wirth¬
schaftsbetrieb, der mechanisch nach altem Herkommen fortgetrieben wird. Die
frühere einfache deutsche Dreifelderwirthschaft stimmt mit dem slavischen Brauch,
der gewiß uralt ist, doch nicht üvereiu, trotz mancher Aehnlichkeit. Zwar folgt
aus Wintergetreide auch in Polen in der Regel Sommergetreide, aber damit ist
die Frnchtfolge zu Ende, denn auf die Sommersaat folgt wieder ein- oder mehr¬
jährige Bräche, ohne jede Bestellung des Feldes, so daß der
Grundcharakter der polnischen Wirthschaften eine sehr einfache Zweifelderwirth¬
schaft ist. Die Regelmäßigkeit, Ordnung und Starrheit des uralten deut¬
schen Dreifeldersystems kennt der Pole nicht. Auch darin liegt ein charakteristi¬
scher Unterschied zwischen Slaven und Germanen.

Die Form der Dreiheit ist in Vielem, was der Slave geschaffen, wenig ent¬
wickelt. Es wird dem Stamme schwer, Gegensätze zu binden, zu vermitteln und
zu überwinden. Auch ihr Staatsleben blieb im Gegensatz zwischen Edelmannn und
Bauer stecken, sogar in ihren alten Liedern ist der dritte Theil des strophischen
Baues nicht entwickelt. Wogegen die Deutschen sich als logische Starrköpfe in
einer sehr systematischen doctrinairen Ausbildung der Dreiheit seit Urzeiten er¬
wiesen haben; Dreifelder: Winterung, Sommerung, Brachcultnr; drei Stände;
Adel, Bauer, Bürgerz drei Würdcnstnfen in Ritterthum, Handwerk, Landbau;
Wissenschaft: Meister, LehUing, Gesell; auch drei Sätze im Kunstlied des Mittel¬
alters, nicht weniger in der Volksmusik u. f. w. u. f. w.*)

Der lehmige und humose Thonboden in Großpolen, dem Gubernium Krakau
und dem Gubernium Augustvw hat den polnischen Weizen zu einer europäischen



Für Fandwirthc wöge hier ein Schema der Fruchtfolgc stehen, welche man in Polen
national nennen kann, obgleich Laune der Gutsherren und der Verwalter oder die Eigen¬
thümlichkeiten des Boden« unzählige Abweichungen bewirken.
Bräche
oft vicljcihrigeS Weideland, darauf ohne Dung.
Roggen
I. Jahr Weizen (ohne Dung oder mit starkem Dung auf den nahen Feldern)
S. Jahr Hafer Buchweizen, Sommerroggen, Gerste, Hackfrüchte,
Hülscnfrüch te.
B räche
oft mehrjähriges Weideland, dann wieder Weizen, Roggen
u. s. w.
Eigenthümlichkeiten der polnischen Zwcifelderwirthschaft sind: Heilighalten der Bräche;
Bevorzugung des Has-rS vor der Gerste; Gerste in frischem Dung; die Hackfrüchte nicht im
Brach-, sondern im gedüngten Sommerfeld ; endlich ein abgesondertes jährlich frisch gedüngtes
Feldstück für Hackfrüchte, Hülscnftüchte, Lein, Oelsacit, Gartengemüse.
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[0153] Frnchtfolge und Wirthschastssystem finden bei der polnischen Landwirthschaft eigentlich gar nicht statt. Die polnische Wirthschaft duldet keinen Schulzwang und keine Systeme. Es ist ein wilder, launenhafter und höchst roher Wirth¬ schaftsbetrieb, der mechanisch nach altem Herkommen fortgetrieben wird. Die frühere einfache deutsche Dreifelderwirthschaft stimmt mit dem slavischen Brauch, der gewiß uralt ist, doch nicht üvereiu, trotz mancher Aehnlichkeit. Zwar folgt aus Wintergetreide auch in Polen in der Regel Sommergetreide, aber damit ist die Frnchtfolge zu Ende, denn auf die Sommersaat folgt wieder ein- oder mehr¬ jährige Bräche, ohne jede Bestellung des Feldes, so daß der Grundcharakter der polnischen Wirthschaften eine sehr einfache Zweifelderwirth¬ schaft ist. Die Regelmäßigkeit, Ordnung und Starrheit des uralten deut¬ schen Dreifeldersystems kennt der Pole nicht. Auch darin liegt ein charakteristi¬ scher Unterschied zwischen Slaven und Germanen. Die Form der Dreiheit ist in Vielem, was der Slave geschaffen, wenig ent¬ wickelt. Es wird dem Stamme schwer, Gegensätze zu binden, zu vermitteln und zu überwinden. Auch ihr Staatsleben blieb im Gegensatz zwischen Edelmannn und Bauer stecken, sogar in ihren alten Liedern ist der dritte Theil des strophischen Baues nicht entwickelt. Wogegen die Deutschen sich als logische Starrköpfe in einer sehr systematischen doctrinairen Ausbildung der Dreiheit seit Urzeiten er¬ wiesen haben; Dreifelder: Winterung, Sommerung, Brachcultnr; drei Stände; Adel, Bauer, Bürgerz drei Würdcnstnfen in Ritterthum, Handwerk, Landbau; Wissenschaft: Meister, LehUing, Gesell; auch drei Sätze im Kunstlied des Mittel¬ alters, nicht weniger in der Volksmusik u. f. w. u. f. w.*) Der lehmige und humose Thonboden in Großpolen, dem Gubernium Krakau und dem Gubernium Augustvw hat den polnischen Weizen zu einer europäischen Für Fandwirthc wöge hier ein Schema der Fruchtfolgc stehen, welche man in Polen national nennen kann, obgleich Laune der Gutsherren und der Verwalter oder die Eigen¬ thümlichkeiten des Boden« unzählige Abweichungen bewirken. Bräche oft vicljcihrigeS Weideland, darauf ohne Dung. Roggen I. Jahr Weizen (ohne Dung oder mit starkem Dung auf den nahen Feldern) S. Jahr Hafer Buchweizen, Sommerroggen, Gerste, Hackfrüchte, Hülscnfrüch te. B räche oft mehrjähriges Weideland, dann wieder Weizen, Roggen u. s. w. Eigenthümlichkeiten der polnischen Zwcifelderwirthschaft sind: Heilighalten der Bräche; Bevorzugung des Has-rS vor der Gerste; Gerste in frischem Dung; die Hackfrüchte nicht im Brach-, sondern im gedüngten Sommerfeld ; endlich ein abgesondertes jährlich frisch gedüngtes Feldstück für Hackfrüchte, Hülscnftüchte, Lein, Oelsacit, Gartengemüse.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/153>, abgerufen am 27.07.2024.